Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Viertes Vierteljahr.Gretna- Green So hatten die beiden alle Schwierigkeiten glücklich überwunden und waren Für den Deutschen entsteht hier die Frage: Wie konnte so etwas bei uns vor¬ Ähnliche Fälle können überhaupt nicht ganz selten gewesen sein, denn der Nach unsrer Gesetzgebung kann es nicht in Zweifel gezogen werden, daß es Gretna- Green So hatten die beiden alle Schwierigkeiten glücklich überwunden und waren Für den Deutschen entsteht hier die Frage: Wie konnte so etwas bei uns vor¬ Ähnliche Fälle können überhaupt nicht ganz selten gewesen sein, denn der Nach unsrer Gesetzgebung kann es nicht in Zweifel gezogen werden, daß es <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0104" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223688"/> <fw type="header" place="top"> Gretna- Green</fw><lb/> <p xml:id="ID_319"> So hatten die beiden alle Schwierigkeiten glücklich überwunden und waren<lb/> am Ziel ihrer Wünsche angelangt. Doch auch die heißeste Liebe kühlt sich mit der<lb/> Zeit ab. Auch Etincelle mußte diese Erfahrung machen. Sie war so leichtsinnig,<lb/> eine junge, hübsche Dame als Vorleserin zu sich zu nehmen. Natürlich verliebte<lb/> sich der Baron in diese und wollte sie heiraten. Zu diesem Zwecke mußte er sich<lb/> der Etincelle wieder entledigen. Er klagte, und zwar in Paris und nicht in Apolda,<lb/> darauf, daß die mit so großer Mühe zustande gebrachte Ehe für nichtig erklärt<lb/> werde, weil sie unter Umgehung der französischen Gesetze geschlossen worden sei.<lb/> Vor Beendigung des Prozesses starb der Baron. Auf dem Sterbebette hatte er<lb/> die Vorleserin zu seiner Universalerbin eingesetzt und die beiden mit ihr erzeugten<lb/> Töchter anerkannt. Nach seine», Tode nahm seine Mutter den Prozeß auf. Die<lb/> Ehe Etineelles mit dem Baron Double wurde für nichtig erklärt, weil zur Zeit<lb/> ihrer Eingehung die Ehe mit dem Vicomte de Peyronny noch bestanden habe,<lb/> denn die Scheidung in Apolda wurde nicht für giltig erachtet, ja es wurde sogar<lb/> angenommen, daß sich Etincelle dabei nicht in gutem Glauben befunden habe, und<lb/> so wurden ihr auch die in einem solchen Falle mit dein guten Glauben verbundnen<lb/> Vorteile abgesprochen.</p><lb/> <p xml:id="ID_320"> Für den Deutschen entsteht hier die Frage: Wie konnte so etwas bei uns vor¬<lb/> kommen? Wie war es möglich, daß ein deutscher Staat in Paris in einen solchen<lb/> Ruf geriet? Der Staatsanwalt erklärte in dem Prozesse: 1.». nawiÄi^tionll neu<lb/> pranoneizv, g, l's,ick«z Ag a.reif ku'^umunts, ac c^usls aeoomluoüöments? je n'-ü p-is ü,<lb/> - rsokorolisr. Der Deutsche aber hat ein gewisses Interesse, zu erfahren, was bei<lb/> ihm zu Hanse vorgeht. Die Sache ist um so auffallender, als sich in den siebziger<lb/> Jahren ein ähnlicher Vorfall ereignete, der in ganz Europa Aufsehen erregte und<lb/> eine ganze Litteratur hervorrief. Die Ehe der Fürstin Beauffremont wurde 1874<lb/> von dem Gericht in Paris durch die französische 8vMra,tioll av vorn« gelöst. Im<lb/> Jahre 137S ließ sich die Fürstin in Altenburg natnrnlisiren, dann zog sie nach<lb/> Berlin und schloß, ohne eine Scheidung ihrer Ehe für nötig zu halten, vor dem<lb/> dortigen Standesbeamten eine neue Ehe mit dem Fürsten Bibesco. Der Standes¬<lb/> beamte hatte das auf Grund einer Bescheinigung des Magistrats der Stadt Alten-<lb/> burg, ihres angeblichen Wohnorts, wonach von dem Bestehen eines EhehindcrnisscS<lb/> dort nichts bekannt war, zugelassen. Auf die Klage des Fürsten Beauffremont er¬<lb/> klärte» die frauzösischeii Gerichte im Jahre 1876 die von der Fürstin mit Bibeseo<lb/> in Berlin eingegaugne Ehe für nichtig, weil eine französische Ehefrau, auch wenn<lb/> sie getrennt sei, nicht als befugt augesehe» werden könne, eine fremde Nationalität<lb/> zu erwerben. Die andre Ehe war aber auch ans einem ander» Grnnde nichtig,<lb/> weil die Fürstin Beauffremont von ihrem Manne ja nicht geschieden war, sondern<lb/> nur eine Trennung von Tisch und Bett stattgefunden hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_321"> Ähnliche Fälle können überhaupt nicht ganz selten gewesen sein, denn der<lb/> Pariser Staatsanwalt spricht von einem LtratÄFsmo bien oonnu. Wie kommt man<lb/> nun in Weimar und, wie es scheint, eines in Altenburg dazu, solche Ehescheiduugs-<lb/> natnralisntionen zu bewilligen? Ist das gesetzlich zulässig?</p><lb/> <p xml:id="ID_322" next="#ID_323"> Nach unsrer Gesetzgebung kann es nicht in Zweifel gezogen werden, daß es<lb/> gestattet ist, eine ausländische Frau allem, ohne daß ihr Mann zugleich die Staats¬<lb/> angehörigkeit wechselt, bei uns zu natnralisiren, so wenig wünschenswert das auch<lb/> der Natur der Sache nach gewöhnlich ist. Z 7 des Neichsgesetzes vom 1. Juni 1370<lb/> läßt allgemein ohne Unterschied des Standes und des Geschlechts die Naturalisationen<lb/> von Ausländern zu, wenn sie nach den Gesetzen ihres bisherigen Heimatstaates<lb/> dispvsitionsftthig siud. Eine ausländische Ehefrau kann also mit Einwilligung ihres</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0104]
Gretna- Green
So hatten die beiden alle Schwierigkeiten glücklich überwunden und waren
am Ziel ihrer Wünsche angelangt. Doch auch die heißeste Liebe kühlt sich mit der
Zeit ab. Auch Etincelle mußte diese Erfahrung machen. Sie war so leichtsinnig,
eine junge, hübsche Dame als Vorleserin zu sich zu nehmen. Natürlich verliebte
sich der Baron in diese und wollte sie heiraten. Zu diesem Zwecke mußte er sich
der Etincelle wieder entledigen. Er klagte, und zwar in Paris und nicht in Apolda,
darauf, daß die mit so großer Mühe zustande gebrachte Ehe für nichtig erklärt
werde, weil sie unter Umgehung der französischen Gesetze geschlossen worden sei.
Vor Beendigung des Prozesses starb der Baron. Auf dem Sterbebette hatte er
die Vorleserin zu seiner Universalerbin eingesetzt und die beiden mit ihr erzeugten
Töchter anerkannt. Nach seine», Tode nahm seine Mutter den Prozeß auf. Die
Ehe Etineelles mit dem Baron Double wurde für nichtig erklärt, weil zur Zeit
ihrer Eingehung die Ehe mit dem Vicomte de Peyronny noch bestanden habe,
denn die Scheidung in Apolda wurde nicht für giltig erachtet, ja es wurde sogar
angenommen, daß sich Etincelle dabei nicht in gutem Glauben befunden habe, und
so wurden ihr auch die in einem solchen Falle mit dein guten Glauben verbundnen
Vorteile abgesprochen.
Für den Deutschen entsteht hier die Frage: Wie konnte so etwas bei uns vor¬
kommen? Wie war es möglich, daß ein deutscher Staat in Paris in einen solchen
Ruf geriet? Der Staatsanwalt erklärte in dem Prozesse: 1.». nawiÄi^tionll neu
pranoneizv, g, l's,ick«z Ag a.reif ku'^umunts, ac c^usls aeoomluoüöments? je n'-ü p-is ü,
- rsokorolisr. Der Deutsche aber hat ein gewisses Interesse, zu erfahren, was bei
ihm zu Hanse vorgeht. Die Sache ist um so auffallender, als sich in den siebziger
Jahren ein ähnlicher Vorfall ereignete, der in ganz Europa Aufsehen erregte und
eine ganze Litteratur hervorrief. Die Ehe der Fürstin Beauffremont wurde 1874
von dem Gericht in Paris durch die französische 8vMra,tioll av vorn« gelöst. Im
Jahre 137S ließ sich die Fürstin in Altenburg natnrnlisiren, dann zog sie nach
Berlin und schloß, ohne eine Scheidung ihrer Ehe für nötig zu halten, vor dem
dortigen Standesbeamten eine neue Ehe mit dem Fürsten Bibesco. Der Standes¬
beamte hatte das auf Grund einer Bescheinigung des Magistrats der Stadt Alten-
burg, ihres angeblichen Wohnorts, wonach von dem Bestehen eines EhehindcrnisscS
dort nichts bekannt war, zugelassen. Auf die Klage des Fürsten Beauffremont er¬
klärte» die frauzösischeii Gerichte im Jahre 1876 die von der Fürstin mit Bibeseo
in Berlin eingegaugne Ehe für nichtig, weil eine französische Ehefrau, auch wenn
sie getrennt sei, nicht als befugt augesehe» werden könne, eine fremde Nationalität
zu erwerben. Die andre Ehe war aber auch ans einem ander» Grnnde nichtig,
weil die Fürstin Beauffremont von ihrem Manne ja nicht geschieden war, sondern
nur eine Trennung von Tisch und Bett stattgefunden hatte.
Ähnliche Fälle können überhaupt nicht ganz selten gewesen sein, denn der
Pariser Staatsanwalt spricht von einem LtratÄFsmo bien oonnu. Wie kommt man
nun in Weimar und, wie es scheint, eines in Altenburg dazu, solche Ehescheiduugs-
natnralisntionen zu bewilligen? Ist das gesetzlich zulässig?
Nach unsrer Gesetzgebung kann es nicht in Zweifel gezogen werden, daß es
gestattet ist, eine ausländische Frau allem, ohne daß ihr Mann zugleich die Staats¬
angehörigkeit wechselt, bei uns zu natnralisiren, so wenig wünschenswert das auch
der Natur der Sache nach gewöhnlich ist. Z 7 des Neichsgesetzes vom 1. Juni 1370
läßt allgemein ohne Unterschied des Standes und des Geschlechts die Naturalisationen
von Ausländern zu, wenn sie nach den Gesetzen ihres bisherigen Heimatstaates
dispvsitionsftthig siud. Eine ausländische Ehefrau kann also mit Einwilligung ihres
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