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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Skizzen aus unserm heutigen Volksleben
Fritz Anders von
Neue Folge
2. Der Brandschäden

es du barmherziger Heiland! rief die Frau Oberförsterin, indem sie
zur Thür hereintrat und auf den nächsten Stuhl niedersank.

Der Herr Oberförster, der eben von einer Ausfahrt zurückgekehrt
und damit beschäftigt war, seine Stiefel auszuziehen, antwortete:
Was ist denn los, Frau? Aber die Frau Oberförsterin konnte weder
ein Glied rühren, noch ein Wort herausbringen.

In diesem Augenblicke kamen Harne und Rieke kreischend die Treppe herab.
Der Herr Oberförster sprang mit einem Stiefel und einem Pantoffel bekleidet
hinaus und die Treppe hinauf.

Zum Donnerwetter, was ist los?

Es brennt! Ach, dir lieber Gott! Es brennt!

Haltet die Schnäbel und bringt Licht und Wasser!

Die Treppe war stockfinster, aber oben aus dem Gange, der zur Vorrats¬
kammer führte, kam ein verdächtiger roter Schein. Hanne und Rieke kamen zurück,
die eine mit einem Töpfchen Wasser, die andre mit einem brennende" Papierspan.
Sie hatten völlig den Kopf verloren. Der Oberförster reihte seine dienstbaren
Geister an der entsprechenden Stelle des Tierreichs ein, eilte selbst in die Küche
hinab, ergriff ein Paar Eimer mit Wasser und stürzte zur Brandstelle. In der
Vorratskammer war ein neben dem Schornstein befindlicher Balken in Brand ge¬
raten und hatte das Fehler ans eine daneben stehende Kiste übertragen, die samt
ihrem Inhalt in hellen Flammen stand. Eine Viertelstunde später wäre vielleicht
das Haus nicht mehr zu retten gewesen, jetzt gelang es, das Feuer mit ein paar
Eimern Wasser auszugießen.

Das; sich der Herr Oberförster zur Beruhigung seines Gemüts an diesem
Abend einen tüchtigen Grog braute, daß die Brandangclegenheit ausführlich er¬
örtert wurde, und daß man der verborgnen Ursache mit Fleiß nachforschte, war
selbstverständlich. Dabei kam zu Tage, daß der Schornsteinfeger am Morgen da¬
gewesen war, den Schornstein ausgebrannt und eine ungebührliche Menge Stroh
verbraucht hatte. Es war ein schrecklicher Anblick gewesen, wie die Flamme oben
herausgeschlagen hatte, und Hanne hatte es gleich gesagt, daß das ein Unglück be¬
deute. Das Unglück war nnn nicht allzu groß geworden. Schade war es nur
um die Kiste mit den schönen Mandarinen, die el" Jagdfreund kürzlich aus Livorno
"schickt hatte.

Als gewissenhafter Beamter setzte sich der Oberförster um ander" Tage hin




Skizzen aus unserm heutigen Volksleben
Fritz Anders von
Neue Folge
2. Der Brandschäden

es du barmherziger Heiland! rief die Frau Oberförsterin, indem sie
zur Thür hereintrat und auf den nächsten Stuhl niedersank.

Der Herr Oberförster, der eben von einer Ausfahrt zurückgekehrt
und damit beschäftigt war, seine Stiefel auszuziehen, antwortete:
Was ist denn los, Frau? Aber die Frau Oberförsterin konnte weder
ein Glied rühren, noch ein Wort herausbringen.

In diesem Augenblicke kamen Harne und Rieke kreischend die Treppe herab.
Der Herr Oberförster sprang mit einem Stiefel und einem Pantoffel bekleidet
hinaus und die Treppe hinauf.

Zum Donnerwetter, was ist los?

Es brennt! Ach, dir lieber Gott! Es brennt!

Haltet die Schnäbel und bringt Licht und Wasser!

Die Treppe war stockfinster, aber oben aus dem Gange, der zur Vorrats¬
kammer führte, kam ein verdächtiger roter Schein. Hanne und Rieke kamen zurück,
die eine mit einem Töpfchen Wasser, die andre mit einem brennende» Papierspan.
Sie hatten völlig den Kopf verloren. Der Oberförster reihte seine dienstbaren
Geister an der entsprechenden Stelle des Tierreichs ein, eilte selbst in die Küche
hinab, ergriff ein Paar Eimer mit Wasser und stürzte zur Brandstelle. In der
Vorratskammer war ein neben dem Schornstein befindlicher Balken in Brand ge¬
raten und hatte das Fehler ans eine daneben stehende Kiste übertragen, die samt
ihrem Inhalt in hellen Flammen stand. Eine Viertelstunde später wäre vielleicht
das Haus nicht mehr zu retten gewesen, jetzt gelang es, das Feuer mit ein paar
Eimern Wasser auszugießen.

Das; sich der Herr Oberförster zur Beruhigung seines Gemüts an diesem
Abend einen tüchtigen Grog braute, daß die Brandangclegenheit ausführlich er¬
örtert wurde, und daß man der verborgnen Ursache mit Fleiß nachforschte, war
selbstverständlich. Dabei kam zu Tage, daß der Schornsteinfeger am Morgen da¬
gewesen war, den Schornstein ausgebrannt und eine ungebührliche Menge Stroh
verbraucht hatte. Es war ein schrecklicher Anblick gewesen, wie die Flamme oben
herausgeschlagen hatte, und Hanne hatte es gleich gesagt, daß das ein Unglück be¬
deute. Das Unglück war nnn nicht allzu groß geworden. Schade war es nur
um die Kiste mit den schönen Mandarinen, die el» Jagdfreund kürzlich aus Livorno
»schickt hatte.

Als gewissenhafter Beamter setzte sich der Oberförster um ander» Tage hin


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[0091] [Abbildung] Skizzen aus unserm heutigen Volksleben Fritz Anders von Neue Folge 2. Der Brandschäden es du barmherziger Heiland! rief die Frau Oberförsterin, indem sie zur Thür hereintrat und auf den nächsten Stuhl niedersank. Der Herr Oberförster, der eben von einer Ausfahrt zurückgekehrt und damit beschäftigt war, seine Stiefel auszuziehen, antwortete: Was ist denn los, Frau? Aber die Frau Oberförsterin konnte weder ein Glied rühren, noch ein Wort herausbringen. In diesem Augenblicke kamen Harne und Rieke kreischend die Treppe herab. Der Herr Oberförster sprang mit einem Stiefel und einem Pantoffel bekleidet hinaus und die Treppe hinauf. Zum Donnerwetter, was ist los? Es brennt! Ach, dir lieber Gott! Es brennt! Haltet die Schnäbel und bringt Licht und Wasser! Die Treppe war stockfinster, aber oben aus dem Gange, der zur Vorrats¬ kammer führte, kam ein verdächtiger roter Schein. Hanne und Rieke kamen zurück, die eine mit einem Töpfchen Wasser, die andre mit einem brennende» Papierspan. Sie hatten völlig den Kopf verloren. Der Oberförster reihte seine dienstbaren Geister an der entsprechenden Stelle des Tierreichs ein, eilte selbst in die Küche hinab, ergriff ein Paar Eimer mit Wasser und stürzte zur Brandstelle. In der Vorratskammer war ein neben dem Schornstein befindlicher Balken in Brand ge¬ raten und hatte das Fehler ans eine daneben stehende Kiste übertragen, die samt ihrem Inhalt in hellen Flammen stand. Eine Viertelstunde später wäre vielleicht das Haus nicht mehr zu retten gewesen, jetzt gelang es, das Feuer mit ein paar Eimern Wasser auszugießen. Das; sich der Herr Oberförster zur Beruhigung seines Gemüts an diesem Abend einen tüchtigen Grog braute, daß die Brandangclegenheit ausführlich er¬ örtert wurde, und daß man der verborgnen Ursache mit Fleiß nachforschte, war selbstverständlich. Dabei kam zu Tage, daß der Schornsteinfeger am Morgen da¬ gewesen war, den Schornstein ausgebrannt und eine ungebührliche Menge Stroh verbraucht hatte. Es war ein schrecklicher Anblick gewesen, wie die Flamme oben herausgeschlagen hatte, und Hanne hatte es gleich gesagt, daß das ein Unglück be¬ deute. Das Unglück war nnn nicht allzu groß geworden. Schade war es nur um die Kiste mit den schönen Mandarinen, die el» Jagdfreund kürzlich aus Livorno »schickt hatte. Als gewissenhafter Beamter setzte sich der Oberförster um ander» Tage hin

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/91>, abgerufen am 28.11.2024.