Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches an deren Schöpfungen die Teilnahme sich genau so weit erstreckt, als man Maßgebliches und Unmaßgebliches Preßsünden. Wenn man es zur Empfindungslosigkeit eines Gottes brächte, Maßgebliches und Unmaßgebliches an deren Schöpfungen die Teilnahme sich genau so weit erstreckt, als man Maßgebliches und Unmaßgebliches Preßsünden. Wenn man es zur Empfindungslosigkeit eines Gottes brächte, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0630" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223572"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_1746" prev="#ID_1745"> an deren Schöpfungen die Teilnahme sich genau so weit erstreckt, als man<lb/> der eigentümlichen Persönlichkeit, den bunten Schicksalen, den äußersten An¬<lb/> schauungen, ihres Urhebers nahe steht. Daß wenigstens diese geschichtliche<lb/> Teilnahme möglich ist, ist ein nicht zu unterschätzendes Verdienst der pietät¬<lb/> vollen und vortrefflichen Zielschen Ausgabe von Dulks Dramen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Maßgebliches und Unmaßgebliches</head><lb/> <div n="2"> <head> Preßsünden.</head> <p xml:id="ID_1747" next="#ID_1748"> Wenn man es zur Empfindungslosigkeit eines Gottes brächte,<lb/> der die irdischen Ereignisse nur als Guckkastenbilder zu seiner Unterhaltung be¬<lb/> schaute, so würde einem das Kunststück der Parteiprcsse, mitten im Zeitalter des<lb/> Telegraphen und der allgemeinen Schulbildung deu Lesern die wichtigsten und ge¬<lb/> waltigsten Thatsachen zu verbergen, ganz außerordentliches Vergnügen bereiten.<lb/> Wir haben Gelegenheit gehabt, dieses Kunststück unter der Regierung Crispis zu<lb/> bewundern, von deren UnHaltbarkeit bis zum Sturze des unheilvollen Greises<lb/> weder die Leser der Vossischen noch die der Post eine Ahnung hatten, aber jetzt<lb/> leistet ein großer Teil der allerbesten Presse in der Erzeugung künstlicher Blindheit<lb/> noch großartigeres. Es giebt angesehne Zeitungen, deren Leser, wenn sie nicht<lb/> zufällig manchmal einen Blick in andre Blätter werfen, bis ans den heutigen Tag<lb/> noch keine Atmung von dem haben, was in Armenien geschehen ist. Blätter, die<lb/> sich jede Ankunft einer Exzellenz in Homburg oder Schlnngenbad, jede Morithat in<lb/> Posenmckel, jeden Überfall einer Postkutsche in Italien telcgrciphiren lassen, Blätter,<lb/> die ein schweres Geld ausgeben für spaltenlange Telegramme über die neueste<lb/> Dhuamitverschwöruug, mit der phantasievolle Geheimpolizisten dem Publikum gruselig<lb/> macheu, die aber die Berichte des Ncichsboten und der Frankfurter Zeitung über<lb/> die armenischen Greuel noch mit keinem Worte erwähnt haben. Vor dem Kon-<lb/> stantinopler Gemetzel, das schlechterdings nicht verheimlicht werden konnte, haben<lb/> die Leser dieser Blatter nichts, rein nichts erfahren, als daß die Engländer in<lb/> Armenien wühlten und Schnuermärcn über Greuelthaten verbreiteten, die dort<lb/> angeblich verübt würden. Als dann, schon nach dem Blutbade von Konstantinopel,<lb/> Versammlungen von Armenierfreunden in Berlin und Hamburg abgehalten worden<lb/> waren, da teilten diese musterhaften Berichterstatter ihren Lesern nur mit, daß<lb/> wehleidige, empfindsame Seelen erlognen Zeilimgsberichrcn Glauben geschenkt hätten<lb/> und so einfältig wären, einen politisch sehr gefährliche» Eutrüstungsrummel zu ver¬<lb/> anstalten. Die Darstellung eines Türken in der Norddeutschen Allgemeinen ist in<lb/> diesen Blättern natürlich wörtlich abgedruckt worden, uicht aber die Antwort des<lb/> Ncichsboten und der Frankfurter Zeitung. Diese nennt den Türkenartikel „einen<lb/> unverschämten Versuch, eine mit einer Fülle von Einzelheiten verfehlte Tarstellung<lb/> eines Augenzeugen durch einige nichtssagende Redensarten zu widerlegen." Auf<lb/> die Behauptung des Türken aber, der „deutsche Pfarrer" habe in Anatolien nur<lb/> Missionsanstalten besucht und dort sein „famoses Material ausschließlich" gefunden,<lb/> erwidert der Reichsbote: „Bekanntlich hat Dr. Lepsius seine Artikel größtenteils</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0630]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
an deren Schöpfungen die Teilnahme sich genau so weit erstreckt, als man
der eigentümlichen Persönlichkeit, den bunten Schicksalen, den äußersten An¬
schauungen, ihres Urhebers nahe steht. Daß wenigstens diese geschichtliche
Teilnahme möglich ist, ist ein nicht zu unterschätzendes Verdienst der pietät¬
vollen und vortrefflichen Zielschen Ausgabe von Dulks Dramen.
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Preßsünden. Wenn man es zur Empfindungslosigkeit eines Gottes brächte,
der die irdischen Ereignisse nur als Guckkastenbilder zu seiner Unterhaltung be¬
schaute, so würde einem das Kunststück der Parteiprcsse, mitten im Zeitalter des
Telegraphen und der allgemeinen Schulbildung deu Lesern die wichtigsten und ge¬
waltigsten Thatsachen zu verbergen, ganz außerordentliches Vergnügen bereiten.
Wir haben Gelegenheit gehabt, dieses Kunststück unter der Regierung Crispis zu
bewundern, von deren UnHaltbarkeit bis zum Sturze des unheilvollen Greises
weder die Leser der Vossischen noch die der Post eine Ahnung hatten, aber jetzt
leistet ein großer Teil der allerbesten Presse in der Erzeugung künstlicher Blindheit
noch großartigeres. Es giebt angesehne Zeitungen, deren Leser, wenn sie nicht
zufällig manchmal einen Blick in andre Blätter werfen, bis ans den heutigen Tag
noch keine Atmung von dem haben, was in Armenien geschehen ist. Blätter, die
sich jede Ankunft einer Exzellenz in Homburg oder Schlnngenbad, jede Morithat in
Posenmckel, jeden Überfall einer Postkutsche in Italien telcgrciphiren lassen, Blätter,
die ein schweres Geld ausgeben für spaltenlange Telegramme über die neueste
Dhuamitverschwöruug, mit der phantasievolle Geheimpolizisten dem Publikum gruselig
macheu, die aber die Berichte des Ncichsboten und der Frankfurter Zeitung über
die armenischen Greuel noch mit keinem Worte erwähnt haben. Vor dem Kon-
stantinopler Gemetzel, das schlechterdings nicht verheimlicht werden konnte, haben
die Leser dieser Blatter nichts, rein nichts erfahren, als daß die Engländer in
Armenien wühlten und Schnuermärcn über Greuelthaten verbreiteten, die dort
angeblich verübt würden. Als dann, schon nach dem Blutbade von Konstantinopel,
Versammlungen von Armenierfreunden in Berlin und Hamburg abgehalten worden
waren, da teilten diese musterhaften Berichterstatter ihren Lesern nur mit, daß
wehleidige, empfindsame Seelen erlognen Zeilimgsberichrcn Glauben geschenkt hätten
und so einfältig wären, einen politisch sehr gefährliche» Eutrüstungsrummel zu ver¬
anstalten. Die Darstellung eines Türken in der Norddeutschen Allgemeinen ist in
diesen Blättern natürlich wörtlich abgedruckt worden, uicht aber die Antwort des
Ncichsboten und der Frankfurter Zeitung. Diese nennt den Türkenartikel „einen
unverschämten Versuch, eine mit einer Fülle von Einzelheiten verfehlte Tarstellung
eines Augenzeugen durch einige nichtssagende Redensarten zu widerlegen." Auf
die Behauptung des Türken aber, der „deutsche Pfarrer" habe in Anatolien nur
Missionsanstalten besucht und dort sein „famoses Material ausschließlich" gefunden,
erwidert der Reichsbote: „Bekanntlich hat Dr. Lepsius seine Artikel größtenteils
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