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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Albert Dult

schließende Tendenz, oder die "junge Eitelkeit," die ihn früh zum "Poseur"
machte. Es ist nicht schade, daß wir kein deutsches Wort für den Be¬
griff "Poseur" haben, aber es wäre noch weniger schade, wenn wir auch den
Begriff nicht hätten, vor allem in unsrer Litteratur und Kunstgeschichte uicht
hätten. Bei Dult entsprang die Neigung, eine Rolle vor dem Publikum oder
doch im Freundeskreise zu spielen, teils seinen vielbewunderten körperliche"
Vorzügen und Fertigkeiten (er war el" gewaltiger Schwimmer, kühner Reiter,
ausdauernder Fußgänger), teils dem Drange, die dunkel gefühlte Unzulänglich-
keit seiner poetischen Anläufe durch die Gewalt seines Auftretens, seiner klangvollen,
feurigen Rede, seines abenteuerlichen Rufes gleichsam auszugleichen. Gegen
die Mitte der vierziger Jahre wandte sich Dult dem Studium der Chemie zu,
dem er uuter Erdmcmus Leitung in Leipzig oblag, später machte er eine" Ver¬
such, sich an der Königsberger Universität zu habilitireu. Recht Ernst damit
war es ihm schwerlich, aber auch wen" es ihm Ernst gewesen wäre, sorgte
doch die Polizei dafür, den Dichter nicht zur Sammlung kommen zu lasse";
aus Leipzig wurde er uach deu Augustereignisse" vo" 1845, wo er am Grabe
der in der Nacht des 12. August erschossenen gesprochen hatte, ausgewiesen, i"
Halle wurde er verhaftet, in Königsberg, da er die "überzeugenden Beweise von
Gesinnuugsäiideruug," die Minister Eichhorn forderte, nicht geben konnte, an der
Universität nicht zugelassen. So wurde er, nachdem er sich inzwischen unter
eigentümlichen und hochroma"lischen Umständen mit seiner Kousiue Johaunn Dult
verheiratet hatte, auf die Bahn des Berufsschriftstcllers oder vielmehr zur
ausschließlichen Beschäftigung mit seinen Dichtungen, seinen Lieblingsstudien
und nicht z" vergessen mit der Politik gedrängt. Die unlösbare Verquickung
des politischen Dranges und des politisch-religiösen Radikalismus nach dem
Rezept der dreißiger und vierziger Jahre in seiner Seele tritt uns aus
seinem Erstlingsdrama "Orla" (das 1843 im Druck erschie") und vor allem
aus der von Ziel mitgeteilten Thatsache entgegen, daß Dult durch das Attentat
des Storkower Bürgermeisters Thebens auf König Friedrich Wilhelm IV.
zu einer Tragödie begeistert wurde, die glücklicherweise verloren gegange",
jedenfalls niemals veröffentlicht worde" ist. Wie es charakteristisch für den
ungeheuern Widerspruch der großen Worte und der kleinen Thaten war, daß
der Held des erstgenannten Dramas der weltstürmende, weltumwälzende Orla
von Strahlberg nichts besseres für die Freiheit und Deutschland zu thun
weiß, als an dem thörichten Frankfurter Attentat von 1833 teil zu nehme"
und dabei den Tod zu finden, so war die versuchte poetische Verherrlichung
des düstern und in seinem hochmütigen Gerechtigkeitsdüiikel bemühe einfältige"
Fcmatikers Thebens ein schlimmes Zeichen für die wachsende geistige Überreizung
und die ungesunde" Anschauungen des Dichters. Das Jahr 1848 begrüßte
Dult mit leidenschaftlichen Erwartungen, die schwere Enttäuschunge" i" ihrem
Schoß bargen. Am 12. Dezember 1843 gestand er ein: "Ich habe so vieles


Albert Dult

schließende Tendenz, oder die „junge Eitelkeit," die ihn früh zum „Poseur"
machte. Es ist nicht schade, daß wir kein deutsches Wort für den Be¬
griff „Poseur" haben, aber es wäre noch weniger schade, wenn wir auch den
Begriff nicht hätten, vor allem in unsrer Litteratur und Kunstgeschichte uicht
hätten. Bei Dult entsprang die Neigung, eine Rolle vor dem Publikum oder
doch im Freundeskreise zu spielen, teils seinen vielbewunderten körperliche»
Vorzügen und Fertigkeiten (er war el» gewaltiger Schwimmer, kühner Reiter,
ausdauernder Fußgänger), teils dem Drange, die dunkel gefühlte Unzulänglich-
keit seiner poetischen Anläufe durch die Gewalt seines Auftretens, seiner klangvollen,
feurigen Rede, seines abenteuerlichen Rufes gleichsam auszugleichen. Gegen
die Mitte der vierziger Jahre wandte sich Dult dem Studium der Chemie zu,
dem er uuter Erdmcmus Leitung in Leipzig oblag, später machte er eine» Ver¬
such, sich an der Königsberger Universität zu habilitireu. Recht Ernst damit
war es ihm schwerlich, aber auch wen» es ihm Ernst gewesen wäre, sorgte
doch die Polizei dafür, den Dichter nicht zur Sammlung kommen zu lasse»;
aus Leipzig wurde er uach deu Augustereignisse» vo» 1845, wo er am Grabe
der in der Nacht des 12. August erschossenen gesprochen hatte, ausgewiesen, i»
Halle wurde er verhaftet, in Königsberg, da er die „überzeugenden Beweise von
Gesinnuugsäiideruug," die Minister Eichhorn forderte, nicht geben konnte, an der
Universität nicht zugelassen. So wurde er, nachdem er sich inzwischen unter
eigentümlichen und hochroma»lischen Umständen mit seiner Kousiue Johaunn Dult
verheiratet hatte, auf die Bahn des Berufsschriftstcllers oder vielmehr zur
ausschließlichen Beschäftigung mit seinen Dichtungen, seinen Lieblingsstudien
und nicht z» vergessen mit der Politik gedrängt. Die unlösbare Verquickung
des politischen Dranges und des politisch-religiösen Radikalismus nach dem
Rezept der dreißiger und vierziger Jahre in seiner Seele tritt uns aus
seinem Erstlingsdrama „Orla" (das 1843 im Druck erschie») und vor allem
aus der von Ziel mitgeteilten Thatsache entgegen, daß Dult durch das Attentat
des Storkower Bürgermeisters Thebens auf König Friedrich Wilhelm IV.
zu einer Tragödie begeistert wurde, die glücklicherweise verloren gegange»,
jedenfalls niemals veröffentlicht worde» ist. Wie es charakteristisch für den
ungeheuern Widerspruch der großen Worte und der kleinen Thaten war, daß
der Held des erstgenannten Dramas der weltstürmende, weltumwälzende Orla
von Strahlberg nichts besseres für die Freiheit und Deutschland zu thun
weiß, als an dem thörichten Frankfurter Attentat von 1833 teil zu nehme»
und dabei den Tod zu finden, so war die versuchte poetische Verherrlichung
des düstern und in seinem hochmütigen Gerechtigkeitsdüiikel bemühe einfältige»
Fcmatikers Thebens ein schlimmes Zeichen für die wachsende geistige Überreizung
und die ungesunde» Anschauungen des Dichters. Das Jahr 1848 begrüßte
Dult mit leidenschaftlichen Erwartungen, die schwere Enttäuschunge» i» ihrem
Schoß bargen. Am 12. Dezember 1843 gestand er ein: „Ich habe so vieles


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[0624] Albert Dult schließende Tendenz, oder die „junge Eitelkeit," die ihn früh zum „Poseur" machte. Es ist nicht schade, daß wir kein deutsches Wort für den Be¬ griff „Poseur" haben, aber es wäre noch weniger schade, wenn wir auch den Begriff nicht hätten, vor allem in unsrer Litteratur und Kunstgeschichte uicht hätten. Bei Dult entsprang die Neigung, eine Rolle vor dem Publikum oder doch im Freundeskreise zu spielen, teils seinen vielbewunderten körperliche» Vorzügen und Fertigkeiten (er war el» gewaltiger Schwimmer, kühner Reiter, ausdauernder Fußgänger), teils dem Drange, die dunkel gefühlte Unzulänglich- keit seiner poetischen Anläufe durch die Gewalt seines Auftretens, seiner klangvollen, feurigen Rede, seines abenteuerlichen Rufes gleichsam auszugleichen. Gegen die Mitte der vierziger Jahre wandte sich Dult dem Studium der Chemie zu, dem er uuter Erdmcmus Leitung in Leipzig oblag, später machte er eine» Ver¬ such, sich an der Königsberger Universität zu habilitireu. Recht Ernst damit war es ihm schwerlich, aber auch wen» es ihm Ernst gewesen wäre, sorgte doch die Polizei dafür, den Dichter nicht zur Sammlung kommen zu lasse»; aus Leipzig wurde er uach deu Augustereignisse» vo» 1845, wo er am Grabe der in der Nacht des 12. August erschossenen gesprochen hatte, ausgewiesen, i» Halle wurde er verhaftet, in Königsberg, da er die „überzeugenden Beweise von Gesinnuugsäiideruug," die Minister Eichhorn forderte, nicht geben konnte, an der Universität nicht zugelassen. So wurde er, nachdem er sich inzwischen unter eigentümlichen und hochroma»lischen Umständen mit seiner Kousiue Johaunn Dult verheiratet hatte, auf die Bahn des Berufsschriftstcllers oder vielmehr zur ausschließlichen Beschäftigung mit seinen Dichtungen, seinen Lieblingsstudien und nicht z» vergessen mit der Politik gedrängt. Die unlösbare Verquickung des politischen Dranges und des politisch-religiösen Radikalismus nach dem Rezept der dreißiger und vierziger Jahre in seiner Seele tritt uns aus seinem Erstlingsdrama „Orla" (das 1843 im Druck erschie») und vor allem aus der von Ziel mitgeteilten Thatsache entgegen, daß Dult durch das Attentat des Storkower Bürgermeisters Thebens auf König Friedrich Wilhelm IV. zu einer Tragödie begeistert wurde, die glücklicherweise verloren gegange», jedenfalls niemals veröffentlicht worde» ist. Wie es charakteristisch für den ungeheuern Widerspruch der großen Worte und der kleinen Thaten war, daß der Held des erstgenannten Dramas der weltstürmende, weltumwälzende Orla von Strahlberg nichts besseres für die Freiheit und Deutschland zu thun weiß, als an dem thörichten Frankfurter Attentat von 1833 teil zu nehme» und dabei den Tod zu finden, so war die versuchte poetische Verherrlichung des düstern und in seinem hochmütigen Gerechtigkeitsdüiikel bemühe einfältige» Fcmatikers Thebens ein schlimmes Zeichen für die wachsende geistige Überreizung und die ungesunde» Anschauungen des Dichters. Das Jahr 1848 begrüßte Dult mit leidenschaftlichen Erwartungen, die schwere Enttäuschunge» i» ihrem Schoß bargen. Am 12. Dezember 1843 gestand er ein: „Ich habe so vieles

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/624>, abgerufen am 30.07.2024.