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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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den Beifall des zeitgenössischen Frankreichs gefunden hat. Hier mag zunächst
von den erstern die Rede sein.

Die Anstalt will teils auf die politische Laufbahn im allgemeinen vor¬
bereiten, teils hat sie eine Reihe von bestimmten Laufbahnen der Staatsver¬
waltung im Auge, die durch Ablegung einer besondern Prüfung zugänglich
werden, Sie gliedert sich hiernach in vier Abteilungen, in eine allgemeine
für Geschichts- und Rechtswissenschaft und in drei besondre sür Diplomatie,
für Verwaltung und für Staatswirtschaft und Finanzen.

Der Lehrgang in den einzelnen Abteilungen bestimmt sich nach den prak¬
tischen Erfordernissen des Ziels, sowohl der Staatsprüfungen, die, wie gesagt,
vor dem Eintritt in die einzelnen Berufsthätigkeiten abzulegen sind, wie auch
ihrer weitern Bedürfnisse. Folgende Laufbahnen kommen in Betracht: die diplo¬
matische, die das Ministerium des Äußern, die Gesandtschaften und die Konsulate
umfaßt; die Verwaltung sowohl in den Zentralbehörden wie in den Departe¬
ments; die Inspektion der Finanzen, eine Behörde, die unter dem Finanz¬
ministerium steht und zur Kontrolle der direkten und indirekten Steuern
dnrch Berichte der Neiseinspektoren an den Minister dient; die Kolonialver¬
waltung von Algier und Tunis (auch die von Tongking wird neuerdings in
das Vereich der Studien gezogen); das Kommissariat der Marine, dessen Mit¬
gliedern sämtliche Berwaltungsgeschäfte an Land und zur See obliegen (jedes
Kriegsschiff hat einen Kommissar mit Offizierrang an Bord).

In allen Abteilungen ist der Lehrgang der Hochschule zweijährig, und hier¬
nach bestimmt sich der Kreislauf der grundlegenden Vorlesungen. Am Ende
des zweiten Studienjahres findet eine Schlußprüfung statt, auf deren Grund
ein Zeugnis verliehen wird, das für jetzt nur einen ideellen Wert hat. Doch
haben schon zwei der genannten Behörden das Zeugnis der Hochschule kurz-
weg anerkannt. Jeder Student, der an der Schlußprüfung teilnehmen will,
muß sich in eine Abteilung einschreiben lassen und an den für diese vorge-
schriebnen Pflichtvorlesungen, sowie den damit verbundnen praktischen Übungen
teilnehmen, während die Wahl der sonstigen Vorlesungen in sein Belieben ge¬
stellt ist. Die mündlichen und schriftlichen Übungen finden aller vierzehn Tage
statt und dienen zur Klärung, Vertiefung und Wiederholung der erledigten
Lehraufgabe.

Es wird nun den Studenten dringend empfohlen und ist in der Praxis
die Regel, nach Erledigung des zweijährigen Studienganges ein drittes Jahr
an der Hochschule zuzubringen, indem sie die erworbnen Kenntnisse nach freier
Wahl ergänzen und befestigen, aber auch durch weitere geschichtliche und ju¬
ristische Vorlesungen der allgemeinen Abteilung die Grundlagen ihrer Fach¬
bildung erweitern. Für diesen dritten Jahrgang, sowie für alle noch ältern
Studenten besteht eine besondre Art von Übungen, die den Seminaren unsrer
Universitäten ähnlich sind. Sie behandeln teils kurze Fragen aus der all¬
gemeinen Praxis, teils Tagesfragen von hervorstechenden Interesse, wie sie


Grenzboten III 1336 76
Line französische Hochschule für Staatswissenschaften

den Beifall des zeitgenössischen Frankreichs gefunden hat. Hier mag zunächst
von den erstern die Rede sein.

Die Anstalt will teils auf die politische Laufbahn im allgemeinen vor¬
bereiten, teils hat sie eine Reihe von bestimmten Laufbahnen der Staatsver¬
waltung im Auge, die durch Ablegung einer besondern Prüfung zugänglich
werden, Sie gliedert sich hiernach in vier Abteilungen, in eine allgemeine
für Geschichts- und Rechtswissenschaft und in drei besondre sür Diplomatie,
für Verwaltung und für Staatswirtschaft und Finanzen.

Der Lehrgang in den einzelnen Abteilungen bestimmt sich nach den prak¬
tischen Erfordernissen des Ziels, sowohl der Staatsprüfungen, die, wie gesagt,
vor dem Eintritt in die einzelnen Berufsthätigkeiten abzulegen sind, wie auch
ihrer weitern Bedürfnisse. Folgende Laufbahnen kommen in Betracht: die diplo¬
matische, die das Ministerium des Äußern, die Gesandtschaften und die Konsulate
umfaßt; die Verwaltung sowohl in den Zentralbehörden wie in den Departe¬
ments; die Inspektion der Finanzen, eine Behörde, die unter dem Finanz¬
ministerium steht und zur Kontrolle der direkten und indirekten Steuern
dnrch Berichte der Neiseinspektoren an den Minister dient; die Kolonialver¬
waltung von Algier und Tunis (auch die von Tongking wird neuerdings in
das Vereich der Studien gezogen); das Kommissariat der Marine, dessen Mit¬
gliedern sämtliche Berwaltungsgeschäfte an Land und zur See obliegen (jedes
Kriegsschiff hat einen Kommissar mit Offizierrang an Bord).

In allen Abteilungen ist der Lehrgang der Hochschule zweijährig, und hier¬
nach bestimmt sich der Kreislauf der grundlegenden Vorlesungen. Am Ende
des zweiten Studienjahres findet eine Schlußprüfung statt, auf deren Grund
ein Zeugnis verliehen wird, das für jetzt nur einen ideellen Wert hat. Doch
haben schon zwei der genannten Behörden das Zeugnis der Hochschule kurz-
weg anerkannt. Jeder Student, der an der Schlußprüfung teilnehmen will,
muß sich in eine Abteilung einschreiben lassen und an den für diese vorge-
schriebnen Pflichtvorlesungen, sowie den damit verbundnen praktischen Übungen
teilnehmen, während die Wahl der sonstigen Vorlesungen in sein Belieben ge¬
stellt ist. Die mündlichen und schriftlichen Übungen finden aller vierzehn Tage
statt und dienen zur Klärung, Vertiefung und Wiederholung der erledigten
Lehraufgabe.

Es wird nun den Studenten dringend empfohlen und ist in der Praxis
die Regel, nach Erledigung des zweijährigen Studienganges ein drittes Jahr
an der Hochschule zuzubringen, indem sie die erworbnen Kenntnisse nach freier
Wahl ergänzen und befestigen, aber auch durch weitere geschichtliche und ju¬
ristische Vorlesungen der allgemeinen Abteilung die Grundlagen ihrer Fach¬
bildung erweitern. Für diesen dritten Jahrgang, sowie für alle noch ältern
Studenten besteht eine besondre Art von Übungen, die den Seminaren unsrer
Universitäten ähnlich sind. Sie behandeln teils kurze Fragen aus der all¬
gemeinen Praxis, teils Tagesfragen von hervorstechenden Interesse, wie sie


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[0609] Line französische Hochschule für Staatswissenschaften den Beifall des zeitgenössischen Frankreichs gefunden hat. Hier mag zunächst von den erstern die Rede sein. Die Anstalt will teils auf die politische Laufbahn im allgemeinen vor¬ bereiten, teils hat sie eine Reihe von bestimmten Laufbahnen der Staatsver¬ waltung im Auge, die durch Ablegung einer besondern Prüfung zugänglich werden, Sie gliedert sich hiernach in vier Abteilungen, in eine allgemeine für Geschichts- und Rechtswissenschaft und in drei besondre sür Diplomatie, für Verwaltung und für Staatswirtschaft und Finanzen. Der Lehrgang in den einzelnen Abteilungen bestimmt sich nach den prak¬ tischen Erfordernissen des Ziels, sowohl der Staatsprüfungen, die, wie gesagt, vor dem Eintritt in die einzelnen Berufsthätigkeiten abzulegen sind, wie auch ihrer weitern Bedürfnisse. Folgende Laufbahnen kommen in Betracht: die diplo¬ matische, die das Ministerium des Äußern, die Gesandtschaften und die Konsulate umfaßt; die Verwaltung sowohl in den Zentralbehörden wie in den Departe¬ ments; die Inspektion der Finanzen, eine Behörde, die unter dem Finanz¬ ministerium steht und zur Kontrolle der direkten und indirekten Steuern dnrch Berichte der Neiseinspektoren an den Minister dient; die Kolonialver¬ waltung von Algier und Tunis (auch die von Tongking wird neuerdings in das Vereich der Studien gezogen); das Kommissariat der Marine, dessen Mit¬ gliedern sämtliche Berwaltungsgeschäfte an Land und zur See obliegen (jedes Kriegsschiff hat einen Kommissar mit Offizierrang an Bord). In allen Abteilungen ist der Lehrgang der Hochschule zweijährig, und hier¬ nach bestimmt sich der Kreislauf der grundlegenden Vorlesungen. Am Ende des zweiten Studienjahres findet eine Schlußprüfung statt, auf deren Grund ein Zeugnis verliehen wird, das für jetzt nur einen ideellen Wert hat. Doch haben schon zwei der genannten Behörden das Zeugnis der Hochschule kurz- weg anerkannt. Jeder Student, der an der Schlußprüfung teilnehmen will, muß sich in eine Abteilung einschreiben lassen und an den für diese vorge- schriebnen Pflichtvorlesungen, sowie den damit verbundnen praktischen Übungen teilnehmen, während die Wahl der sonstigen Vorlesungen in sein Belieben ge¬ stellt ist. Die mündlichen und schriftlichen Übungen finden aller vierzehn Tage statt und dienen zur Klärung, Vertiefung und Wiederholung der erledigten Lehraufgabe. Es wird nun den Studenten dringend empfohlen und ist in der Praxis die Regel, nach Erledigung des zweijährigen Studienganges ein drittes Jahr an der Hochschule zuzubringen, indem sie die erworbnen Kenntnisse nach freier Wahl ergänzen und befestigen, aber auch durch weitere geschichtliche und ju¬ ristische Vorlesungen der allgemeinen Abteilung die Grundlagen ihrer Fach¬ bildung erweitern. Für diesen dritten Jahrgang, sowie für alle noch ältern Studenten besteht eine besondre Art von Übungen, die den Seminaren unsrer Universitäten ähnlich sind. Sie behandeln teils kurze Fragen aus der all¬ gemeinen Praxis, teils Tagesfragen von hervorstechenden Interesse, wie sie Grenzboten III 1336 76

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/609>, abgerufen am 26.11.2024.