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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Zur Frage der Vorbildung der höhern verwaltungsbeamten

Wie kann hier Wandel geschafft werden, wie kann man zurückgelangen
zu dem Zustande der alten Regierungskollegien, die ihren Bezirk bis auf die
Nieren prüften und kannten und in hohem Maße Vertrauen genossen? Zunächst
kann der Vorschlag, die praktische Thätigkeit beim Landrate beginnen zu lassen,
nach dem gesagten nicht gebilligt werden. Wenn, wie der Minister von Putt-
kamer im Jahre 1883 bei Beratung des heutigen Laudesverwaltnngsgesetzes
gesagt hat, der Mittelpunkt der höhern Staatsverwaltung in dem Bezirke liegt,
so folgt daraus, daß hier am Mittelpunkt auch die praktische Ausbildung be¬
ginnen muß. Die beim Landrate zuzubringende Zeit muß aber so gelegt werden,
daß die Steuerveranlagung, die Vorbereitung des Kreishaushaltsplans, über¬
haupt die arbeitsreichste Zeit der Krcisverwaltnug (der Winter) in ihrer natür¬
lichen Reihenfolge der Geschäfte durchlaufen wird, also etwa im Oktober beginnt.
Diese Station auf neun Monate zu verlängern erschiene nicht unzweckmäßig
und wohl möglich, wenn die dreimonatige Thätigkeit in einer städtischen Ver¬
waltung damit verbunden würde. Man kann wohl sagen: je kleiner die Stadt,
desto besser; denn nirgends lernt man die kleinen Verhältnisse, ihre Beein¬
flussung durch gesetzliche und Vcrwaltungsanordnuugen, die Wirkung obrigkeit¬
licher Verfügungen und wirtschaftlicher Vorgänge und Entwicklungen auf die
breiten Schichten der Bevölkerung sowohl in Beziehung auf den materiellen
Erfolg wie auf die (politisch so wichtige) Auffassung und Stimmung der be¬
troffnen so gründlich kennen, nirgends sonst auch so gründlich die Bedeutung
der landwirtschaftlichen Thätigkeit und ihrer Erfolge in ihrem Zusammenhang mit
dem wirtschaftlichen Leben der übrigen Vernfs- und Erwerbszweige, als gerade
in solcher amtlichen Thätigkeit. Eine Verkürzung der für die Bezirksregierung
bestimmten Zeit (von fünfzehn Monaten) ist nicht möglich, denn an dieser
Stelle ist der Umfang und die Bedeutung der Geschäfte neben der zeitraubenden
Thätigkeit beim Bezirksausschuß mit der Nerwaltnugsrechtsprechung und neben
der Beschäftigung in der Eintoinmensteuerberufungskommission so groß, daß
eher eine Verlängerung in Frage käme. Hier wäre aber manche Ver¬
besserung angebracht. Zunächst ist es notwendig, daß dem Referendar in
jedem einzelnen Dezernat ein Bild der hineinfallenden Geschäfte und seiner
Gesamtausgabe verschafft wird, daß der Dezernent eine mündliche Einfüh¬
rung giebt statt bloßer Überweisung einiger bedeutenderen, aber doch mehr
oder weniger zufällig in die Zeit der Beschäftigung fallenden Sachen.
Das nämliche gilt von der ganzen Abteilung gegenüber dem leitenden Ober¬
regierungsrat.

Vor allem aber muß in der Richtung bessernd Hand angelegt werden,
die schon der damalige Minister des Innern, Puttkamer, bei der Beratung
des Landesverwaltungsgesetzentwurfs im Abgeordnetenhause in der Session
1882/83 (Verhandlungen III, S. 1618) mit den Worten gewiesen hat: "Es
muß wieder zur Praxis werden, wie das in der besten Zeit der preußischen


Zur Frage der Vorbildung der höhern verwaltungsbeamten

Wie kann hier Wandel geschafft werden, wie kann man zurückgelangen
zu dem Zustande der alten Regierungskollegien, die ihren Bezirk bis auf die
Nieren prüften und kannten und in hohem Maße Vertrauen genossen? Zunächst
kann der Vorschlag, die praktische Thätigkeit beim Landrate beginnen zu lassen,
nach dem gesagten nicht gebilligt werden. Wenn, wie der Minister von Putt-
kamer im Jahre 1883 bei Beratung des heutigen Laudesverwaltnngsgesetzes
gesagt hat, der Mittelpunkt der höhern Staatsverwaltung in dem Bezirke liegt,
so folgt daraus, daß hier am Mittelpunkt auch die praktische Ausbildung be¬
ginnen muß. Die beim Landrate zuzubringende Zeit muß aber so gelegt werden,
daß die Steuerveranlagung, die Vorbereitung des Kreishaushaltsplans, über¬
haupt die arbeitsreichste Zeit der Krcisverwaltnug (der Winter) in ihrer natür¬
lichen Reihenfolge der Geschäfte durchlaufen wird, also etwa im Oktober beginnt.
Diese Station auf neun Monate zu verlängern erschiene nicht unzweckmäßig
und wohl möglich, wenn die dreimonatige Thätigkeit in einer städtischen Ver¬
waltung damit verbunden würde. Man kann wohl sagen: je kleiner die Stadt,
desto besser; denn nirgends lernt man die kleinen Verhältnisse, ihre Beein¬
flussung durch gesetzliche und Vcrwaltungsanordnuugen, die Wirkung obrigkeit¬
licher Verfügungen und wirtschaftlicher Vorgänge und Entwicklungen auf die
breiten Schichten der Bevölkerung sowohl in Beziehung auf den materiellen
Erfolg wie auf die (politisch so wichtige) Auffassung und Stimmung der be¬
troffnen so gründlich kennen, nirgends sonst auch so gründlich die Bedeutung
der landwirtschaftlichen Thätigkeit und ihrer Erfolge in ihrem Zusammenhang mit
dem wirtschaftlichen Leben der übrigen Vernfs- und Erwerbszweige, als gerade
in solcher amtlichen Thätigkeit. Eine Verkürzung der für die Bezirksregierung
bestimmten Zeit (von fünfzehn Monaten) ist nicht möglich, denn an dieser
Stelle ist der Umfang und die Bedeutung der Geschäfte neben der zeitraubenden
Thätigkeit beim Bezirksausschuß mit der Nerwaltnugsrechtsprechung und neben
der Beschäftigung in der Eintoinmensteuerberufungskommission so groß, daß
eher eine Verlängerung in Frage käme. Hier wäre aber manche Ver¬
besserung angebracht. Zunächst ist es notwendig, daß dem Referendar in
jedem einzelnen Dezernat ein Bild der hineinfallenden Geschäfte und seiner
Gesamtausgabe verschafft wird, daß der Dezernent eine mündliche Einfüh¬
rung giebt statt bloßer Überweisung einiger bedeutenderen, aber doch mehr
oder weniger zufällig in die Zeit der Beschäftigung fallenden Sachen.
Das nämliche gilt von der ganzen Abteilung gegenüber dem leitenden Ober¬
regierungsrat.

Vor allem aber muß in der Richtung bessernd Hand angelegt werden,
die schon der damalige Minister des Innern, Puttkamer, bei der Beratung
des Landesverwaltungsgesetzentwurfs im Abgeordnetenhause in der Session
1882/83 (Verhandlungen III, S. 1618) mit den Worten gewiesen hat: „Es
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[0603] Zur Frage der Vorbildung der höhern verwaltungsbeamten Wie kann hier Wandel geschafft werden, wie kann man zurückgelangen zu dem Zustande der alten Regierungskollegien, die ihren Bezirk bis auf die Nieren prüften und kannten und in hohem Maße Vertrauen genossen? Zunächst kann der Vorschlag, die praktische Thätigkeit beim Landrate beginnen zu lassen, nach dem gesagten nicht gebilligt werden. Wenn, wie der Minister von Putt- kamer im Jahre 1883 bei Beratung des heutigen Laudesverwaltnngsgesetzes gesagt hat, der Mittelpunkt der höhern Staatsverwaltung in dem Bezirke liegt, so folgt daraus, daß hier am Mittelpunkt auch die praktische Ausbildung be¬ ginnen muß. Die beim Landrate zuzubringende Zeit muß aber so gelegt werden, daß die Steuerveranlagung, die Vorbereitung des Kreishaushaltsplans, über¬ haupt die arbeitsreichste Zeit der Krcisverwaltnug (der Winter) in ihrer natür¬ lichen Reihenfolge der Geschäfte durchlaufen wird, also etwa im Oktober beginnt. Diese Station auf neun Monate zu verlängern erschiene nicht unzweckmäßig und wohl möglich, wenn die dreimonatige Thätigkeit in einer städtischen Ver¬ waltung damit verbunden würde. Man kann wohl sagen: je kleiner die Stadt, desto besser; denn nirgends lernt man die kleinen Verhältnisse, ihre Beein¬ flussung durch gesetzliche und Vcrwaltungsanordnuugen, die Wirkung obrigkeit¬ licher Verfügungen und wirtschaftlicher Vorgänge und Entwicklungen auf die breiten Schichten der Bevölkerung sowohl in Beziehung auf den materiellen Erfolg wie auf die (politisch so wichtige) Auffassung und Stimmung der be¬ troffnen so gründlich kennen, nirgends sonst auch so gründlich die Bedeutung der landwirtschaftlichen Thätigkeit und ihrer Erfolge in ihrem Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen Leben der übrigen Vernfs- und Erwerbszweige, als gerade in solcher amtlichen Thätigkeit. Eine Verkürzung der für die Bezirksregierung bestimmten Zeit (von fünfzehn Monaten) ist nicht möglich, denn an dieser Stelle ist der Umfang und die Bedeutung der Geschäfte neben der zeitraubenden Thätigkeit beim Bezirksausschuß mit der Nerwaltnugsrechtsprechung und neben der Beschäftigung in der Eintoinmensteuerberufungskommission so groß, daß eher eine Verlängerung in Frage käme. Hier wäre aber manche Ver¬ besserung angebracht. Zunächst ist es notwendig, daß dem Referendar in jedem einzelnen Dezernat ein Bild der hineinfallenden Geschäfte und seiner Gesamtausgabe verschafft wird, daß der Dezernent eine mündliche Einfüh¬ rung giebt statt bloßer Überweisung einiger bedeutenderen, aber doch mehr oder weniger zufällig in die Zeit der Beschäftigung fallenden Sachen. Das nämliche gilt von der ganzen Abteilung gegenüber dem leitenden Ober¬ regierungsrat. Vor allem aber muß in der Richtung bessernd Hand angelegt werden, die schon der damalige Minister des Innern, Puttkamer, bei der Beratung des Landesverwaltungsgesetzentwurfs im Abgeordnetenhause in der Session 1882/83 (Verhandlungen III, S. 1618) mit den Worten gewiesen hat: „Es muß wieder zur Praxis werden, wie das in der besten Zeit der preußischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/603>, abgerufen am 26.11.2024.