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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Agrarische Sünden vor hundert Jahren

für die Wahrheit der Sache geführt zu sein schien, so blieb es unentschieden,
ob man gleich durch inneres Gefühl überall in diesen Erscheinungen lauter
Widersprüche fand. Hierzu kam, daß alle die, die einige Kenntnis von Öko¬
nomie besaßen, größtenteils auch ein Interesse an den teuern Preisen fanden
und daher leicht ihre Gegner mit dem Vorwurf, daß sie nichts davon ver¬
stünden, wie mit dem Schilde der Minerva versteinerten und zum Schweigen
brachten."

Der Güterhandel, wird dann weiter ausgeführt, als eine der neuesten
Erscheinungen der Zeit, habe in mehreren Ländern sehr um sich gegriffen
und viele Familien durch unüberlegte Spekulationen ins Unglück gebracht,
wie man das in den häufigen Snbhastationen fast täglich gewahr werde.
Er habe zugleich "auf die Moralität der Staatsbürger" so nachteilige
Folgen gehabt, "daß sogar die Teuerung, die sonst von weisen Männern der
Vorwelt als ein kranker Zustand eines Staats angesehen worden sei, in unsern
Tagen, ohngeachtet aller dagegen gemachten Erfahrungen und unglücklichen
Folgen, dennoch von nicht wenigen als der vollkommenste Gesundheitszustand
angepriesen" werde. "Meinungen und Vorurteile, die nicht Einfluß auf die
physische Existenz des Menschen und seine körperlichen Bedürfnisse haben, sondern
uur mit der Ideenwelt in Beziehung stehen, dulden zwar den Widerspruch mit
mehr Mäßigung, weil die Folgen entfernter oder auch nur in Vorstellungen
begründet sind: allein wenn der Widerspruch zugleich mit unsrer physischen
Existenz in unmittelbare Berührung kommt, sodaß diese, wenn sich jener be¬
haupten kann, auf dem Spiele steht, so ist der Kampf für den schwächern Teil
um so gefährlicher, indem nicht selten auf der einen Seite einer gegen alle
auftritt, den Streit beginnt und selbst bei den edelsten Absichten oft nichts
weiter als Schmach und Verfolgung anstatt eines unparteiischen Urteils von
seiner Mitwelt erwarten darf. Der Handel mit Grundstücken, der bisher in
mehreren Ländern sast bis zur Kaufwut gestiegen war -- wo man nicht etwa
ein vorher in Verfall geratnes und um deswillen wohlfeiler als gewöhnlich
erkauftes Grundstück durch große Mühe und Kosten in den seiner Natur er>'
gemessenen und durch bestmöglichen Fleiß wieder in die Höhe gebrachten Zu¬
stand, um einen der Sache verhältnismäßigen wahren Wert, d. i. wo eine ge¬
wöhnliche Verzinsung des dafür gezählten Kapitals als Kaufgeld zum Grunde
liegt, verkaufte, sondern dies nur aus der Ursache that, um in Geschwindig¬
keit eine größere Summe durch schnellen Wiederverkauf zu gewinnen --, dieser
Handel ist es, der die Aufmerksamkeit eines jeden im ganzen Ernst verdient."

Zur Kennzeichnung der agrarischen Spekulation am Ende des vorigen Jahr¬
hunderts sind dann noch folgende Ausführungen unsers sächsischen Gewährsmannes
besonders geeignet. Man glaube doch ja acht. schreibt er, daß es nicht auch
sattsam unterrichtete Personen geben sollte, die hinreichende Einsicht hätten,
den "Ertrag des Feldbaues" beurteilen zu können. Ein sehr großer Teil


Agrarische Sünden vor hundert Jahren

für die Wahrheit der Sache geführt zu sein schien, so blieb es unentschieden,
ob man gleich durch inneres Gefühl überall in diesen Erscheinungen lauter
Widersprüche fand. Hierzu kam, daß alle die, die einige Kenntnis von Öko¬
nomie besaßen, größtenteils auch ein Interesse an den teuern Preisen fanden
und daher leicht ihre Gegner mit dem Vorwurf, daß sie nichts davon ver¬
stünden, wie mit dem Schilde der Minerva versteinerten und zum Schweigen
brachten."

Der Güterhandel, wird dann weiter ausgeführt, als eine der neuesten
Erscheinungen der Zeit, habe in mehreren Ländern sehr um sich gegriffen
und viele Familien durch unüberlegte Spekulationen ins Unglück gebracht,
wie man das in den häufigen Snbhastationen fast täglich gewahr werde.
Er habe zugleich „auf die Moralität der Staatsbürger" so nachteilige
Folgen gehabt, „daß sogar die Teuerung, die sonst von weisen Männern der
Vorwelt als ein kranker Zustand eines Staats angesehen worden sei, in unsern
Tagen, ohngeachtet aller dagegen gemachten Erfahrungen und unglücklichen
Folgen, dennoch von nicht wenigen als der vollkommenste Gesundheitszustand
angepriesen" werde. „Meinungen und Vorurteile, die nicht Einfluß auf die
physische Existenz des Menschen und seine körperlichen Bedürfnisse haben, sondern
uur mit der Ideenwelt in Beziehung stehen, dulden zwar den Widerspruch mit
mehr Mäßigung, weil die Folgen entfernter oder auch nur in Vorstellungen
begründet sind: allein wenn der Widerspruch zugleich mit unsrer physischen
Existenz in unmittelbare Berührung kommt, sodaß diese, wenn sich jener be¬
haupten kann, auf dem Spiele steht, so ist der Kampf für den schwächern Teil
um so gefährlicher, indem nicht selten auf der einen Seite einer gegen alle
auftritt, den Streit beginnt und selbst bei den edelsten Absichten oft nichts
weiter als Schmach und Verfolgung anstatt eines unparteiischen Urteils von
seiner Mitwelt erwarten darf. Der Handel mit Grundstücken, der bisher in
mehreren Ländern sast bis zur Kaufwut gestiegen war — wo man nicht etwa
ein vorher in Verfall geratnes und um deswillen wohlfeiler als gewöhnlich
erkauftes Grundstück durch große Mühe und Kosten in den seiner Natur er>'
gemessenen und durch bestmöglichen Fleiß wieder in die Höhe gebrachten Zu¬
stand, um einen der Sache verhältnismäßigen wahren Wert, d. i. wo eine ge¬
wöhnliche Verzinsung des dafür gezählten Kapitals als Kaufgeld zum Grunde
liegt, verkaufte, sondern dies nur aus der Ursache that, um in Geschwindig¬
keit eine größere Summe durch schnellen Wiederverkauf zu gewinnen —, dieser
Handel ist es, der die Aufmerksamkeit eines jeden im ganzen Ernst verdient."

Zur Kennzeichnung der agrarischen Spekulation am Ende des vorigen Jahr¬
hunderts sind dann noch folgende Ausführungen unsers sächsischen Gewährsmannes
besonders geeignet. Man glaube doch ja acht. schreibt er, daß es nicht auch
sattsam unterrichtete Personen geben sollte, die hinreichende Einsicht hätten,
den „Ertrag des Feldbaues" beurteilen zu können. Ein sehr großer Teil


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[0058] Agrarische Sünden vor hundert Jahren für die Wahrheit der Sache geführt zu sein schien, so blieb es unentschieden, ob man gleich durch inneres Gefühl überall in diesen Erscheinungen lauter Widersprüche fand. Hierzu kam, daß alle die, die einige Kenntnis von Öko¬ nomie besaßen, größtenteils auch ein Interesse an den teuern Preisen fanden und daher leicht ihre Gegner mit dem Vorwurf, daß sie nichts davon ver¬ stünden, wie mit dem Schilde der Minerva versteinerten und zum Schweigen brachten." Der Güterhandel, wird dann weiter ausgeführt, als eine der neuesten Erscheinungen der Zeit, habe in mehreren Ländern sehr um sich gegriffen und viele Familien durch unüberlegte Spekulationen ins Unglück gebracht, wie man das in den häufigen Snbhastationen fast täglich gewahr werde. Er habe zugleich „auf die Moralität der Staatsbürger" so nachteilige Folgen gehabt, „daß sogar die Teuerung, die sonst von weisen Männern der Vorwelt als ein kranker Zustand eines Staats angesehen worden sei, in unsern Tagen, ohngeachtet aller dagegen gemachten Erfahrungen und unglücklichen Folgen, dennoch von nicht wenigen als der vollkommenste Gesundheitszustand angepriesen" werde. „Meinungen und Vorurteile, die nicht Einfluß auf die physische Existenz des Menschen und seine körperlichen Bedürfnisse haben, sondern uur mit der Ideenwelt in Beziehung stehen, dulden zwar den Widerspruch mit mehr Mäßigung, weil die Folgen entfernter oder auch nur in Vorstellungen begründet sind: allein wenn der Widerspruch zugleich mit unsrer physischen Existenz in unmittelbare Berührung kommt, sodaß diese, wenn sich jener be¬ haupten kann, auf dem Spiele steht, so ist der Kampf für den schwächern Teil um so gefährlicher, indem nicht selten auf der einen Seite einer gegen alle auftritt, den Streit beginnt und selbst bei den edelsten Absichten oft nichts weiter als Schmach und Verfolgung anstatt eines unparteiischen Urteils von seiner Mitwelt erwarten darf. Der Handel mit Grundstücken, der bisher in mehreren Ländern sast bis zur Kaufwut gestiegen war — wo man nicht etwa ein vorher in Verfall geratnes und um deswillen wohlfeiler als gewöhnlich erkauftes Grundstück durch große Mühe und Kosten in den seiner Natur er>' gemessenen und durch bestmöglichen Fleiß wieder in die Höhe gebrachten Zu¬ stand, um einen der Sache verhältnismäßigen wahren Wert, d. i. wo eine ge¬ wöhnliche Verzinsung des dafür gezählten Kapitals als Kaufgeld zum Grunde liegt, verkaufte, sondern dies nur aus der Ursache that, um in Geschwindig¬ keit eine größere Summe durch schnellen Wiederverkauf zu gewinnen —, dieser Handel ist es, der die Aufmerksamkeit eines jeden im ganzen Ernst verdient." Zur Kennzeichnung der agrarischen Spekulation am Ende des vorigen Jahr¬ hunderts sind dann noch folgende Ausführungen unsers sächsischen Gewährsmannes besonders geeignet. Man glaube doch ja acht. schreibt er, daß es nicht auch sattsam unterrichtete Personen geben sollte, die hinreichende Einsicht hätten, den „Ertrag des Feldbaues" beurteilen zu können. Ein sehr großer Teil

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/58>, abgerufen am 01.09.2024.