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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Die Jugend

Und mit über Hals und Kopf, diese Mnuern hinter seinem Rücken zu sehen. Wer
es vermeiden kann, kommt gar nicht mehr, sondern verschreibt sich das Notdürftigste
von einer Messe zur andern. Dadurch entgeht den armen Verkäufern manch
Thälerchen; wir aber schreie", wenn uns die Loschiere leer bleiben, ohne daran zu
denken, daß wir die Fremden selbst verscheuche". Die Messen siud bei weitem
"icht mehr, was sie sonst waren. Das hängt indessen größtenteils von äußern
Umständen ab, und allem Anscheine nach dürften sie bald noch weniger sein. Die
glänzendste Periode für Leipzig und seine Messen war die erste Hälfte dieses Jahr¬
hunderts, wozu außer der Freiheit des Handels die Verschwendung des Hofes das
meiste beitrug.

Als Verlagsvrt von "Leipzig im Profil" wird auf dem Titelblatt an¬
gegeben: Solothurn, bei Benedict Krüger und Adolph Weber, und auch das
Vorwort ist unterzeichnet: Solothurn, den Zt, Januar 1799. Als Verfasser
nennt sich dort: Mauricins Cruciger, Unter diesem Namen verbarg sich aber
ein gewisser Johann Jakob Schulz, und der wirkliche Verlagsort wird wohl
Leipzig gewesen sein.

iSchluß folgt)




Die Jugend

ir sahen sie wiederholt bei den Buchhändlern ausgelegt mit den
knallbunten Umschlügen und sahen, wie die Gesichter der Gigerl,
die die Schaufenster umstanden, immer vergnügter wurden und
hin und wieder sich sogar bemühten, einen gewissen Ausdruck
anzunehmen, als sähen sie in den konuschen Figuren mit den aus¬
gerenkten Gliedmaßen und den grinsenden Gesichtern, wie in einem
Bein von ihrem Bein und Geist von ihrem Geist -- s'it 7 on a --, und Spiegel,
endlich faßten wir uns ein Herz und kauften uns den ersten Vierteljahrgang
dieser neuen, etwas ungewöhnlich auftretenden "Wochenschrift für Kunst und
Leben," um zu sehen, was wohl dahinter wäre.

Auf den ersten Blick schien uns nichts weiter als eine geschickte Speku¬
lation vorzuliegen auf den Masseninstinkt der i'-imili-r, hing,ug., des Tiers mit
zwei Händen, das auch lachen kann, was bekanntlich sein darwinistisches Vor¬
bild nach dem Urteil der gewissenhaftesten Sachverständigen immer noch nicht
fertig bringt. Aber näher betrachtet, macht die "Jngend" doch einen bessern
Eindruck. Und wenn ihr selbst auch nichts daran liegen wird, das bezeugt
zu erhalten, da sie den Alten, die sie nicht rückhaltlos bewundern würden,
in ihrer ersten Nummer allerlei unangenehme Dinge in Aussicht stellt, so
Wollen wir doch unsern Lesern von unsern Eindrücken berichten. Vielleicht
findet, ein oder das andre Wort auch bei der "Jugend," die doch nicht so


Die Jugend

Und mit über Hals und Kopf, diese Mnuern hinter seinem Rücken zu sehen. Wer
es vermeiden kann, kommt gar nicht mehr, sondern verschreibt sich das Notdürftigste
von einer Messe zur andern. Dadurch entgeht den armen Verkäufern manch
Thälerchen; wir aber schreie», wenn uns die Loschiere leer bleiben, ohne daran zu
denken, daß wir die Fremden selbst verscheuche». Die Messen siud bei weitem
«icht mehr, was sie sonst waren. Das hängt indessen größtenteils von äußern
Umständen ab, und allem Anscheine nach dürften sie bald noch weniger sein. Die
glänzendste Periode für Leipzig und seine Messen war die erste Hälfte dieses Jahr¬
hunderts, wozu außer der Freiheit des Handels die Verschwendung des Hofes das
meiste beitrug.

Als Verlagsvrt von „Leipzig im Profil" wird auf dem Titelblatt an¬
gegeben: Solothurn, bei Benedict Krüger und Adolph Weber, und auch das
Vorwort ist unterzeichnet: Solothurn, den Zt, Januar 1799. Als Verfasser
nennt sich dort: Mauricins Cruciger, Unter diesem Namen verbarg sich aber
ein gewisser Johann Jakob Schulz, und der wirkliche Verlagsort wird wohl
Leipzig gewesen sein.

iSchluß folgt)




Die Jugend

ir sahen sie wiederholt bei den Buchhändlern ausgelegt mit den
knallbunten Umschlügen und sahen, wie die Gesichter der Gigerl,
die die Schaufenster umstanden, immer vergnügter wurden und
hin und wieder sich sogar bemühten, einen gewissen Ausdruck
anzunehmen, als sähen sie in den konuschen Figuren mit den aus¬
gerenkten Gliedmaßen und den grinsenden Gesichtern, wie in einem
Bein von ihrem Bein und Geist von ihrem Geist — s'it 7 on a —, und Spiegel,
endlich faßten wir uns ein Herz und kauften uns den ersten Vierteljahrgang
dieser neuen, etwas ungewöhnlich auftretenden „Wochenschrift für Kunst und
Leben," um zu sehen, was wohl dahinter wäre.

Auf den ersten Blick schien uns nichts weiter als eine geschickte Speku¬
lation vorzuliegen auf den Masseninstinkt der i'-imili-r, hing,ug., des Tiers mit
zwei Händen, das auch lachen kann, was bekanntlich sein darwinistisches Vor¬
bild nach dem Urteil der gewissenhaftesten Sachverständigen immer noch nicht
fertig bringt. Aber näher betrachtet, macht die „Jngend" doch einen bessern
Eindruck. Und wenn ihr selbst auch nichts daran liegen wird, das bezeugt
zu erhalten, da sie den Alten, die sie nicht rückhaltlos bewundern würden,
in ihrer ersten Nummer allerlei unangenehme Dinge in Aussicht stellt, so
Wollen wir doch unsern Lesern von unsern Eindrücken berichten. Vielleicht
findet, ein oder das andre Wort auch bei der „Jugend," die doch nicht so


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[0575] Die Jugend Und mit über Hals und Kopf, diese Mnuern hinter seinem Rücken zu sehen. Wer es vermeiden kann, kommt gar nicht mehr, sondern verschreibt sich das Notdürftigste von einer Messe zur andern. Dadurch entgeht den armen Verkäufern manch Thälerchen; wir aber schreie», wenn uns die Loschiere leer bleiben, ohne daran zu denken, daß wir die Fremden selbst verscheuche». Die Messen siud bei weitem «icht mehr, was sie sonst waren. Das hängt indessen größtenteils von äußern Umständen ab, und allem Anscheine nach dürften sie bald noch weniger sein. Die glänzendste Periode für Leipzig und seine Messen war die erste Hälfte dieses Jahr¬ hunderts, wozu außer der Freiheit des Handels die Verschwendung des Hofes das meiste beitrug. Als Verlagsvrt von „Leipzig im Profil" wird auf dem Titelblatt an¬ gegeben: Solothurn, bei Benedict Krüger und Adolph Weber, und auch das Vorwort ist unterzeichnet: Solothurn, den Zt, Januar 1799. Als Verfasser nennt sich dort: Mauricins Cruciger, Unter diesem Namen verbarg sich aber ein gewisser Johann Jakob Schulz, und der wirkliche Verlagsort wird wohl Leipzig gewesen sein. iSchluß folgt) Die Jugend ir sahen sie wiederholt bei den Buchhändlern ausgelegt mit den knallbunten Umschlügen und sahen, wie die Gesichter der Gigerl, die die Schaufenster umstanden, immer vergnügter wurden und hin und wieder sich sogar bemühten, einen gewissen Ausdruck anzunehmen, als sähen sie in den konuschen Figuren mit den aus¬ gerenkten Gliedmaßen und den grinsenden Gesichtern, wie in einem Bein von ihrem Bein und Geist von ihrem Geist — s'it 7 on a —, und Spiegel, endlich faßten wir uns ein Herz und kauften uns den ersten Vierteljahrgang dieser neuen, etwas ungewöhnlich auftretenden „Wochenschrift für Kunst und Leben," um zu sehen, was wohl dahinter wäre. Auf den ersten Blick schien uns nichts weiter als eine geschickte Speku¬ lation vorzuliegen auf den Masseninstinkt der i'-imili-r, hing,ug., des Tiers mit zwei Händen, das auch lachen kann, was bekanntlich sein darwinistisches Vor¬ bild nach dem Urteil der gewissenhaftesten Sachverständigen immer noch nicht fertig bringt. Aber näher betrachtet, macht die „Jngend" doch einen bessern Eindruck. Und wenn ihr selbst auch nichts daran liegen wird, das bezeugt zu erhalten, da sie den Alten, die sie nicht rückhaltlos bewundern würden, in ihrer ersten Nummer allerlei unangenehme Dinge in Aussicht stellt, so Wollen wir doch unsern Lesern von unsern Eindrücken berichten. Vielleicht findet, ein oder das andre Wort auch bei der „Jugend," die doch nicht so

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/575>, abgerufen am 26.11.2024.