Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Agrarische Bünden vor hundert Jahren

in Jahre 1810 erschien in der Waltcrschen Hofbuchhandlung in
Dresden ein Buch von einem ungenannten Verfasser unter dem
Titel: "Der bisherige Gttterhandel und seine traurigen Folgen.
Ein Versuch." Was den Verfasser zu seiner Arbeit veranlaßt hatte,
die im Manuskript schon 1805 vollendet war, ist in einer aus'
führlichen Einleitung dargelegt, und wir glauben den Leser am Ende des neun¬
zehnten Jahrhunderts nicht besser in die agrarischen Fragen und Sorgen, die
unsre Großväter bewegten, versetzen zu können, als wenn wir ihn zunächst in
diese Einleitung einen Blick werfen lassen.

Um der Teuerung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse das Wort zu reden,
finde man -- so schreibt unser alter Agrarpolitiker -- folgende Aufstellung
am gewöhnlichsten: "Teuerung befördert den Güterwert, folglich die Güter¬
preise; je höher die Güterpreise steigen, desto mehr wird auch der Güterwert
und daher auch der Güterhandel befördert, und je mehr sie fallen, desto tiefer
sinkt ihr Wert, dadurch aber wird die Agrikultur schlechter. Um daher die
Grundbesitzer teuer gekaufter Grundstücke zu erhalten, müssen teure Getreide¬
preise bleiben, damit auf solche Weise zugleich die Kultur befördert werde.
Diese zwei Erscheinungen: höhere Kultur und Teuerung, die man in unsern
Tagen so sonderbar zusammengestellt findet, hätten Männer von Einsicht schon
längst zu eiuer nähern Untersuchung dieser Wundergestalt führen sollen. Weil
sie aber durch den Eigennutz stets verteidigt wurde, und die Verteidiger wie
wi zweiter Proteus sich bei jedem Angriff in neue Gestalten verwandelten,
der Angreifende auch keine Waffen, sie mit Glück zu fesseln, in Händen hatte,
uidem durch die immer höher steigenden Preise der Grundstücke und durch das
zugleich dadurch anwachsende Vermögen einiger dabei reich gewordnen gewisser¬
maßen der Beweis, daß dies durch die verbesserte Kultur bewirkt worden sei,Grenbot


zen III 1396 , 7


Agrarische Bünden vor hundert Jahren

in Jahre 1810 erschien in der Waltcrschen Hofbuchhandlung in
Dresden ein Buch von einem ungenannten Verfasser unter dem
Titel: „Der bisherige Gttterhandel und seine traurigen Folgen.
Ein Versuch." Was den Verfasser zu seiner Arbeit veranlaßt hatte,
die im Manuskript schon 1805 vollendet war, ist in einer aus'
führlichen Einleitung dargelegt, und wir glauben den Leser am Ende des neun¬
zehnten Jahrhunderts nicht besser in die agrarischen Fragen und Sorgen, die
unsre Großväter bewegten, versetzen zu können, als wenn wir ihn zunächst in
diese Einleitung einen Blick werfen lassen.

Um der Teuerung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse das Wort zu reden,
finde man — so schreibt unser alter Agrarpolitiker — folgende Aufstellung
am gewöhnlichsten: „Teuerung befördert den Güterwert, folglich die Güter¬
preise; je höher die Güterpreise steigen, desto mehr wird auch der Güterwert
und daher auch der Güterhandel befördert, und je mehr sie fallen, desto tiefer
sinkt ihr Wert, dadurch aber wird die Agrikultur schlechter. Um daher die
Grundbesitzer teuer gekaufter Grundstücke zu erhalten, müssen teure Getreide¬
preise bleiben, damit auf solche Weise zugleich die Kultur befördert werde.
Diese zwei Erscheinungen: höhere Kultur und Teuerung, die man in unsern
Tagen so sonderbar zusammengestellt findet, hätten Männer von Einsicht schon
längst zu eiuer nähern Untersuchung dieser Wundergestalt führen sollen. Weil
sie aber durch den Eigennutz stets verteidigt wurde, und die Verteidiger wie
wi zweiter Proteus sich bei jedem Angriff in neue Gestalten verwandelten,
der Angreifende auch keine Waffen, sie mit Glück zu fesseln, in Händen hatte,
uidem durch die immer höher steigenden Preise der Grundstücke und durch das
zugleich dadurch anwachsende Vermögen einiger dabei reich gewordnen gewisser¬
maßen der Beweis, daß dies durch die verbesserte Kultur bewirkt worden sei,Grenbot


zen III 1396 , 7
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0057" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/222999"/>
            <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341863_222941/figures/grenzboten_341863_222941_222999_000.jpg"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Agrarische Bünden vor hundert Jahren</head><lb/>
          <p xml:id="ID_147"> in Jahre 1810 erschien in der Waltcrschen Hofbuchhandlung in<lb/>
Dresden ein Buch von einem ungenannten Verfasser unter dem<lb/>
Titel: &#x201E;Der bisherige Gttterhandel und seine traurigen Folgen.<lb/>
Ein Versuch." Was den Verfasser zu seiner Arbeit veranlaßt hatte,<lb/>
die im Manuskript schon 1805 vollendet war, ist in einer aus'<lb/>
führlichen Einleitung dargelegt, und wir glauben den Leser am Ende des neun¬<lb/>
zehnten Jahrhunderts nicht besser in die agrarischen Fragen und Sorgen, die<lb/>
unsre Großväter bewegten, versetzen zu können, als wenn wir ihn zunächst in<lb/>
diese Einleitung einen Blick werfen lassen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_148" next="#ID_149"> Um der Teuerung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse das Wort zu reden,<lb/>
finde man &#x2014; so schreibt unser alter Agrarpolitiker &#x2014; folgende Aufstellung<lb/>
am gewöhnlichsten: &#x201E;Teuerung befördert den Güterwert, folglich die Güter¬<lb/>
preise; je höher die Güterpreise steigen, desto mehr wird auch der Güterwert<lb/>
und daher auch der Güterhandel befördert, und je mehr sie fallen, desto tiefer<lb/>
sinkt ihr Wert, dadurch aber wird die Agrikultur schlechter. Um daher die<lb/>
Grundbesitzer teuer gekaufter Grundstücke zu erhalten, müssen teure Getreide¬<lb/>
preise bleiben, damit auf solche Weise zugleich die Kultur befördert werde.<lb/>
Diese zwei Erscheinungen: höhere Kultur und Teuerung, die man in unsern<lb/>
Tagen so sonderbar zusammengestellt findet, hätten Männer von Einsicht schon<lb/>
längst zu eiuer nähern Untersuchung dieser Wundergestalt führen sollen. Weil<lb/>
sie aber durch den Eigennutz stets verteidigt wurde, und die Verteidiger wie<lb/>
wi zweiter Proteus sich bei jedem Angriff in neue Gestalten verwandelten,<lb/>
der Angreifende auch keine Waffen, sie mit Glück zu fesseln, in Händen hatte,<lb/>
uidem durch die immer höher steigenden Preise der Grundstücke und durch das<lb/>
zugleich dadurch anwachsende Vermögen einiger dabei reich gewordnen gewisser¬<lb/>
maßen der Beweis, daß dies durch die verbesserte Kultur bewirkt worden sei,Grenbot</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> zen III 1396 , 7</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0057] [Abbildung] Agrarische Bünden vor hundert Jahren in Jahre 1810 erschien in der Waltcrschen Hofbuchhandlung in Dresden ein Buch von einem ungenannten Verfasser unter dem Titel: „Der bisherige Gttterhandel und seine traurigen Folgen. Ein Versuch." Was den Verfasser zu seiner Arbeit veranlaßt hatte, die im Manuskript schon 1805 vollendet war, ist in einer aus' führlichen Einleitung dargelegt, und wir glauben den Leser am Ende des neun¬ zehnten Jahrhunderts nicht besser in die agrarischen Fragen und Sorgen, die unsre Großväter bewegten, versetzen zu können, als wenn wir ihn zunächst in diese Einleitung einen Blick werfen lassen. Um der Teuerung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse das Wort zu reden, finde man — so schreibt unser alter Agrarpolitiker — folgende Aufstellung am gewöhnlichsten: „Teuerung befördert den Güterwert, folglich die Güter¬ preise; je höher die Güterpreise steigen, desto mehr wird auch der Güterwert und daher auch der Güterhandel befördert, und je mehr sie fallen, desto tiefer sinkt ihr Wert, dadurch aber wird die Agrikultur schlechter. Um daher die Grundbesitzer teuer gekaufter Grundstücke zu erhalten, müssen teure Getreide¬ preise bleiben, damit auf solche Weise zugleich die Kultur befördert werde. Diese zwei Erscheinungen: höhere Kultur und Teuerung, die man in unsern Tagen so sonderbar zusammengestellt findet, hätten Männer von Einsicht schon längst zu eiuer nähern Untersuchung dieser Wundergestalt führen sollen. Weil sie aber durch den Eigennutz stets verteidigt wurde, und die Verteidiger wie wi zweiter Proteus sich bei jedem Angriff in neue Gestalten verwandelten, der Angreifende auch keine Waffen, sie mit Glück zu fesseln, in Händen hatte, uidem durch die immer höher steigenden Preise der Grundstücke und durch das zugleich dadurch anwachsende Vermögen einiger dabei reich gewordnen gewisser¬ maßen der Beweis, daß dies durch die verbesserte Kultur bewirkt worden sei,Grenbot zen III 1396 , 7

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/57
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/57>, abgerufen am 01.09.2024.