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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Leipziger Pasquillanten des achtzehnten Jahrhunderts

ein Baier, der in Erlangen und Jena die Rechte studirt und sich dann längere
Zeit in Leipzig und Dresden aufgehalten hatte.

Sowie die Nachricht von der Wegnahme des Buches nach Altona ge¬
kommen war, sandte Rebmann ein höchst entrüstetes Schreiben an den Leipziger
Rat. Das weggenommne Buch, sagte er, sei ein Artikel der in Altona "mit
königlich dänischen Privilegium errichteten" Verlagsgesellschaft. Der Rat zu
Leipzig habe kein Recht zu Eingriffen in das Eigentum eines fremden Buch¬
händlers, er möge daher die weggeuommneu Exemplare schleunig herausgeben
und den durch die Wegnahme zugefügten Schaden ersetzen. "Es würde mir
sehr leid thun, wenn ich sonst mich an die Königlich dänische Regierung
wenden und von dieser Schutz für mein Eigentum zu erhalten suchen müßte.
Diese weise, aufgeklärte und Menschenrechte schützende Regierung steht mit
Recht in dem Rufe, daß sie ihre Unterthanen gegen jede fremde Beeinträchtigung
ebenso kräftig zu erhalten weiß, als sie auch in ihren eignen Staaten keine
Willkühr großer Machthaber oder kleiner, desto anmaßender Despötchen duldet.
Zu gleicher Zeit werde ich die Publizität zu Hülfe nehmen und, in Bezug
auf die sich bereits von einigen Leipziger Censoren erlaubten.Ungebührlichkeiten,
Verfälschungen fremder Manuskripte u. tgi. die fremden Buchhändler darauf
aufmerksam zu machen suchen, welchen Verdrießlichkeiten sie der Preßzwang zu
Leipzig aussetzt."

Der Leipziger Rat ließ sich aber durch die dreiste Sprache Rebmanns
nicht irre machen, sondern berichtete an die Negierung in einem Schreiben,
das der Bürgermeister Müller selbst abfaßte, und worin es hieß: "Da der
Verfasser, seiner oberflächlichen Känntnisse und mangelhaften Beobachtungen
ungeachtet, über alles frech abspricht, dreiste Urtheile über Regierungen und
über Obrigkeiten wagt, mit kühnem Tadel öffentlicher Verfassungen und An¬
stalten, indem er augenscheinliche Unwahrheiten für ausgemachte Wahrheiten
vertreibt, hervorzutreten kein Bedenken trügt, auch beleidigende Ausfälle auf
einzelne Personen sich erlaubet und die Absicht, Unterthanen gegen diejenigen,
welchen sie Gehorsam schuldig sind, aufzuwiegeln und Freiheitsschwindel aus¬
zubreiten, überall deutlich genug verräth, so haben wir die angezeigten Per¬
fügungen zu treffen keinen Anstand genommen." Aus einem Zirkular der
"Verlagsgesellschaft" -- dieser "sonderbaren Firma", wie Müller schreibt --
ging übrigens hervor, daß eine kurz vorher verbotne Schrift: "Abentheuerliche
Wanderungen durch die preußischen Staaten" aus derselben Quelle stammte
und offenbar auch Rebmann zum Verfasser hatte.

Die Landesregierung scheint aber das Buch nicht so schlimm gesunden
zu haben, sie schwieg auf den Bericht des Leipziger Rats. Der Verfasser
gab 1796 eine "zweite, ganz verbesserte und umgearbeitete und vermehrte Auf¬
lage" heraus mit einem "Schutz- und Trutzbrief." worin er sagt: "Der
Magistrat zu Leipzig hat diese Blätter confisciren lassen, unter dem Vor-


Grmzbotm III 1S96 71
Leipziger Pasquillanten des achtzehnten Jahrhunderts

ein Baier, der in Erlangen und Jena die Rechte studirt und sich dann längere
Zeit in Leipzig und Dresden aufgehalten hatte.

Sowie die Nachricht von der Wegnahme des Buches nach Altona ge¬
kommen war, sandte Rebmann ein höchst entrüstetes Schreiben an den Leipziger
Rat. Das weggenommne Buch, sagte er, sei ein Artikel der in Altona „mit
königlich dänischen Privilegium errichteten" Verlagsgesellschaft. Der Rat zu
Leipzig habe kein Recht zu Eingriffen in das Eigentum eines fremden Buch¬
händlers, er möge daher die weggeuommneu Exemplare schleunig herausgeben
und den durch die Wegnahme zugefügten Schaden ersetzen. „Es würde mir
sehr leid thun, wenn ich sonst mich an die Königlich dänische Regierung
wenden und von dieser Schutz für mein Eigentum zu erhalten suchen müßte.
Diese weise, aufgeklärte und Menschenrechte schützende Regierung steht mit
Recht in dem Rufe, daß sie ihre Unterthanen gegen jede fremde Beeinträchtigung
ebenso kräftig zu erhalten weiß, als sie auch in ihren eignen Staaten keine
Willkühr großer Machthaber oder kleiner, desto anmaßender Despötchen duldet.
Zu gleicher Zeit werde ich die Publizität zu Hülfe nehmen und, in Bezug
auf die sich bereits von einigen Leipziger Censoren erlaubten.Ungebührlichkeiten,
Verfälschungen fremder Manuskripte u. tgi. die fremden Buchhändler darauf
aufmerksam zu machen suchen, welchen Verdrießlichkeiten sie der Preßzwang zu
Leipzig aussetzt."

Der Leipziger Rat ließ sich aber durch die dreiste Sprache Rebmanns
nicht irre machen, sondern berichtete an die Negierung in einem Schreiben,
das der Bürgermeister Müller selbst abfaßte, und worin es hieß: „Da der
Verfasser, seiner oberflächlichen Känntnisse und mangelhaften Beobachtungen
ungeachtet, über alles frech abspricht, dreiste Urtheile über Regierungen und
über Obrigkeiten wagt, mit kühnem Tadel öffentlicher Verfassungen und An¬
stalten, indem er augenscheinliche Unwahrheiten für ausgemachte Wahrheiten
vertreibt, hervorzutreten kein Bedenken trügt, auch beleidigende Ausfälle auf
einzelne Personen sich erlaubet und die Absicht, Unterthanen gegen diejenigen,
welchen sie Gehorsam schuldig sind, aufzuwiegeln und Freiheitsschwindel aus¬
zubreiten, überall deutlich genug verräth, so haben wir die angezeigten Per¬
fügungen zu treffen keinen Anstand genommen." Aus einem Zirkular der
„Verlagsgesellschaft" — dieser „sonderbaren Firma", wie Müller schreibt —
ging übrigens hervor, daß eine kurz vorher verbotne Schrift: „Abentheuerliche
Wanderungen durch die preußischen Staaten" aus derselben Quelle stammte
und offenbar auch Rebmann zum Verfasser hatte.

Die Landesregierung scheint aber das Buch nicht so schlimm gesunden
zu haben, sie schwieg auf den Bericht des Leipziger Rats. Der Verfasser
gab 1796 eine „zweite, ganz verbesserte und umgearbeitete und vermehrte Auf¬
lage" heraus mit einem „Schutz- und Trutzbrief." worin er sagt: „Der
Magistrat zu Leipzig hat diese Blätter confisciren lassen, unter dem Vor-


Grmzbotm III 1S96 71
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/569>, abgerufen am 25.11.2024.