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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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wirtschaftlicher Partikularismus

des Verkehrs gedient werde. Und von diesem Standpunkt erledigen sich anch
alle die Schwierigkeiten, die von den Schutzzöllnern absichtlich gemacht
werden. Mit mathematischer Sicherheit läßt sich nicht bestimmen und abgrenzen,
welches von zwei Ländern den großer" Gewinn ans einem handelspolitischen
Abkommen zieht. Aber wir brauchen dem andern Vertragschließenden die
Vorteile nicht so genau zuzumessen, wenn wir überzeugt sind, daß wir auf
alle Fälle auch bei dem Vertrage gewinnen werden.

Es ist der große Gedanke von der Ersprießlichkeit des Zusammenwirkens
und gegenseitigen Sichergänzeus auf wirtschaftlichem und haudelspolitischein
Gebiete, der unsern Schutzzöllnern nicht in die Köpfe will. Dieser Gedanke
hat zugleich eine versöhnende Macht, während die wirtschaftliche Eifersucht leicht
auch auf das politische Gebiet übertragen werden und hier die guten Be¬
ziehungen zum Auslande stören kann. Das wird zwar von unsern Schutz-
zöllnern lebhaft bestritten. Sie behaupten, daß mau mit dem Nachbar trotz
heftiger wirtschaftspolitischer Kämpfe in gutem Einvernehmen auf politischem
Gebiete bleiben könne. Nun ist zuzugeben, daß heute nicht leicht aus handels¬
politischer Eifersucht allein ein Krieg entstehen kann. Aber wenn einmal Mi߬
stimmung zwischen zwei Völkern herrscht, so kann sie durch handelspolitische
Eifersucht noch bestärkt werden, während umgekehrt die Einsicht, daß ein gegen¬
seitiger reger Verkehr im beiderseitigen Interesse liege, so wie auch dieser
Verkehr selbst, der die Völker einander näher bringt und besser kennen lehrt,
zur Abschleifung nationaler Vorurteile und nationaler Eifersucht dient. Es
sei hier nur auf unser Verhältnis zu Nußland hingewiesen. Die Zeit der
nationalen Verfeindung und starken Mißstimmung war zugleich eine Zeit, wo
man auf beiden Seiten durch Anstürmen immer höherer Zollschranken den
wirtschaftlichen Interessen des eignen Landes zu dienen glaubte. Heute sind
die politischen Beziehungen viel besser geworden. Das hat ja zum Teil andre
Ursachen. Daß aber die Handelspolitik daran ganz unbeteiligt sei, und daß
die schutzzöllnerische Stimmung in frühern Jahren die nationale Mißstimmung
nicht gefördert haben sollte, können wir nicht glauben.

Unsre Agrarier sind bekanntlich eifrig bemüht, eine schutzzöllnerische Nück-
strömung in der öffentlichen Meinung zu erzeugen, um dann allmählich auch
die Gesetzgebung wieder in eine schutzzöllnerische Richtung zu bringen. Und
sie haben hierbei nicht bloß im Inlande einige Erfolge gehabt, sondern auch
im Auslande eine Wirkung geübt, die schwerlich beabsichtigt war. Die schutz-
zöllucrischcu Anschauungen haben etwas ansteckendes. Wenn unsre Schutz¬
zöllner beständig ausrufen, daß wir die Betrognen seien, die überall zu kurz
kämen, daß unsre handelspolitischen Abmachungen mit dem Auslande diesem er¬
möglichten, uns auf alle Art zu übervorteilen, so rühren sich auch die Schutz¬
zöllner im Auslande, so wird ihr Mißtrauen gegen die Zweckmäßigkeit dieser
Abmachungen, das ohnehin schon vorhanden war, bestärkt, und sie kommen dann


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des Verkehrs gedient werde. Und von diesem Standpunkt erledigen sich anch
alle die Schwierigkeiten, die von den Schutzzöllnern absichtlich gemacht
werden. Mit mathematischer Sicherheit läßt sich nicht bestimmen und abgrenzen,
welches von zwei Ländern den großer» Gewinn ans einem handelspolitischen
Abkommen zieht. Aber wir brauchen dem andern Vertragschließenden die
Vorteile nicht so genau zuzumessen, wenn wir überzeugt sind, daß wir auf
alle Fälle auch bei dem Vertrage gewinnen werden.

Es ist der große Gedanke von der Ersprießlichkeit des Zusammenwirkens
und gegenseitigen Sichergänzeus auf wirtschaftlichem und haudelspolitischein
Gebiete, der unsern Schutzzöllnern nicht in die Köpfe will. Dieser Gedanke
hat zugleich eine versöhnende Macht, während die wirtschaftliche Eifersucht leicht
auch auf das politische Gebiet übertragen werden und hier die guten Be¬
ziehungen zum Auslande stören kann. Das wird zwar von unsern Schutz-
zöllnern lebhaft bestritten. Sie behaupten, daß mau mit dem Nachbar trotz
heftiger wirtschaftspolitischer Kämpfe in gutem Einvernehmen auf politischem
Gebiete bleiben könne. Nun ist zuzugeben, daß heute nicht leicht aus handels¬
politischer Eifersucht allein ein Krieg entstehen kann. Aber wenn einmal Mi߬
stimmung zwischen zwei Völkern herrscht, so kann sie durch handelspolitische
Eifersucht noch bestärkt werden, während umgekehrt die Einsicht, daß ein gegen¬
seitiger reger Verkehr im beiderseitigen Interesse liege, so wie auch dieser
Verkehr selbst, der die Völker einander näher bringt und besser kennen lehrt,
zur Abschleifung nationaler Vorurteile und nationaler Eifersucht dient. Es
sei hier nur auf unser Verhältnis zu Nußland hingewiesen. Die Zeit der
nationalen Verfeindung und starken Mißstimmung war zugleich eine Zeit, wo
man auf beiden Seiten durch Anstürmen immer höherer Zollschranken den
wirtschaftlichen Interessen des eignen Landes zu dienen glaubte. Heute sind
die politischen Beziehungen viel besser geworden. Das hat ja zum Teil andre
Ursachen. Daß aber die Handelspolitik daran ganz unbeteiligt sei, und daß
die schutzzöllnerische Stimmung in frühern Jahren die nationale Mißstimmung
nicht gefördert haben sollte, können wir nicht glauben.

Unsre Agrarier sind bekanntlich eifrig bemüht, eine schutzzöllnerische Nück-
strömung in der öffentlichen Meinung zu erzeugen, um dann allmählich auch
die Gesetzgebung wieder in eine schutzzöllnerische Richtung zu bringen. Und
sie haben hierbei nicht bloß im Inlande einige Erfolge gehabt, sondern auch
im Auslande eine Wirkung geübt, die schwerlich beabsichtigt war. Die schutz-
zöllucrischcu Anschauungen haben etwas ansteckendes. Wenn unsre Schutz¬
zöllner beständig ausrufen, daß wir die Betrognen seien, die überall zu kurz
kämen, daß unsre handelspolitischen Abmachungen mit dem Auslande diesem er¬
möglichten, uns auf alle Art zu übervorteilen, so rühren sich auch die Schutz¬
zöllner im Auslande, so wird ihr Mißtrauen gegen die Zweckmäßigkeit dieser
Abmachungen, das ohnehin schon vorhanden war, bestärkt, und sie kommen dann


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/490>, abgerufen am 01.09.2024.