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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Die geographische Lage Deutschlands

mit Wladiwostok verbindet, wird aber auch diese Lage einst bedeutsamer
erscheinen lassen und unsern Ostprovinzen etwas von dem Leben geben, womit
die des Westens immer der atlantische Hauch erfrischt hat.

Dänemark berührt sich mit Deutschland nur in einem schmalen Teil der
cimbrischen Halbinsel. Aber der Schwerpunkt Dänemarks liegt in den Inseln.
Mit Füne/legt es sich vor die Schleswig-jüdische Grenze, mit Seeland in
den Eingang der Ostsee zwischen Schweden und Jütland, mit Bornholm
der Odermündung gegenüber.

Ein Land, das Seeküste hat. hat die Länder, deren Küsten ihm gegenüber
liegen, als Nachbarn anzusehen, wenn es sich auch nicht mit ihnen berührt. So
hat Deutschland Schweden zum Nachbar, dessen Südspitze über die nördlichsten
Punkte Deutschlands nach Süden reicht. So hat es England zum Nachbar,
das mit Deutschland zusammen die Nordsee einschließt, und an dessen Küsten
hin die Wege in den Atlantischen Ozean führen. Und da sein Seeweg ans der
Ost- in die Nordsee an Norwegen vorbeiführt, ist auch dieses als zur Nachbar¬
schaft mit gehörend zu betrachten. Bei dieser Betrachtung kommt von Schweden
und Norwegen die Südkttste, von England die Ostküste zunächst in Betracht.

Deutschland gehört zu den atlantischen Mächten, an deren Küsten der
Atlantische Ozean oder dessen Ausläufer Nord- und Ostsee herantreten. Man
kann ihre Lage als eine von Norden nach Süden in der Weise abgestufte be¬
trachten, daß Nußland, Deutschland, Frankreich, Spanien je eine Stufe für sich
einnehmen, wobei wir auf derselben Stufe mit Nußland Schweden und Nor¬
wegen, mit Deutschland Dänemark, Holland, Belgien und mit Spanien Portugal
finden. In der Vreitenlage dürfte die russische Stufe durch deu 60., die
deutsche durch den 54., die französische durch den 48., die spanische durch den
42. Grad bezeichnet sein. Die südlichste Stufe, Spanien, tritt am weitesten
uach Westen vor, die andern bleiben um durchschnittlich je 10 Längengrade
hintereinander zurück. Deutschland nimmt in dieser Stufenreihe eine mittlere
Stelle ein, die jedoch mehr nach Norden als nach Süden reicht, da Deutsch¬
land ganz nördlich von den Süd- und Nordeuropa scheidenden Ketten liegt.

Deutschland liegt damit hinter den großen atlantischen Seemächten, an
deren Küsten vorbei alle seine Wege ins offne Meer führen. An den Küsten der
Niederlande, Belgiens, Frankreichs, Englands hin sahren unsre Schiffe, die den
Kanal Passiren, oder sie suchen zwischen Schottland und Norwegen die nörd¬
liche Ausfahrt in den Atlantischen Ozean. Ehe der Nordostseekanal gebaut war.
mußten unsre Ostsecschiffe durch den Sund oder die Belte, durch das Kattegat
und das Skager Nak, in dänischen und schwedischen Gewässern nach der
Nordsee gehen. Bei der Fahrt aus der Elbe oder Weser nach den großen
Hafenplätzen an der Ostküste Nordamerikas fällt mehr als ein Zehntel der fast
4000 Seemeilen messenden Entfernung auf die Nordsee und den Kanal. Was
dieser Abschnitt an Gefahren birgt, lehrt die Geschichte der Schiffbrüche.


Die geographische Lage Deutschlands

mit Wladiwostok verbindet, wird aber auch diese Lage einst bedeutsamer
erscheinen lassen und unsern Ostprovinzen etwas von dem Leben geben, womit
die des Westens immer der atlantische Hauch erfrischt hat.

Dänemark berührt sich mit Deutschland nur in einem schmalen Teil der
cimbrischen Halbinsel. Aber der Schwerpunkt Dänemarks liegt in den Inseln.
Mit Füne/legt es sich vor die Schleswig-jüdische Grenze, mit Seeland in
den Eingang der Ostsee zwischen Schweden und Jütland, mit Bornholm
der Odermündung gegenüber.

Ein Land, das Seeküste hat. hat die Länder, deren Küsten ihm gegenüber
liegen, als Nachbarn anzusehen, wenn es sich auch nicht mit ihnen berührt. So
hat Deutschland Schweden zum Nachbar, dessen Südspitze über die nördlichsten
Punkte Deutschlands nach Süden reicht. So hat es England zum Nachbar,
das mit Deutschland zusammen die Nordsee einschließt, und an dessen Küsten
hin die Wege in den Atlantischen Ozean führen. Und da sein Seeweg ans der
Ost- in die Nordsee an Norwegen vorbeiführt, ist auch dieses als zur Nachbar¬
schaft mit gehörend zu betrachten. Bei dieser Betrachtung kommt von Schweden
und Norwegen die Südkttste, von England die Ostküste zunächst in Betracht.

Deutschland gehört zu den atlantischen Mächten, an deren Küsten der
Atlantische Ozean oder dessen Ausläufer Nord- und Ostsee herantreten. Man
kann ihre Lage als eine von Norden nach Süden in der Weise abgestufte be¬
trachten, daß Nußland, Deutschland, Frankreich, Spanien je eine Stufe für sich
einnehmen, wobei wir auf derselben Stufe mit Nußland Schweden und Nor¬
wegen, mit Deutschland Dänemark, Holland, Belgien und mit Spanien Portugal
finden. In der Vreitenlage dürfte die russische Stufe durch deu 60., die
deutsche durch den 54., die französische durch den 48., die spanische durch den
42. Grad bezeichnet sein. Die südlichste Stufe, Spanien, tritt am weitesten
uach Westen vor, die andern bleiben um durchschnittlich je 10 Längengrade
hintereinander zurück. Deutschland nimmt in dieser Stufenreihe eine mittlere
Stelle ein, die jedoch mehr nach Norden als nach Süden reicht, da Deutsch¬
land ganz nördlich von den Süd- und Nordeuropa scheidenden Ketten liegt.

Deutschland liegt damit hinter den großen atlantischen Seemächten, an
deren Küsten vorbei alle seine Wege ins offne Meer führen. An den Küsten der
Niederlande, Belgiens, Frankreichs, Englands hin sahren unsre Schiffe, die den
Kanal Passiren, oder sie suchen zwischen Schottland und Norwegen die nörd¬
liche Ausfahrt in den Atlantischen Ozean. Ehe der Nordostseekanal gebaut war.
mußten unsre Ostsecschiffe durch den Sund oder die Belte, durch das Kattegat
und das Skager Nak, in dänischen und schwedischen Gewässern nach der
Nordsee gehen. Bei der Fahrt aus der Elbe oder Weser nach den großen
Hafenplätzen an der Ostküste Nordamerikas fällt mehr als ein Zehntel der fast
4000 Seemeilen messenden Entfernung auf die Nordsee und den Kanal. Was
dieser Abschnitt an Gefahren birgt, lehrt die Geschichte der Schiffbrüche.


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[0461] Die geographische Lage Deutschlands mit Wladiwostok verbindet, wird aber auch diese Lage einst bedeutsamer erscheinen lassen und unsern Ostprovinzen etwas von dem Leben geben, womit die des Westens immer der atlantische Hauch erfrischt hat. Dänemark berührt sich mit Deutschland nur in einem schmalen Teil der cimbrischen Halbinsel. Aber der Schwerpunkt Dänemarks liegt in den Inseln. Mit Füne/legt es sich vor die Schleswig-jüdische Grenze, mit Seeland in den Eingang der Ostsee zwischen Schweden und Jütland, mit Bornholm der Odermündung gegenüber. Ein Land, das Seeküste hat. hat die Länder, deren Küsten ihm gegenüber liegen, als Nachbarn anzusehen, wenn es sich auch nicht mit ihnen berührt. So hat Deutschland Schweden zum Nachbar, dessen Südspitze über die nördlichsten Punkte Deutschlands nach Süden reicht. So hat es England zum Nachbar, das mit Deutschland zusammen die Nordsee einschließt, und an dessen Küsten hin die Wege in den Atlantischen Ozean führen. Und da sein Seeweg ans der Ost- in die Nordsee an Norwegen vorbeiführt, ist auch dieses als zur Nachbar¬ schaft mit gehörend zu betrachten. Bei dieser Betrachtung kommt von Schweden und Norwegen die Südkttste, von England die Ostküste zunächst in Betracht. Deutschland gehört zu den atlantischen Mächten, an deren Küsten der Atlantische Ozean oder dessen Ausläufer Nord- und Ostsee herantreten. Man kann ihre Lage als eine von Norden nach Süden in der Weise abgestufte be¬ trachten, daß Nußland, Deutschland, Frankreich, Spanien je eine Stufe für sich einnehmen, wobei wir auf derselben Stufe mit Nußland Schweden und Nor¬ wegen, mit Deutschland Dänemark, Holland, Belgien und mit Spanien Portugal finden. In der Vreitenlage dürfte die russische Stufe durch deu 60., die deutsche durch den 54., die französische durch den 48., die spanische durch den 42. Grad bezeichnet sein. Die südlichste Stufe, Spanien, tritt am weitesten uach Westen vor, die andern bleiben um durchschnittlich je 10 Längengrade hintereinander zurück. Deutschland nimmt in dieser Stufenreihe eine mittlere Stelle ein, die jedoch mehr nach Norden als nach Süden reicht, da Deutsch¬ land ganz nördlich von den Süd- und Nordeuropa scheidenden Ketten liegt. Deutschland liegt damit hinter den großen atlantischen Seemächten, an deren Küsten vorbei alle seine Wege ins offne Meer führen. An den Küsten der Niederlande, Belgiens, Frankreichs, Englands hin sahren unsre Schiffe, die den Kanal Passiren, oder sie suchen zwischen Schottland und Norwegen die nörd¬ liche Ausfahrt in den Atlantischen Ozean. Ehe der Nordostseekanal gebaut war. mußten unsre Ostsecschiffe durch den Sund oder die Belte, durch das Kattegat und das Skager Nak, in dänischen und schwedischen Gewässern nach der Nordsee gehen. Bei der Fahrt aus der Elbe oder Weser nach den großen Hafenplätzen an der Ostküste Nordamerikas fällt mehr als ein Zehntel der fast 4000 Seemeilen messenden Entfernung auf die Nordsee und den Kanal. Was dieser Abschnitt an Gefahren birgt, lehrt die Geschichte der Schiffbrüche.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/461>, abgerufen am 01.09.2024.