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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

der beiden mißhandelten Kinder eingeleiteten Privatklagcn beschloß das Königliche
Amtsgericht zu U. den Antrag der Privatkläger ans Eröffnung des Hauptverfnhrens
abzulehnen, "weil Privatklage wegen Vvrliegeus eines Beamtenvergehens Z 340
und eiuer gefährliche" Körperverletzung Z 223". des Strafgesetzbuchs unzulässig ist."
Demnach war es Sache der Staatsanwaltschaft, mit öffentlicher Klage vorzugehen.
Auf eine Strafanzeige, die nicht nur von den Eltern der beiden Knaben, sondern
auch "och von weitern acht Vätern mißhandelter Schulkinder eingereicht wurde, erging
von dem Ersten Staatsanwalt zu Göttingen folgender Bescheid: "In der Unter¬
suchungssache gegen den Lehrer P. zu P. wegen Körperverletzung teile ich Ihnen
auf Ihren Strafantrag vom 24. April 1396 mit, daß ich das Verfahren einge¬
stellt habe. Ich habe nämlich aus der Vernehmung der angeblich mißhandelten
Kinder die Überzeugung gewonnen, daß sich der Beschuldigte eine auch nur fahr¬
lässige Überschreitung des ihm zustehenden Züchtigungsrechts nicht hat zu schulden
kommen lassen. Er scheint die Kinder zwar energisch gezüchtigt zu haben. Ich
habe aber auch keine Veranlassung, seiner Angabe, daß dies verdientermaßen ge¬
schehen sei, keinen Glauben zu scheuten. Daß die Züchtigung keine irgendwie
ernstliche und dauernde Nachteile für die Kinder gehabt hat, erhellt aus den
ärztlichen Befuudscheineu. Der Erste Staatsanwalt. gez. B."

So versagt der Schutz der Justiz, versagt der Schutz der Behörden. Und
der Lehrer leitet in gewohnter Weise die "beste Schule des Kreises" weiter.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Gruuow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh, Grunow i" Leipzig. - Druck von Curt Mnrqunrt in Leipzig
Maßgebliches und Unmaßgebliches

der beiden mißhandelten Kinder eingeleiteten Privatklagcn beschloß das Königliche
Amtsgericht zu U. den Antrag der Privatkläger ans Eröffnung des Hauptverfnhrens
abzulehnen, „weil Privatklage wegen Vvrliegeus eines Beamtenvergehens Z 340
und eiuer gefährliche» Körperverletzung Z 223«. des Strafgesetzbuchs unzulässig ist."
Demnach war es Sache der Staatsanwaltschaft, mit öffentlicher Klage vorzugehen.
Auf eine Strafanzeige, die nicht nur von den Eltern der beiden Knaben, sondern
auch »och von weitern acht Vätern mißhandelter Schulkinder eingereicht wurde, erging
von dem Ersten Staatsanwalt zu Göttingen folgender Bescheid: „In der Unter¬
suchungssache gegen den Lehrer P. zu P. wegen Körperverletzung teile ich Ihnen
auf Ihren Strafantrag vom 24. April 1396 mit, daß ich das Verfahren einge¬
stellt habe. Ich habe nämlich aus der Vernehmung der angeblich mißhandelten
Kinder die Überzeugung gewonnen, daß sich der Beschuldigte eine auch nur fahr¬
lässige Überschreitung des ihm zustehenden Züchtigungsrechts nicht hat zu schulden
kommen lassen. Er scheint die Kinder zwar energisch gezüchtigt zu haben. Ich
habe aber auch keine Veranlassung, seiner Angabe, daß dies verdientermaßen ge¬
schehen sei, keinen Glauben zu scheuten. Daß die Züchtigung keine irgendwie
ernstliche und dauernde Nachteile für die Kinder gehabt hat, erhellt aus den
ärztlichen Befuudscheineu. Der Erste Staatsanwalt. gez. B."

So versagt der Schutz der Justiz, versagt der Schutz der Behörden. Und
der Lehrer leitet in gewohnter Weise die „beste Schule des Kreises" weiter.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Gruuow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh, Grunow i» Leipzig. - Druck von Curt Mnrqunrt in Leipzig
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[0440] Maßgebliches und Unmaßgebliches der beiden mißhandelten Kinder eingeleiteten Privatklagcn beschloß das Königliche Amtsgericht zu U. den Antrag der Privatkläger ans Eröffnung des Hauptverfnhrens abzulehnen, „weil Privatklage wegen Vvrliegeus eines Beamtenvergehens Z 340 und eiuer gefährliche» Körperverletzung Z 223«. des Strafgesetzbuchs unzulässig ist." Demnach war es Sache der Staatsanwaltschaft, mit öffentlicher Klage vorzugehen. Auf eine Strafanzeige, die nicht nur von den Eltern der beiden Knaben, sondern auch »och von weitern acht Vätern mißhandelter Schulkinder eingereicht wurde, erging von dem Ersten Staatsanwalt zu Göttingen folgender Bescheid: „In der Unter¬ suchungssache gegen den Lehrer P. zu P. wegen Körperverletzung teile ich Ihnen auf Ihren Strafantrag vom 24. April 1396 mit, daß ich das Verfahren einge¬ stellt habe. Ich habe nämlich aus der Vernehmung der angeblich mißhandelten Kinder die Überzeugung gewonnen, daß sich der Beschuldigte eine auch nur fahr¬ lässige Überschreitung des ihm zustehenden Züchtigungsrechts nicht hat zu schulden kommen lassen. Er scheint die Kinder zwar energisch gezüchtigt zu haben. Ich habe aber auch keine Veranlassung, seiner Angabe, daß dies verdientermaßen ge¬ schehen sei, keinen Glauben zu scheuten. Daß die Züchtigung keine irgendwie ernstliche und dauernde Nachteile für die Kinder gehabt hat, erhellt aus den ärztlichen Befuudscheineu. Der Erste Staatsanwalt. gez. B." So versagt der Schutz der Justiz, versagt der Schutz der Behörden. Und der Lehrer leitet in gewohnter Weise die „beste Schule des Kreises" weiter. Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Gruuow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh, Grunow i» Leipzig. - Druck von Curt Mnrqunrt in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/440>, abgerufen am 01.09.2024.