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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Die Haustiere und das Wirtschaftsleben der Völker

Plantageuarbeit zu bringen, nicht etwa darum, weil er an unüberwindlicher
Faulheit litte, sondern weil er wirtschaftlich selbständig ist. Er hat seine
eigne, seinen Bedürfnissen und der Natur des Landes durchaus angemessene
Bodenkultur, den Hackban. Er ist keinesfalls auf einer tiefern Stufe zurück¬
geblieben, sondern sein Landbau hat sich von dem uranfänglichen Hackban,
aus dem im Norden der Ackerbau mit Rindvieh entstanden ist, den klimatischen
und Laudesverhältnisseu gemäß weiter entwickelt, wenn er auch natürlich durch
die Anwendung besserer Werkzeuge, wie sie unsre europäische Technik schafft,
sehr vervollkommnet werden kann. Diese Kultur müßte man zerstören und
den Neger, wie gesagt, einer der frühern nordamerikanischen ähnlichen Sklaverei
unterwerfen, wenn man ihn ans Plantagen verwenden wollte, deren Rentabilität,
nebenbei bemerkt, durch übergroße Ausdehnung gefährdet werden würde, da
der Bedarf der Menschheit an Plantagenerzeugnissen schon heute nahezu gedeckt
ist. Bedenkt man dazu, daß die Plautagenarbeiter durch Zufuhr von außen
ernährt werden müssen, da sie ihre eignen Lebensmittel nicht erzeugen können,
so würde diese Art "Zivilisirung" des Negers als doppelte Barbarei erscheinen.
Statt dessen, meint der Verfasser, solle man den Neger bei seiner nur zu
vervollkommnenden Wirtschaftsweise lassen und ihn uur zu einem guten Kon¬
sumenten deutscher Jndustrieerzeugnisse zu machen suchen. "Natürlich ist es
dabei nicht mehr als billig, daß der Neger die Segnungen, die ihm eine
tüchtige europäische Verwaltung sehr bald bringen wird, seinerseits so bald
wie möglich bezahlt." Dabei handle es sich keineswegs darum, den Neger
"mit aller Macht zu belehren, zu bessern, zu heben; in: Gegenteil: ökonomisch
versteht der Neger sein eignes Interesse ausgezeichnet; es handelt sich viel¬
mehr hier darum, durch unsre überlegne Kultur die Schäden, die besonders
aus seiner allzugroßen Selbständigkeit entspringen, möglichst zu beseitigen, ihn
vor den Folgen seiner Fehler, z. B. Raubsucht, Lust an kleinen Kriegen usw.
zu bewahren. Auch mit seiner hergebrachten Methode produzirt der Neger
in ruhigen Zeiten, wenn ihm die Elemente günstig sind, vollkommen genug
für sich, ja noch etwas für deu Export. Es darf uns dabei nicht stören,
daß die afrikanischen Verhältnisse öfter noch eine Stufe zeigen, die wir vor
einiger Zeit überschritten haben, wenn sie auch noch nicht einmal überall in
Europa, z. B. in den südslawischen Ländern nicht, überwunden worden ist,
daß nämlich die Arbeit stellenweise noch nahezu ganz von Sklaven und
Frauen betrieben wird. An manchen Stellen ist dies schon von selbst anders
geworden; eine Änderung aber, die gewaltsam vorgenommen würde, würde
ohne Zweifel zersetzend auf den Negercharakter einwirken." Hahn will also,
wenn wir ihn recht verstehen, daß der Neger, uur unterstützt durch Hilfs¬
mittel, die wir ihm darbieten, seine eigentümliche Kultur weiter Pflege, daß
wir ihm allmählich einige unsrer Kultnrbedürfnisse angewöhnen und ihn so
zu unserm Konsumenten machen. Dagegen ließe sich nun zwar auch noch so


Die Haustiere und das Wirtschaftsleben der Völker

Plantageuarbeit zu bringen, nicht etwa darum, weil er an unüberwindlicher
Faulheit litte, sondern weil er wirtschaftlich selbständig ist. Er hat seine
eigne, seinen Bedürfnissen und der Natur des Landes durchaus angemessene
Bodenkultur, den Hackban. Er ist keinesfalls auf einer tiefern Stufe zurück¬
geblieben, sondern sein Landbau hat sich von dem uranfänglichen Hackban,
aus dem im Norden der Ackerbau mit Rindvieh entstanden ist, den klimatischen
und Laudesverhältnisseu gemäß weiter entwickelt, wenn er auch natürlich durch
die Anwendung besserer Werkzeuge, wie sie unsre europäische Technik schafft,
sehr vervollkommnet werden kann. Diese Kultur müßte man zerstören und
den Neger, wie gesagt, einer der frühern nordamerikanischen ähnlichen Sklaverei
unterwerfen, wenn man ihn ans Plantagen verwenden wollte, deren Rentabilität,
nebenbei bemerkt, durch übergroße Ausdehnung gefährdet werden würde, da
der Bedarf der Menschheit an Plantagenerzeugnissen schon heute nahezu gedeckt
ist. Bedenkt man dazu, daß die Plautagenarbeiter durch Zufuhr von außen
ernährt werden müssen, da sie ihre eignen Lebensmittel nicht erzeugen können,
so würde diese Art „Zivilisirung" des Negers als doppelte Barbarei erscheinen.
Statt dessen, meint der Verfasser, solle man den Neger bei seiner nur zu
vervollkommnenden Wirtschaftsweise lassen und ihn uur zu einem guten Kon¬
sumenten deutscher Jndustrieerzeugnisse zu machen suchen. „Natürlich ist es
dabei nicht mehr als billig, daß der Neger die Segnungen, die ihm eine
tüchtige europäische Verwaltung sehr bald bringen wird, seinerseits so bald
wie möglich bezahlt." Dabei handle es sich keineswegs darum, den Neger
„mit aller Macht zu belehren, zu bessern, zu heben; in: Gegenteil: ökonomisch
versteht der Neger sein eignes Interesse ausgezeichnet; es handelt sich viel¬
mehr hier darum, durch unsre überlegne Kultur die Schäden, die besonders
aus seiner allzugroßen Selbständigkeit entspringen, möglichst zu beseitigen, ihn
vor den Folgen seiner Fehler, z. B. Raubsucht, Lust an kleinen Kriegen usw.
zu bewahren. Auch mit seiner hergebrachten Methode produzirt der Neger
in ruhigen Zeiten, wenn ihm die Elemente günstig sind, vollkommen genug
für sich, ja noch etwas für deu Export. Es darf uns dabei nicht stören,
daß die afrikanischen Verhältnisse öfter noch eine Stufe zeigen, die wir vor
einiger Zeit überschritten haben, wenn sie auch noch nicht einmal überall in
Europa, z. B. in den südslawischen Ländern nicht, überwunden worden ist,
daß nämlich die Arbeit stellenweise noch nahezu ganz von Sklaven und
Frauen betrieben wird. An manchen Stellen ist dies schon von selbst anders
geworden; eine Änderung aber, die gewaltsam vorgenommen würde, würde
ohne Zweifel zersetzend auf den Negercharakter einwirken." Hahn will also,
wenn wir ihn recht verstehen, daß der Neger, uur unterstützt durch Hilfs¬
mittel, die wir ihm darbieten, seine eigentümliche Kultur weiter Pflege, daß
wir ihm allmählich einige unsrer Kultnrbedürfnisse angewöhnen und ihn so
zu unserm Konsumenten machen. Dagegen ließe sich nun zwar auch noch so


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[0415] Die Haustiere und das Wirtschaftsleben der Völker Plantageuarbeit zu bringen, nicht etwa darum, weil er an unüberwindlicher Faulheit litte, sondern weil er wirtschaftlich selbständig ist. Er hat seine eigne, seinen Bedürfnissen und der Natur des Landes durchaus angemessene Bodenkultur, den Hackban. Er ist keinesfalls auf einer tiefern Stufe zurück¬ geblieben, sondern sein Landbau hat sich von dem uranfänglichen Hackban, aus dem im Norden der Ackerbau mit Rindvieh entstanden ist, den klimatischen und Laudesverhältnisseu gemäß weiter entwickelt, wenn er auch natürlich durch die Anwendung besserer Werkzeuge, wie sie unsre europäische Technik schafft, sehr vervollkommnet werden kann. Diese Kultur müßte man zerstören und den Neger, wie gesagt, einer der frühern nordamerikanischen ähnlichen Sklaverei unterwerfen, wenn man ihn ans Plantagen verwenden wollte, deren Rentabilität, nebenbei bemerkt, durch übergroße Ausdehnung gefährdet werden würde, da der Bedarf der Menschheit an Plantagenerzeugnissen schon heute nahezu gedeckt ist. Bedenkt man dazu, daß die Plautagenarbeiter durch Zufuhr von außen ernährt werden müssen, da sie ihre eignen Lebensmittel nicht erzeugen können, so würde diese Art „Zivilisirung" des Negers als doppelte Barbarei erscheinen. Statt dessen, meint der Verfasser, solle man den Neger bei seiner nur zu vervollkommnenden Wirtschaftsweise lassen und ihn uur zu einem guten Kon¬ sumenten deutscher Jndustrieerzeugnisse zu machen suchen. „Natürlich ist es dabei nicht mehr als billig, daß der Neger die Segnungen, die ihm eine tüchtige europäische Verwaltung sehr bald bringen wird, seinerseits so bald wie möglich bezahlt." Dabei handle es sich keineswegs darum, den Neger „mit aller Macht zu belehren, zu bessern, zu heben; in: Gegenteil: ökonomisch versteht der Neger sein eignes Interesse ausgezeichnet; es handelt sich viel¬ mehr hier darum, durch unsre überlegne Kultur die Schäden, die besonders aus seiner allzugroßen Selbständigkeit entspringen, möglichst zu beseitigen, ihn vor den Folgen seiner Fehler, z. B. Raubsucht, Lust an kleinen Kriegen usw. zu bewahren. Auch mit seiner hergebrachten Methode produzirt der Neger in ruhigen Zeiten, wenn ihm die Elemente günstig sind, vollkommen genug für sich, ja noch etwas für deu Export. Es darf uns dabei nicht stören, daß die afrikanischen Verhältnisse öfter noch eine Stufe zeigen, die wir vor einiger Zeit überschritten haben, wenn sie auch noch nicht einmal überall in Europa, z. B. in den südslawischen Ländern nicht, überwunden worden ist, daß nämlich die Arbeit stellenweise noch nahezu ganz von Sklaven und Frauen betrieben wird. An manchen Stellen ist dies schon von selbst anders geworden; eine Änderung aber, die gewaltsam vorgenommen würde, würde ohne Zweifel zersetzend auf den Negercharakter einwirken." Hahn will also, wenn wir ihn recht verstehen, daß der Neger, uur unterstützt durch Hilfs¬ mittel, die wir ihm darbieten, seine eigentümliche Kultur weiter Pflege, daß wir ihm allmählich einige unsrer Kultnrbedürfnisse angewöhnen und ihn so zu unserm Konsumenten machen. Dagegen ließe sich nun zwar auch noch so

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/415>, abgerufen am 01.09.2024.