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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Die Haustiere und das Wirtschaftsleben der Völker

in einigen ehemalige" Hauptgebieten, z. B. der Magdeburger Böhrde, durch
die starke Verwendung fluktnirender Arbeitermassen unsre ländliche Lohnarbeiter-
bevölkeruug proletarisirt, so kann man nur dringend wünschen, daß mir diese
Industrie so bald und mit so wenig Nachteil wie möglich loswerden. Der
einfachste und natürlich gegebene Weg wäre der, unsre Zuckerfabriken allmählich
eingehen zu lassen und das freiwerdende Kapital in Zuckerplantagen in nieder¬
ländisch-Indien zu stecken. Bis dahin geht das vielleicht ebenso wertvolle
wissenschaftliche Kapital, das Deutschland den holländischen Kolonien in
Gestalt seiner Chemiker, Botaniker und andrer Naturwissenschafter gewährt,
leider dem Vaterland immer noch größtenteils verloren. Natürlich wird mau
diesem bescheidnen Vorschlage nicht folgen, es wird vielmehr wahrscheinlich
ganz anders kommen, nämlich so: um der Konkurrenz des tropischen Zuckers
zu begegnen, wird man subtilere und kostspieligere Hcrstellungsmethvden ein¬
schlagen, die natürlich dann anch in Java angenommen werden, bis unsrer
Industrie endlich der Atem ausgeht, und der Zusammenbruch dann gleich
gründlich erfolgt" (S. 401 bis 402). Da der Verfasser den Gartenbau für
die höchste Stufe der Bodennntznng erklärt und dieser, als die intensivste
Anbauart nnr kleine Flächen fordert, so wünscht er die Vermehrung des kleinen
Besitzes auf Kosten des großen. Mit der bessern Besitzverteilung habe sich
ein zweckmäßiges System sSystem?^ der Verteilung der Abfälle und Fäkalien
zu verbinden, und außerdem sei die Nolkseruühruug, in der die Cerealien
immer noch eine viel zu große Rolle spielten, in zweckmäßiger Weise zu
reformiren. Diesem Reformpläne stimmen wir nur bedingungsweise bei, da
das in China bereits verwirklichte Anbauideal des Verfassers denn doch auch
seine Schattenseiten hat. Daß die Betriebsform unsrer heutigen großen Güter
in technischer Hinsicht nicht die höchste und in sozialer eine sehr tiefe Stufe
der Landwirtschaft bildet, darin hat er ja Recht.

Auch die Ziele, die bisher in unserm Kolonien verfolgt worden sind, ver¬
wirft er. Man steuert dort ausschließlich auf Plantageubau los. Nun mag
zwar für die Ausnutzung tropischer Besitzungen der Plantagenbau in einem
mäßigen Umfange nicht zu vermeiden sein, aber es wäre nach Ansicht des
Verfassers falsch, ihn über große Gebiete ausdehnen zu wollen, weil außer
den bereits hervorgehobnen Schattenseiten in Afrika noch eine ganz besondre
Schwierigkeit gegen diese Anbaufvrm spricht. Um ans dem Neger einen
Plantageuarbeiter zu machen, muß man ihn ans seiner Arbeit Herausreißen
und zum Sklaven machen. Der sreie Neger ist in seiner Heimat nicht zur


gute kommt, so wird das, was die Zuckerproduktion den Nahrungsmitteln entzieht, nicht be¬
deutend sein. Aber die übrigen volkswirtschaftlichen und sozialen Schädigungen, die sie dem
Volke zufügt, sind so groß, das; auch wir schon den Wunsch ausgesprochen haben, der Rohr¬
zucker möchte den Rübenzucker wieder verdrängen.
Die Haustiere und das Wirtschaftsleben der Völker

in einigen ehemalige» Hauptgebieten, z. B. der Magdeburger Böhrde, durch
die starke Verwendung fluktnirender Arbeitermassen unsre ländliche Lohnarbeiter-
bevölkeruug proletarisirt, so kann man nur dringend wünschen, daß mir diese
Industrie so bald und mit so wenig Nachteil wie möglich loswerden. Der
einfachste und natürlich gegebene Weg wäre der, unsre Zuckerfabriken allmählich
eingehen zu lassen und das freiwerdende Kapital in Zuckerplantagen in nieder¬
ländisch-Indien zu stecken. Bis dahin geht das vielleicht ebenso wertvolle
wissenschaftliche Kapital, das Deutschland den holländischen Kolonien in
Gestalt seiner Chemiker, Botaniker und andrer Naturwissenschafter gewährt,
leider dem Vaterland immer noch größtenteils verloren. Natürlich wird mau
diesem bescheidnen Vorschlage nicht folgen, es wird vielmehr wahrscheinlich
ganz anders kommen, nämlich so: um der Konkurrenz des tropischen Zuckers
zu begegnen, wird man subtilere und kostspieligere Hcrstellungsmethvden ein¬
schlagen, die natürlich dann anch in Java angenommen werden, bis unsrer
Industrie endlich der Atem ausgeht, und der Zusammenbruch dann gleich
gründlich erfolgt" (S. 401 bis 402). Da der Verfasser den Gartenbau für
die höchste Stufe der Bodennntznng erklärt und dieser, als die intensivste
Anbauart nnr kleine Flächen fordert, so wünscht er die Vermehrung des kleinen
Besitzes auf Kosten des großen. Mit der bessern Besitzverteilung habe sich
ein zweckmäßiges System sSystem?^ der Verteilung der Abfälle und Fäkalien
zu verbinden, und außerdem sei die Nolkseruühruug, in der die Cerealien
immer noch eine viel zu große Rolle spielten, in zweckmäßiger Weise zu
reformiren. Diesem Reformpläne stimmen wir nur bedingungsweise bei, da
das in China bereits verwirklichte Anbauideal des Verfassers denn doch auch
seine Schattenseiten hat. Daß die Betriebsform unsrer heutigen großen Güter
in technischer Hinsicht nicht die höchste und in sozialer eine sehr tiefe Stufe
der Landwirtschaft bildet, darin hat er ja Recht.

Auch die Ziele, die bisher in unserm Kolonien verfolgt worden sind, ver¬
wirft er. Man steuert dort ausschließlich auf Plantageubau los. Nun mag
zwar für die Ausnutzung tropischer Besitzungen der Plantagenbau in einem
mäßigen Umfange nicht zu vermeiden sein, aber es wäre nach Ansicht des
Verfassers falsch, ihn über große Gebiete ausdehnen zu wollen, weil außer
den bereits hervorgehobnen Schattenseiten in Afrika noch eine ganz besondre
Schwierigkeit gegen diese Anbaufvrm spricht. Um ans dem Neger einen
Plantageuarbeiter zu machen, muß man ihn ans seiner Arbeit Herausreißen
und zum Sklaven machen. Der sreie Neger ist in seiner Heimat nicht zur


gute kommt, so wird das, was die Zuckerproduktion den Nahrungsmitteln entzieht, nicht be¬
deutend sein. Aber die übrigen volkswirtschaftlichen und sozialen Schädigungen, die sie dem
Volke zufügt, sind so groß, das; auch wir schon den Wunsch ausgesprochen haben, der Rohr¬
zucker möchte den Rübenzucker wieder verdrängen.
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[0414] Die Haustiere und das Wirtschaftsleben der Völker in einigen ehemalige» Hauptgebieten, z. B. der Magdeburger Böhrde, durch die starke Verwendung fluktnirender Arbeitermassen unsre ländliche Lohnarbeiter- bevölkeruug proletarisirt, so kann man nur dringend wünschen, daß mir diese Industrie so bald und mit so wenig Nachteil wie möglich loswerden. Der einfachste und natürlich gegebene Weg wäre der, unsre Zuckerfabriken allmählich eingehen zu lassen und das freiwerdende Kapital in Zuckerplantagen in nieder¬ ländisch-Indien zu stecken. Bis dahin geht das vielleicht ebenso wertvolle wissenschaftliche Kapital, das Deutschland den holländischen Kolonien in Gestalt seiner Chemiker, Botaniker und andrer Naturwissenschafter gewährt, leider dem Vaterland immer noch größtenteils verloren. Natürlich wird mau diesem bescheidnen Vorschlage nicht folgen, es wird vielmehr wahrscheinlich ganz anders kommen, nämlich so: um der Konkurrenz des tropischen Zuckers zu begegnen, wird man subtilere und kostspieligere Hcrstellungsmethvden ein¬ schlagen, die natürlich dann anch in Java angenommen werden, bis unsrer Industrie endlich der Atem ausgeht, und der Zusammenbruch dann gleich gründlich erfolgt" (S. 401 bis 402). Da der Verfasser den Gartenbau für die höchste Stufe der Bodennntznng erklärt und dieser, als die intensivste Anbauart nnr kleine Flächen fordert, so wünscht er die Vermehrung des kleinen Besitzes auf Kosten des großen. Mit der bessern Besitzverteilung habe sich ein zweckmäßiges System sSystem?^ der Verteilung der Abfälle und Fäkalien zu verbinden, und außerdem sei die Nolkseruühruug, in der die Cerealien immer noch eine viel zu große Rolle spielten, in zweckmäßiger Weise zu reformiren. Diesem Reformpläne stimmen wir nur bedingungsweise bei, da das in China bereits verwirklichte Anbauideal des Verfassers denn doch auch seine Schattenseiten hat. Daß die Betriebsform unsrer heutigen großen Güter in technischer Hinsicht nicht die höchste und in sozialer eine sehr tiefe Stufe der Landwirtschaft bildet, darin hat er ja Recht. Auch die Ziele, die bisher in unserm Kolonien verfolgt worden sind, ver¬ wirft er. Man steuert dort ausschließlich auf Plantageubau los. Nun mag zwar für die Ausnutzung tropischer Besitzungen der Plantagenbau in einem mäßigen Umfange nicht zu vermeiden sein, aber es wäre nach Ansicht des Verfassers falsch, ihn über große Gebiete ausdehnen zu wollen, weil außer den bereits hervorgehobnen Schattenseiten in Afrika noch eine ganz besondre Schwierigkeit gegen diese Anbaufvrm spricht. Um ans dem Neger einen Plantageuarbeiter zu machen, muß man ihn ans seiner Arbeit Herausreißen und zum Sklaven machen. Der sreie Neger ist in seiner Heimat nicht zur gute kommt, so wird das, was die Zuckerproduktion den Nahrungsmitteln entzieht, nicht be¬ deutend sein. Aber die übrigen volkswirtschaftlichen und sozialen Schädigungen, die sie dem Volke zufügt, sind so groß, das; auch wir schon den Wunsch ausgesprochen haben, der Rohr¬ zucker möchte den Rübenzucker wieder verdrängen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/414>, abgerufen am 01.09.2024.