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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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freien Wegen nach dem reichen Westen, während hinter Österreich der eigent¬
liche Orient mit seiner Verkehrsarmut und seiner Znriickgebliebenheit ansaugt.

Trotzdem haben Deutschland und Österreich viel verwandtes und zusammen¬
führendes in ihrer Lage. Beide sind mitteleuropäische Mächte, beide mit einer
Neigung nach Osten, die in ihrem eigentümlichen Ausgreifen nach dem ost¬
europäischen Tiefland (Ostpreußen, Schlesien, Galizien und Bukowina) räum¬
lichen Ausdruck gewinnt. Mit geschichtlich und ethnisch gleichen Provinzen,
Teilen des alten Polens, grenzen sie hier an den gemeinsamen mächtigen Nach¬
bar Nußland. Nicht bloß die seit vielen Jahrhunderten verfolgte östliche
Wachstumsrichtnng ist ihnen gemein. Sie sind Teile, die sich einst zu einem
großer", wenn auch nicht mächtigern Ganzen ergänzten. Sie standen zum
größern Teil im römischen Reich nebeneinander, dann umfaßte sie ein halbes
Jahrhundert der deutsche Bund. Darum heißt es auch in dem Allianzvertrag
vom 7. Oktober 1879: in Erwägung, daß beide Monarchen ähnlich wie in dem
früher bestandnc" Bundesverhältnis durch festes Zusammenhalten beider Reiche
imstande sein werden, diese Pflicht (für die Sicherheit ihrer Reiche und die
Ruhe ihrer Völker unter alleu Umstünde" Sorge zu tragen) leichter und wirk¬
samer zu erfülle" usw.

(Schluß folgt)




Die Haustiere und das Wirtschaftsleben der Völker

er weit verbreitete" Ansicht, daß die Kulturentwicklung mit dem
Jäger- und Fischerleben begonnen habe und über die Stufen
der "omadisirenden Viehwirtschaft und des Ackerbaus hinweg
zur Industrie fortgeschritten sei, ist schon von ältern Volks-
wirtschaftslehrcrn die Thatsache entgegengehalten worden, daß
Jngervölker niemals, Nomaden selten seßhaft werden, und daß wir die
Ackerbauer, soweit wir auch in der Geschichte zurückgehen mögen, immer
als Ackerbauer finden. Die Germanen der Völkerwanderung waren keine
Nomaden, sondern uomadisirten nur periodisch auf der Suche nach
bessern Wohnsitzen. In einem höchst interessanten Buche über die Haustiere
um, das, wie der Verfasser bescheiden sagt, keineswegs das berühmte
Werk von Viktor Hehn über die Kulturpflanzen und Haustiere ersetzen soll,
wird jetzt der wissenschaftliche Beweis geführt, daß ans Jäger" niemals Hirten
werde" kounte", der Hirt aber den Ackerbauer voraussetzt: Die Haustiere


freien Wegen nach dem reichen Westen, während hinter Österreich der eigent¬
liche Orient mit seiner Verkehrsarmut und seiner Znriickgebliebenheit ansaugt.

Trotzdem haben Deutschland und Österreich viel verwandtes und zusammen¬
führendes in ihrer Lage. Beide sind mitteleuropäische Mächte, beide mit einer
Neigung nach Osten, die in ihrem eigentümlichen Ausgreifen nach dem ost¬
europäischen Tiefland (Ostpreußen, Schlesien, Galizien und Bukowina) räum¬
lichen Ausdruck gewinnt. Mit geschichtlich und ethnisch gleichen Provinzen,
Teilen des alten Polens, grenzen sie hier an den gemeinsamen mächtigen Nach¬
bar Nußland. Nicht bloß die seit vielen Jahrhunderten verfolgte östliche
Wachstumsrichtnng ist ihnen gemein. Sie sind Teile, die sich einst zu einem
großer«, wenn auch nicht mächtigern Ganzen ergänzten. Sie standen zum
größern Teil im römischen Reich nebeneinander, dann umfaßte sie ein halbes
Jahrhundert der deutsche Bund. Darum heißt es auch in dem Allianzvertrag
vom 7. Oktober 1879: in Erwägung, daß beide Monarchen ähnlich wie in dem
früher bestandnc» Bundesverhältnis durch festes Zusammenhalten beider Reiche
imstande sein werden, diese Pflicht (für die Sicherheit ihrer Reiche und die
Ruhe ihrer Völker unter alleu Umstünde» Sorge zu tragen) leichter und wirk¬
samer zu erfülle» usw.

(Schluß folgt)




Die Haustiere und das Wirtschaftsleben der Völker

er weit verbreitete» Ansicht, daß die Kulturentwicklung mit dem
Jäger- und Fischerleben begonnen habe und über die Stufen
der »omadisirenden Viehwirtschaft und des Ackerbaus hinweg
zur Industrie fortgeschritten sei, ist schon von ältern Volks-
wirtschaftslehrcrn die Thatsache entgegengehalten worden, daß
Jngervölker niemals, Nomaden selten seßhaft werden, und daß wir die
Ackerbauer, soweit wir auch in der Geschichte zurückgehen mögen, immer
als Ackerbauer finden. Die Germanen der Völkerwanderung waren keine
Nomaden, sondern uomadisirten nur periodisch auf der Suche nach
bessern Wohnsitzen. In einem höchst interessanten Buche über die Haustiere
um, das, wie der Verfasser bescheiden sagt, keineswegs das berühmte
Werk von Viktor Hehn über die Kulturpflanzen und Haustiere ersetzen soll,
wird jetzt der wissenschaftliche Beweis geführt, daß ans Jäger» niemals Hirten
werde» kounte», der Hirt aber den Ackerbauer voraussetzt: Die Haustiere


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[0405] freien Wegen nach dem reichen Westen, während hinter Österreich der eigent¬ liche Orient mit seiner Verkehrsarmut und seiner Znriickgebliebenheit ansaugt. Trotzdem haben Deutschland und Österreich viel verwandtes und zusammen¬ führendes in ihrer Lage. Beide sind mitteleuropäische Mächte, beide mit einer Neigung nach Osten, die in ihrem eigentümlichen Ausgreifen nach dem ost¬ europäischen Tiefland (Ostpreußen, Schlesien, Galizien und Bukowina) räum¬ lichen Ausdruck gewinnt. Mit geschichtlich und ethnisch gleichen Provinzen, Teilen des alten Polens, grenzen sie hier an den gemeinsamen mächtigen Nach¬ bar Nußland. Nicht bloß die seit vielen Jahrhunderten verfolgte östliche Wachstumsrichtnng ist ihnen gemein. Sie sind Teile, die sich einst zu einem großer«, wenn auch nicht mächtigern Ganzen ergänzten. Sie standen zum größern Teil im römischen Reich nebeneinander, dann umfaßte sie ein halbes Jahrhundert der deutsche Bund. Darum heißt es auch in dem Allianzvertrag vom 7. Oktober 1879: in Erwägung, daß beide Monarchen ähnlich wie in dem früher bestandnc» Bundesverhältnis durch festes Zusammenhalten beider Reiche imstande sein werden, diese Pflicht (für die Sicherheit ihrer Reiche und die Ruhe ihrer Völker unter alleu Umstünde» Sorge zu tragen) leichter und wirk¬ samer zu erfülle» usw. (Schluß folgt) Die Haustiere und das Wirtschaftsleben der Völker er weit verbreitete» Ansicht, daß die Kulturentwicklung mit dem Jäger- und Fischerleben begonnen habe und über die Stufen der »omadisirenden Viehwirtschaft und des Ackerbaus hinweg zur Industrie fortgeschritten sei, ist schon von ältern Volks- wirtschaftslehrcrn die Thatsache entgegengehalten worden, daß Jngervölker niemals, Nomaden selten seßhaft werden, und daß wir die Ackerbauer, soweit wir auch in der Geschichte zurückgehen mögen, immer als Ackerbauer finden. Die Germanen der Völkerwanderung waren keine Nomaden, sondern uomadisirten nur periodisch auf der Suche nach bessern Wohnsitzen. In einem höchst interessanten Buche über die Haustiere um, das, wie der Verfasser bescheiden sagt, keineswegs das berühmte Werk von Viktor Hehn über die Kulturpflanzen und Haustiere ersetzen soll, wird jetzt der wissenschaftliche Beweis geführt, daß ans Jäger» niemals Hirten werde» kounte», der Hirt aber den Ackerbauer voraussetzt: Die Haustiere

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/405>, abgerufen am 22.11.2024.