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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Der geheilte Pan

können in seinem dritten Heft, das, wie die neue Redaktion mitteilt, noch von
der vorhergehenden Leitung versorgt worden ist. Der Pan kann sich also des
kleinen Fanges freuen und wird lüstern dcizn mit der Zunge geschnalzt haben.

In Bezug auf diese ganze Poesie und Litteratur des Pult bemerken wir
schließlich nur noch eins: Dazu hätte man Lessing, Goethe, die Romantiker u. s. w.
nicht erst zu zertrümmern brauchen. Das machen manche Privatmenschen genau
so gut, die sich darum noch gar nicht einreden, mit irgend etwas gebrochen zu
haben, als höchstens mit der Gewohnheit, alles drücke" zu lassen, was sie in
stimmungsvollen Augenblicken niederschreiben. Sie lesens ihrer Frau oder ihren
Kindern vor (wozu sich der Pan freilich nicht durchweg eignen würde), kommen
dann aber auch später nicht in die Lage, verkannt zu werden oder Bleistifte ver¬
kaufen zu müssen.

Die alte Redaktion hat wohl auch noch die Heliogravüre nach einem Bilde
Nietzsches vor das dritte Heft gesetzt. Das Original scheint kein Kunstwerk zu
sein, und der Gegenstand ist zum Anblicken mehr als unerfreulich. Als unser
Freund K. Lauge von dem Nietzschekultus, wie von einer abgeschlossenen ' Er¬
scheinung sprach, konnte er noch nichts wissen von dieser vorläufig "im Stillen
wirkenden philosophischen Konzeutrirung des Einzelnen." Das Weitere werden
wir noch zu erleben haben.

Für den künstlerischen und kunstgeschichtlichen Teil der Zeitschrift giebt Licht-
wark in einem Artikel des dritten Heftes: "Die Entwicklung des-Pan" das neue
Programm der Aufgaben. Man hat bisher zu viel von ausländischer Kunst ge¬
bracht und dabei doch nicht immer das beste ausgewählt. Fortan soll mehr die
deutsche Kunst berücksichtigt werden und nach ihren Mittelpunkten: Berlin, München,
Dresden und Hamburg in einzelnen Heften zum Ausdruck kommen. - Außerdem aber
sollen geschichtliche Fragen ihre Beantwortung finden, z. B. welches die entscheidenden
Kräfte in der Kunst unsers nun zu Ende gehenden Jahrhunderts gewesen
sind, weil darüber das Publikum ganz unrichtige Vorstellungen hat. Es soll über¬
haupt besondrer Nachdruck darauf gelegt werden, daß unsre Gebildeten vertraut
werden mit dem, was in unsrer ältern deutschen Kunst noch wirklich brauchbar,
lebendig, national wertvoll ist, was nützlich sei" kann, um das Gefühl der nationalen
Zusammengehörigkeit, der Kulturgemeinschaft zu fördern.

Diesem Programm stimmen wir von Herzen zu. Es giebt noch viele
Menschen in Deutschland, die sich nicht als bloße Kunstgelehrte, denen alles gleich
interessant ist, mit der Kunst vergangner Zeit beschäftigen, souderu weil sie darau
die Gegenwart messen und verstehen lernen wollen. Solche können, weil sie zu
unterscheiden wissen, schon in der Unterhaltung durch feinere geistige Auswahl die
Gegenwart aus der Vergangenheit bereichern. Wie viel mehr kann eine Zeitschrift,
an deren Spitze Männer stehen, hervorragend in amtlicher Stellung, durch künst¬
lerische oder wissenschaftliche Leistungen oder auch durch eigne Wertschätzung, diese
schöne Aufgabe im großen ans sich nehmen und mit Glück durchführen! Ein rich¬
tiges Verstehen der frühem Kunst, was freilich nicht jedermanns Sache ist, giebt
den besten Maßstab für die werdende und kann sie, was auch die Künstler dagegen
sagen mögen, vor manchen Jrrgängen bewahren. Es hat auch unsern gauzeu Beifall,
wenn Lichtwark den Zusammenhang der hohen Kunst mit dem Handwerk in den
Vordergrund stellt, und demnach der Pan mit einem großen Teil seiner Beiträge
auch in den Dienst des Kunstgewerbes treten wird. Denn das giebt am ehesten
greifbare Aufgaben nud Interessen, in denen sich viele Menschen zusammenfinden
können, und dadurch wird eine Zeitschrift um kein Haar breit weniger vornehm.


Der geheilte Pan

können in seinem dritten Heft, das, wie die neue Redaktion mitteilt, noch von
der vorhergehenden Leitung versorgt worden ist. Der Pan kann sich also des
kleinen Fanges freuen und wird lüstern dcizn mit der Zunge geschnalzt haben.

In Bezug auf diese ganze Poesie und Litteratur des Pult bemerken wir
schließlich nur noch eins: Dazu hätte man Lessing, Goethe, die Romantiker u. s. w.
nicht erst zu zertrümmern brauchen. Das machen manche Privatmenschen genau
so gut, die sich darum noch gar nicht einreden, mit irgend etwas gebrochen zu
haben, als höchstens mit der Gewohnheit, alles drücke» zu lassen, was sie in
stimmungsvollen Augenblicken niederschreiben. Sie lesens ihrer Frau oder ihren
Kindern vor (wozu sich der Pan freilich nicht durchweg eignen würde), kommen
dann aber auch später nicht in die Lage, verkannt zu werden oder Bleistifte ver¬
kaufen zu müssen.

Die alte Redaktion hat wohl auch noch die Heliogravüre nach einem Bilde
Nietzsches vor das dritte Heft gesetzt. Das Original scheint kein Kunstwerk zu
sein, und der Gegenstand ist zum Anblicken mehr als unerfreulich. Als unser
Freund K. Lauge von dem Nietzschekultus, wie von einer abgeschlossenen ' Er¬
scheinung sprach, konnte er noch nichts wissen von dieser vorläufig „im Stillen
wirkenden philosophischen Konzeutrirung des Einzelnen." Das Weitere werden
wir noch zu erleben haben.

Für den künstlerischen und kunstgeschichtlichen Teil der Zeitschrift giebt Licht-
wark in einem Artikel des dritten Heftes: „Die Entwicklung des-Pan" das neue
Programm der Aufgaben. Man hat bisher zu viel von ausländischer Kunst ge¬
bracht und dabei doch nicht immer das beste ausgewählt. Fortan soll mehr die
deutsche Kunst berücksichtigt werden und nach ihren Mittelpunkten: Berlin, München,
Dresden und Hamburg in einzelnen Heften zum Ausdruck kommen. - Außerdem aber
sollen geschichtliche Fragen ihre Beantwortung finden, z. B. welches die entscheidenden
Kräfte in der Kunst unsers nun zu Ende gehenden Jahrhunderts gewesen
sind, weil darüber das Publikum ganz unrichtige Vorstellungen hat. Es soll über¬
haupt besondrer Nachdruck darauf gelegt werden, daß unsre Gebildeten vertraut
werden mit dem, was in unsrer ältern deutschen Kunst noch wirklich brauchbar,
lebendig, national wertvoll ist, was nützlich sei» kann, um das Gefühl der nationalen
Zusammengehörigkeit, der Kulturgemeinschaft zu fördern.

Diesem Programm stimmen wir von Herzen zu. Es giebt noch viele
Menschen in Deutschland, die sich nicht als bloße Kunstgelehrte, denen alles gleich
interessant ist, mit der Kunst vergangner Zeit beschäftigen, souderu weil sie darau
die Gegenwart messen und verstehen lernen wollen. Solche können, weil sie zu
unterscheiden wissen, schon in der Unterhaltung durch feinere geistige Auswahl die
Gegenwart aus der Vergangenheit bereichern. Wie viel mehr kann eine Zeitschrift,
an deren Spitze Männer stehen, hervorragend in amtlicher Stellung, durch künst¬
lerische oder wissenschaftliche Leistungen oder auch durch eigne Wertschätzung, diese
schöne Aufgabe im großen ans sich nehmen und mit Glück durchführen! Ein rich¬
tiges Verstehen der frühem Kunst, was freilich nicht jedermanns Sache ist, giebt
den besten Maßstab für die werdende und kann sie, was auch die Künstler dagegen
sagen mögen, vor manchen Jrrgängen bewahren. Es hat auch unsern gauzeu Beifall,
wenn Lichtwark den Zusammenhang der hohen Kunst mit dem Handwerk in den
Vordergrund stellt, und demnach der Pan mit einem großen Teil seiner Beiträge
auch in den Dienst des Kunstgewerbes treten wird. Denn das giebt am ehesten
greifbare Aufgaben nud Interessen, in denen sich viele Menschen zusammenfinden
können, und dadurch wird eine Zeitschrift um kein Haar breit weniger vornehm.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/336>, abgerufen am 26.11.2024.