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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Die Alten und die Jungen

seine wissenschaftlichen Theorien, wenigstens aus die volkswirtschaftlichen und
politischen, einwirken. Meyer hat seine öffentliche Wirksamkeit als konservativer
Politiker, das bedeutet in Altpreußen als Vertreter des ländlichen Grund¬
besitzes angefangen, und er ist zeitlebens dabei geblieben, den wirtschaftlichen
Prozeß vom Grundeigentum aus zu erklären. "Der Überschuß der auf dem
Lande produzirten Lebensmittel über den Bedarf der Landwirte ist die erste
Quelle der Kapitalbildung," lesen wir auf Seite 324, und Seite 438: "Wir
haben uns bemüht, den Beweis zu liefern, daß die Grundrente im modernen
Kapitalismus dem Zins und Profit voranging, der Kapitalismus sich auf länd¬
lichen Latifundien entwickelte und zur Latifundienherrschaft führte." Proudhon
dagegen, der von Haus aus Kaufmann war, hat die ganze Volkswirtschaft nie
anders als vom Standpunkte des Kaufmanns anzusehen vermocht und sich
eingebildet, durch eine Reform des Tauschgeschäfts, die den Zins vernichten
sollte, alle Übel der Gesellschaft heilen zu können; den Zins aber läßt er aus
dem Bodmereivertrage entspringen. So liest man auf Seite 113 der deutscheu
Übersetzung seiner Polemik mit Bastiat, die Dr. Arthur Mülberger unter dem
Titel: Kapital und Zins (bei Gustav Fischer in Jena, 1896) mit einer
Einleitung herausgegeben hat. Zwar vermögen wir diesem Briefwechsel nicht
die ungeheure Bedeutung beizumessen, die ihm der Herausgeber zuschreibt, aber
das Verständnis des Gegenstandes wird dadurch immerhin gefördert,

(Schluß folgt)




Die Alten und die Jungen
Lin Beitrag zur deutschen Litteraturgeschichte der Gegenwart
Adolf Barrels von (Forlsepung)
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an hat, soviel ich weiß, noch nie versucht, die politischen und
litterarischen Blütezeiten genauer auf ihre Dauer zu bestimmen,
es ist auch nicht so leicht, da die Dinge in stetem Fluß sind,
und man leider nicht, was das bequemste wäre, das Leben und
Schaffen eines großen Mannes in seiner Gesamtheit in eine
solche Blütezeit hineinziehen kann, vielmehr gewöhnlich nur die eine Periode
seines Lebens, in der er wirklich von seiner Zeit getragen wurde und von
mehr oder weniger glücklichen Genossen umgeben war, die gleich ihm das


Die Alten und die Jungen

seine wissenschaftlichen Theorien, wenigstens aus die volkswirtschaftlichen und
politischen, einwirken. Meyer hat seine öffentliche Wirksamkeit als konservativer
Politiker, das bedeutet in Altpreußen als Vertreter des ländlichen Grund¬
besitzes angefangen, und er ist zeitlebens dabei geblieben, den wirtschaftlichen
Prozeß vom Grundeigentum aus zu erklären. „Der Überschuß der auf dem
Lande produzirten Lebensmittel über den Bedarf der Landwirte ist die erste
Quelle der Kapitalbildung," lesen wir auf Seite 324, und Seite 438: „Wir
haben uns bemüht, den Beweis zu liefern, daß die Grundrente im modernen
Kapitalismus dem Zins und Profit voranging, der Kapitalismus sich auf länd¬
lichen Latifundien entwickelte und zur Latifundienherrschaft führte." Proudhon
dagegen, der von Haus aus Kaufmann war, hat die ganze Volkswirtschaft nie
anders als vom Standpunkte des Kaufmanns anzusehen vermocht und sich
eingebildet, durch eine Reform des Tauschgeschäfts, die den Zins vernichten
sollte, alle Übel der Gesellschaft heilen zu können; den Zins aber läßt er aus
dem Bodmereivertrage entspringen. So liest man auf Seite 113 der deutscheu
Übersetzung seiner Polemik mit Bastiat, die Dr. Arthur Mülberger unter dem
Titel: Kapital und Zins (bei Gustav Fischer in Jena, 1896) mit einer
Einleitung herausgegeben hat. Zwar vermögen wir diesem Briefwechsel nicht
die ungeheure Bedeutung beizumessen, die ihm der Herausgeber zuschreibt, aber
das Verständnis des Gegenstandes wird dadurch immerhin gefördert,

(Schluß folgt)




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Lin Beitrag zur deutschen Litteraturgeschichte der Gegenwart
Adolf Barrels von (Forlsepung)
5

an hat, soviel ich weiß, noch nie versucht, die politischen und
litterarischen Blütezeiten genauer auf ihre Dauer zu bestimmen,
es ist auch nicht so leicht, da die Dinge in stetem Fluß sind,
und man leider nicht, was das bequemste wäre, das Leben und
Schaffen eines großen Mannes in seiner Gesamtheit in eine
solche Blütezeit hineinziehen kann, vielmehr gewöhnlich nur die eine Periode
seines Lebens, in der er wirklich von seiner Zeit getragen wurde und von
mehr oder weniger glücklichen Genossen umgeben war, die gleich ihm das


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[0320] Die Alten und die Jungen seine wissenschaftlichen Theorien, wenigstens aus die volkswirtschaftlichen und politischen, einwirken. Meyer hat seine öffentliche Wirksamkeit als konservativer Politiker, das bedeutet in Altpreußen als Vertreter des ländlichen Grund¬ besitzes angefangen, und er ist zeitlebens dabei geblieben, den wirtschaftlichen Prozeß vom Grundeigentum aus zu erklären. „Der Überschuß der auf dem Lande produzirten Lebensmittel über den Bedarf der Landwirte ist die erste Quelle der Kapitalbildung," lesen wir auf Seite 324, und Seite 438: „Wir haben uns bemüht, den Beweis zu liefern, daß die Grundrente im modernen Kapitalismus dem Zins und Profit voranging, der Kapitalismus sich auf länd¬ lichen Latifundien entwickelte und zur Latifundienherrschaft führte." Proudhon dagegen, der von Haus aus Kaufmann war, hat die ganze Volkswirtschaft nie anders als vom Standpunkte des Kaufmanns anzusehen vermocht und sich eingebildet, durch eine Reform des Tauschgeschäfts, die den Zins vernichten sollte, alle Übel der Gesellschaft heilen zu können; den Zins aber läßt er aus dem Bodmereivertrage entspringen. So liest man auf Seite 113 der deutscheu Übersetzung seiner Polemik mit Bastiat, die Dr. Arthur Mülberger unter dem Titel: Kapital und Zins (bei Gustav Fischer in Jena, 1896) mit einer Einleitung herausgegeben hat. Zwar vermögen wir diesem Briefwechsel nicht die ungeheure Bedeutung beizumessen, die ihm der Herausgeber zuschreibt, aber das Verständnis des Gegenstandes wird dadurch immerhin gefördert, (Schluß folgt) Die Alten und die Jungen Lin Beitrag zur deutschen Litteraturgeschichte der Gegenwart Adolf Barrels von (Forlsepung) 5 an hat, soviel ich weiß, noch nie versucht, die politischen und litterarischen Blütezeiten genauer auf ihre Dauer zu bestimmen, es ist auch nicht so leicht, da die Dinge in stetem Fluß sind, und man leider nicht, was das bequemste wäre, das Leben und Schaffen eines großen Mannes in seiner Gesamtheit in eine solche Blütezeit hineinziehen kann, vielmehr gewöhnlich nur die eine Periode seines Lebens, in der er wirklich von seiner Zeit getragen wurde und von mehr oder weniger glücklichen Genossen umgeben war, die gleich ihm das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/320>, abgerufen am 01.09.2024.