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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Lin unbequemer Konservativer

reizt, Bauergüter zusammenzukaufen, und indem die Bauern, die mit der
steigenden Konjunktur zu unvorsichtig rechnen, teils durch gesteigerten Aufwands
teils durch Übernahme der Güter zu übermäßig hohem Preise mit ungenügenden
Mitteln, teils durch Rückschläge der Konjunktur zu Grunde gehen. Man weiß,
wie diese Umstände in den mitteldeutschen Rübengegenden gewirkt haben; dort,
in der Gegend der glänzenden Ertrüge, nicht in weniger fruchtbaren Gegenden,
wo die Bauern schlecht und recht nach der Väter Sitte fortwirtschaftcn, ver¬
mindert sich die Zahl der bäuerlichen Besitzungen.*) Die Rückschläge der Kon¬
junktur aber, das ist die andre Wirkung, treffen auch die größern Grund¬
besitzer. Sobald rein kapitalistisch gewirtschaftet wird, sobald jede Erhöhung
des Neingewinns, nach dem jedesmal herrschenden Zinsfuß kapitalistrt, dem
Gutswert zugeschlagen und darnach die Veleihbarkeit und der Kaufpreis be-
messen wird, verwandelt sich die Gutswirtschaft in ein Kaufmannsgeschäft, das
noch weit mehr von wechselnden Konjunkturen abhängt als ein gewöhnliches
Kaufmannsgeschäft, weil keine Warenart so große Preisschwankungen erleidet
wie die landwirtschaftlichen Produkte. Und das trifft die Güter in um so
stürkerm Maße, je größer sie sind und je mehr die Arbeiter mit Geld statt
mit Naturalien gelohnt werden, einen desto kleinern Teil des Ertrags also die
in der eignen Wirtschaft verbrauchten Erzeugnisse bilden, für die die Preis¬
schwankungen gleichgiltig sind. Da nun eine stetige Preissteigerung ebenso
unmöglich ist wie das Beharren auf einem gewissen Hochstande, so steht es
von vornherein fest, daß auf jede Zeit steigender Preise ein Preisfall folgen
wird, der bei kapitalistischer Bewirtschaftung einen Güterkrach zur Folge haben
muß, von dem die größern Güter in weiteren Umfange getroffen werden als
die kleinern. Wer aber nun einmal Kaufmann fein will, der muß auch das
kaufmännische Risiko übernehmen und sich, nachdem er den Gewinn der guten
Konjunktur eingestrichen hat, den Verlust der schlechten gefallen lassen; er hat
kein Recht zu fordern, daß der Staat diesen Verlusten auf Kosten der andern
Erwerbsklassen vorbeugen oder sie decken solle. Wollen sich die Gutsbesitzer
solche" Gefahren nicht aussetzen, so müssen sie auf die kapitalistische Betriebsart
und auf Geldgewinn verzichten, Naturalwirtschaft treiben und eine Ordnung
einführen, bei der der Hof unverschuldet vom Vater auf den Sohn übergeht.
"Solange das Schuldenmachen beim Güterkauf erlaubt ist, bleibe man mit
Neformvvrschlägen ruhig zu Hause," sagt Meyer Seite 354. Er weist außerdem
auch noch die Nichtigkeit des Versprechens der Agrarier nach, bei rentirenden
Preisen dafür sorgen zu wollen, daß Deutschland keine Getreideeinfuhr mehr
nötig habe. Er vermag für seine Ansicht einen klassischen Zeugen anzuführen,



*) Auch nuf England meist Meyer hin, wo die Bauern desto rascher zu Grunde gegangen
seien, je höher die Kornpreise stiegen; er nimmt an, daß unsre Agrarier die englische Agrar-
geschichtc gar nicht kennen, weil man ja sonst sagen müßte, das; sie die Bauern mit Bewußtsein
belogen.
Lin unbequemer Konservativer

reizt, Bauergüter zusammenzukaufen, und indem die Bauern, die mit der
steigenden Konjunktur zu unvorsichtig rechnen, teils durch gesteigerten Aufwands
teils durch Übernahme der Güter zu übermäßig hohem Preise mit ungenügenden
Mitteln, teils durch Rückschläge der Konjunktur zu Grunde gehen. Man weiß,
wie diese Umstände in den mitteldeutschen Rübengegenden gewirkt haben; dort,
in der Gegend der glänzenden Ertrüge, nicht in weniger fruchtbaren Gegenden,
wo die Bauern schlecht und recht nach der Väter Sitte fortwirtschaftcn, ver¬
mindert sich die Zahl der bäuerlichen Besitzungen.*) Die Rückschläge der Kon¬
junktur aber, das ist die andre Wirkung, treffen auch die größern Grund¬
besitzer. Sobald rein kapitalistisch gewirtschaftet wird, sobald jede Erhöhung
des Neingewinns, nach dem jedesmal herrschenden Zinsfuß kapitalistrt, dem
Gutswert zugeschlagen und darnach die Veleihbarkeit und der Kaufpreis be-
messen wird, verwandelt sich die Gutswirtschaft in ein Kaufmannsgeschäft, das
noch weit mehr von wechselnden Konjunkturen abhängt als ein gewöhnliches
Kaufmannsgeschäft, weil keine Warenart so große Preisschwankungen erleidet
wie die landwirtschaftlichen Produkte. Und das trifft die Güter in um so
stürkerm Maße, je größer sie sind und je mehr die Arbeiter mit Geld statt
mit Naturalien gelohnt werden, einen desto kleinern Teil des Ertrags also die
in der eignen Wirtschaft verbrauchten Erzeugnisse bilden, für die die Preis¬
schwankungen gleichgiltig sind. Da nun eine stetige Preissteigerung ebenso
unmöglich ist wie das Beharren auf einem gewissen Hochstande, so steht es
von vornherein fest, daß auf jede Zeit steigender Preise ein Preisfall folgen
wird, der bei kapitalistischer Bewirtschaftung einen Güterkrach zur Folge haben
muß, von dem die größern Güter in weiteren Umfange getroffen werden als
die kleinern. Wer aber nun einmal Kaufmann fein will, der muß auch das
kaufmännische Risiko übernehmen und sich, nachdem er den Gewinn der guten
Konjunktur eingestrichen hat, den Verlust der schlechten gefallen lassen; er hat
kein Recht zu fordern, daß der Staat diesen Verlusten auf Kosten der andern
Erwerbsklassen vorbeugen oder sie decken solle. Wollen sich die Gutsbesitzer
solche» Gefahren nicht aussetzen, so müssen sie auf die kapitalistische Betriebsart
und auf Geldgewinn verzichten, Naturalwirtschaft treiben und eine Ordnung
einführen, bei der der Hof unverschuldet vom Vater auf den Sohn übergeht.
„Solange das Schuldenmachen beim Güterkauf erlaubt ist, bleibe man mit
Neformvvrschlägen ruhig zu Hause," sagt Meyer Seite 354. Er weist außerdem
auch noch die Nichtigkeit des Versprechens der Agrarier nach, bei rentirenden
Preisen dafür sorgen zu wollen, daß Deutschland keine Getreideeinfuhr mehr
nötig habe. Er vermag für seine Ansicht einen klassischen Zeugen anzuführen,



*) Auch nuf England meist Meyer hin, wo die Bauern desto rascher zu Grunde gegangen
seien, je höher die Kornpreise stiegen; er nimmt an, daß unsre Agrarier die englische Agrar-
geschichtc gar nicht kennen, weil man ja sonst sagen müßte, das; sie die Bauern mit Bewußtsein
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[0315] Lin unbequemer Konservativer reizt, Bauergüter zusammenzukaufen, und indem die Bauern, die mit der steigenden Konjunktur zu unvorsichtig rechnen, teils durch gesteigerten Aufwands teils durch Übernahme der Güter zu übermäßig hohem Preise mit ungenügenden Mitteln, teils durch Rückschläge der Konjunktur zu Grunde gehen. Man weiß, wie diese Umstände in den mitteldeutschen Rübengegenden gewirkt haben; dort, in der Gegend der glänzenden Ertrüge, nicht in weniger fruchtbaren Gegenden, wo die Bauern schlecht und recht nach der Väter Sitte fortwirtschaftcn, ver¬ mindert sich die Zahl der bäuerlichen Besitzungen.*) Die Rückschläge der Kon¬ junktur aber, das ist die andre Wirkung, treffen auch die größern Grund¬ besitzer. Sobald rein kapitalistisch gewirtschaftet wird, sobald jede Erhöhung des Neingewinns, nach dem jedesmal herrschenden Zinsfuß kapitalistrt, dem Gutswert zugeschlagen und darnach die Veleihbarkeit und der Kaufpreis be- messen wird, verwandelt sich die Gutswirtschaft in ein Kaufmannsgeschäft, das noch weit mehr von wechselnden Konjunkturen abhängt als ein gewöhnliches Kaufmannsgeschäft, weil keine Warenart so große Preisschwankungen erleidet wie die landwirtschaftlichen Produkte. Und das trifft die Güter in um so stürkerm Maße, je größer sie sind und je mehr die Arbeiter mit Geld statt mit Naturalien gelohnt werden, einen desto kleinern Teil des Ertrags also die in der eignen Wirtschaft verbrauchten Erzeugnisse bilden, für die die Preis¬ schwankungen gleichgiltig sind. Da nun eine stetige Preissteigerung ebenso unmöglich ist wie das Beharren auf einem gewissen Hochstande, so steht es von vornherein fest, daß auf jede Zeit steigender Preise ein Preisfall folgen wird, der bei kapitalistischer Bewirtschaftung einen Güterkrach zur Folge haben muß, von dem die größern Güter in weiteren Umfange getroffen werden als die kleinern. Wer aber nun einmal Kaufmann fein will, der muß auch das kaufmännische Risiko übernehmen und sich, nachdem er den Gewinn der guten Konjunktur eingestrichen hat, den Verlust der schlechten gefallen lassen; er hat kein Recht zu fordern, daß der Staat diesen Verlusten auf Kosten der andern Erwerbsklassen vorbeugen oder sie decken solle. Wollen sich die Gutsbesitzer solche» Gefahren nicht aussetzen, so müssen sie auf die kapitalistische Betriebsart und auf Geldgewinn verzichten, Naturalwirtschaft treiben und eine Ordnung einführen, bei der der Hof unverschuldet vom Vater auf den Sohn übergeht. „Solange das Schuldenmachen beim Güterkauf erlaubt ist, bleibe man mit Neformvvrschlägen ruhig zu Hause," sagt Meyer Seite 354. Er weist außerdem auch noch die Nichtigkeit des Versprechens der Agrarier nach, bei rentirenden Preisen dafür sorgen zu wollen, daß Deutschland keine Getreideeinfuhr mehr nötig habe. Er vermag für seine Ansicht einen klassischen Zeugen anzuführen, *) Auch nuf England meist Meyer hin, wo die Bauern desto rascher zu Grunde gegangen seien, je höher die Kornpreise stiegen; er nimmt an, daß unsre Agrarier die englische Agrar- geschichtc gar nicht kennen, weil man ja sonst sagen müßte, das; sie die Bauern mit Bewußtsein belogen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/315>, abgerufen am 01.09.2024.