Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Friedrich der Große und der Ursprung des siebenjährigen Krieges

überall entgegenarbeitete, und einem Angriff Schwedens auf Rußland gelassen
zuschaute, trat die russische Kciiseriu Elisabeth aus Besorgnis, daß der ehr¬
geizige und unersättliche König jetzt die Absichten seiner Vorfahren auf Kur¬
land und das polnische Preußen verwirklichen werde, auf Österreichs Seite
und erbot sich, alsbald 30000 Mann gegen Preußen mobil zu machen und
die Waffen nicht eher niederzulegen, "bis sie das Königreich Preußen, Maria
Theresia Schlesien und Glatz erobert habe."

Merkwürdigerweise zeigte aber Kaunitz keine Eile, den angetragnen Bündnis¬
vertrag zu verwirklichen, sondern er erließ an den Gesandten Grafen Esterhazy
unterm 22. Mai 1756 eine Note mit der Anweisung, die russischen Rüstungen
zu hintertreiben. Das halbbarbarische Land mit einem wollüstigen, eiteln,
trügen, unfähigen Weibe an der Spitze, mit seinen ewigen Palastrevolutionen,
mit seinem liederlichen, bestechlichen Beamtentum -- stand doch sogar der Gro߬
kanzler Bestuscheff im englischen Solde --, seinen schwachen finanziellen Hilfs¬
kräften, dem schwerfälligen Mechanismus seiner Armee schien dem gewiegten
Staatsmanne nicht ausreichend, mit seiner Hilfe allein den Kampf gegen
Preußen erfolgreich zu bestehen. Erst im Bunde mit einer dritten Macht,
mit Frankreich, glaubte er des Erfolges sicher zu sein.

Frankreich hatte in dem damaligen europäischen Völkerkonzert unbedingt
eine einflußreiche, wenn nicht die tonangebende Stellung. Der französische
Diplomat und der französische Kaufmann hatten im osmanischen Reiche die
führende Rolle. "In Italien hielten die Bourbonen dem Hause Habsburg-
Lothringen mit Erfolg das Gegengewicht." Schweden war den Franzosen ver¬
pflichtet; in Polen stand die Wahl eines französischen Prinzen zum Könige
bevor, und in Deutschland "hatten sich religiöser wie politischer Protestantismus
Nur behauptet mit Frankreichs Hilfe." Friedrich selbst glaubte mit Frankreich
unlösbar verbunden zu sein; nannte er doch Elsaß-Lothringen und Schlesien
zwei Schwestern, von denen die eine den König von Preußen, die andre den
König von Frankreich geheiratet habe; bezeichnete er doch geradezu den Rhein
als die natürliche Grenze Frankreichs. Zu alledem kam noch, daß Österreich
durch die Besitzergreifung Belgiens, Mailands, Ungarns die französische Eifer¬
sucht erregt hatte. Bei dieser Lage der Dinge schien alles andre eher möglich
zu sein, als ein Zusammengehen Frankreichs mit seinem alten Widersacher.
U"d in der That wurden auch die ersten Annäherungsversuche Österreichs
abgelehnt.

Aber bald wurde der französische Hof durch die unzweideutige Hinneigung
Friedrichs zu England, den Nebenbuhler Frankreichs zur See, umgestimmt.
Durch die Konvention von Westminster (16. Januar 1756) verlegte der König
den Franzosen den Zuzug zu der verwundbarsten Stelle des englischen Reichs,
den hannoverschen Landen, während England auf den Beistand der Russen
verzichtete. Darüber erzürnt, schloß der französische Hof mit Österreich den


Friedrich der Große und der Ursprung des siebenjährigen Krieges

überall entgegenarbeitete, und einem Angriff Schwedens auf Rußland gelassen
zuschaute, trat die russische Kciiseriu Elisabeth aus Besorgnis, daß der ehr¬
geizige und unersättliche König jetzt die Absichten seiner Vorfahren auf Kur¬
land und das polnische Preußen verwirklichen werde, auf Österreichs Seite
und erbot sich, alsbald 30000 Mann gegen Preußen mobil zu machen und
die Waffen nicht eher niederzulegen, „bis sie das Königreich Preußen, Maria
Theresia Schlesien und Glatz erobert habe."

Merkwürdigerweise zeigte aber Kaunitz keine Eile, den angetragnen Bündnis¬
vertrag zu verwirklichen, sondern er erließ an den Gesandten Grafen Esterhazy
unterm 22. Mai 1756 eine Note mit der Anweisung, die russischen Rüstungen
zu hintertreiben. Das halbbarbarische Land mit einem wollüstigen, eiteln,
trügen, unfähigen Weibe an der Spitze, mit seinen ewigen Palastrevolutionen,
mit seinem liederlichen, bestechlichen Beamtentum — stand doch sogar der Gro߬
kanzler Bestuscheff im englischen Solde —, seinen schwachen finanziellen Hilfs¬
kräften, dem schwerfälligen Mechanismus seiner Armee schien dem gewiegten
Staatsmanne nicht ausreichend, mit seiner Hilfe allein den Kampf gegen
Preußen erfolgreich zu bestehen. Erst im Bunde mit einer dritten Macht,
mit Frankreich, glaubte er des Erfolges sicher zu sein.

Frankreich hatte in dem damaligen europäischen Völkerkonzert unbedingt
eine einflußreiche, wenn nicht die tonangebende Stellung. Der französische
Diplomat und der französische Kaufmann hatten im osmanischen Reiche die
führende Rolle. „In Italien hielten die Bourbonen dem Hause Habsburg-
Lothringen mit Erfolg das Gegengewicht." Schweden war den Franzosen ver¬
pflichtet; in Polen stand die Wahl eines französischen Prinzen zum Könige
bevor, und in Deutschland „hatten sich religiöser wie politischer Protestantismus
Nur behauptet mit Frankreichs Hilfe." Friedrich selbst glaubte mit Frankreich
unlösbar verbunden zu sein; nannte er doch Elsaß-Lothringen und Schlesien
zwei Schwestern, von denen die eine den König von Preußen, die andre den
König von Frankreich geheiratet habe; bezeichnete er doch geradezu den Rhein
als die natürliche Grenze Frankreichs. Zu alledem kam noch, daß Österreich
durch die Besitzergreifung Belgiens, Mailands, Ungarns die französische Eifer¬
sucht erregt hatte. Bei dieser Lage der Dinge schien alles andre eher möglich
zu sein, als ein Zusammengehen Frankreichs mit seinem alten Widersacher.
U»d in der That wurden auch die ersten Annäherungsversuche Österreichs
abgelehnt.

Aber bald wurde der französische Hof durch die unzweideutige Hinneigung
Friedrichs zu England, den Nebenbuhler Frankreichs zur See, umgestimmt.
Durch die Konvention von Westminster (16. Januar 1756) verlegte der König
den Franzosen den Zuzug zu der verwundbarsten Stelle des englischen Reichs,
den hannoverschen Landen, während England auf den Beistand der Russen
verzichtete. Darüber erzürnt, schloß der französische Hof mit Österreich den


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0031" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/222973"/>
          <fw type="header" place="top"> Friedrich der Große und der Ursprung des siebenjährigen Krieges</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_61" prev="#ID_60"> überall entgegenarbeitete, und einem Angriff Schwedens auf Rußland gelassen<lb/>
zuschaute, trat die russische Kciiseriu Elisabeth aus Besorgnis, daß der ehr¬<lb/>
geizige und unersättliche König jetzt die Absichten seiner Vorfahren auf Kur¬<lb/>
land und das polnische Preußen verwirklichen werde, auf Österreichs Seite<lb/>
und erbot sich, alsbald 30000 Mann gegen Preußen mobil zu machen und<lb/>
die Waffen nicht eher niederzulegen, &#x201E;bis sie das Königreich Preußen, Maria<lb/>
Theresia Schlesien und Glatz erobert habe."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_62"> Merkwürdigerweise zeigte aber Kaunitz keine Eile, den angetragnen Bündnis¬<lb/>
vertrag zu verwirklichen, sondern er erließ an den Gesandten Grafen Esterhazy<lb/>
unterm 22. Mai 1756 eine Note mit der Anweisung, die russischen Rüstungen<lb/>
zu hintertreiben. Das halbbarbarische Land mit einem wollüstigen, eiteln,<lb/>
trügen, unfähigen Weibe an der Spitze, mit seinen ewigen Palastrevolutionen,<lb/>
mit seinem liederlichen, bestechlichen Beamtentum &#x2014; stand doch sogar der Gro߬<lb/>
kanzler Bestuscheff im englischen Solde &#x2014;, seinen schwachen finanziellen Hilfs¬<lb/>
kräften, dem schwerfälligen Mechanismus seiner Armee schien dem gewiegten<lb/>
Staatsmanne nicht ausreichend, mit seiner Hilfe allein den Kampf gegen<lb/>
Preußen erfolgreich zu bestehen. Erst im Bunde mit einer dritten Macht,<lb/>
mit Frankreich, glaubte er des Erfolges sicher zu sein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_63"> Frankreich hatte in dem damaligen europäischen Völkerkonzert unbedingt<lb/>
eine einflußreiche, wenn nicht die tonangebende Stellung. Der französische<lb/>
Diplomat und der französische Kaufmann hatten im osmanischen Reiche die<lb/>
führende Rolle. &#x201E;In Italien hielten die Bourbonen dem Hause Habsburg-<lb/>
Lothringen mit Erfolg das Gegengewicht." Schweden war den Franzosen ver¬<lb/>
pflichtet; in Polen stand die Wahl eines französischen Prinzen zum Könige<lb/>
bevor, und in Deutschland &#x201E;hatten sich religiöser wie politischer Protestantismus<lb/>
Nur behauptet mit Frankreichs Hilfe." Friedrich selbst glaubte mit Frankreich<lb/>
unlösbar verbunden zu sein; nannte er doch Elsaß-Lothringen und Schlesien<lb/>
zwei Schwestern, von denen die eine den König von Preußen, die andre den<lb/>
König von Frankreich geheiratet habe; bezeichnete er doch geradezu den Rhein<lb/>
als die natürliche Grenze Frankreichs. Zu alledem kam noch, daß Österreich<lb/>
durch die Besitzergreifung Belgiens, Mailands, Ungarns die französische Eifer¬<lb/>
sucht erregt hatte. Bei dieser Lage der Dinge schien alles andre eher möglich<lb/>
zu sein, als ein Zusammengehen Frankreichs mit seinem alten Widersacher.<lb/>
U»d in der That wurden auch die ersten Annäherungsversuche Österreichs<lb/>
abgelehnt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_64" next="#ID_65"> Aber bald wurde der französische Hof durch die unzweideutige Hinneigung<lb/>
Friedrichs zu England, den Nebenbuhler Frankreichs zur See, umgestimmt.<lb/>
Durch die Konvention von Westminster (16. Januar 1756) verlegte der König<lb/>
den Franzosen den Zuzug zu der verwundbarsten Stelle des englischen Reichs,<lb/>
den hannoverschen Landen, während England auf den Beistand der Russen<lb/>
verzichtete.  Darüber erzürnt, schloß der französische Hof mit Österreich den</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0031] Friedrich der Große und der Ursprung des siebenjährigen Krieges überall entgegenarbeitete, und einem Angriff Schwedens auf Rußland gelassen zuschaute, trat die russische Kciiseriu Elisabeth aus Besorgnis, daß der ehr¬ geizige und unersättliche König jetzt die Absichten seiner Vorfahren auf Kur¬ land und das polnische Preußen verwirklichen werde, auf Österreichs Seite und erbot sich, alsbald 30000 Mann gegen Preußen mobil zu machen und die Waffen nicht eher niederzulegen, „bis sie das Königreich Preußen, Maria Theresia Schlesien und Glatz erobert habe." Merkwürdigerweise zeigte aber Kaunitz keine Eile, den angetragnen Bündnis¬ vertrag zu verwirklichen, sondern er erließ an den Gesandten Grafen Esterhazy unterm 22. Mai 1756 eine Note mit der Anweisung, die russischen Rüstungen zu hintertreiben. Das halbbarbarische Land mit einem wollüstigen, eiteln, trügen, unfähigen Weibe an der Spitze, mit seinen ewigen Palastrevolutionen, mit seinem liederlichen, bestechlichen Beamtentum — stand doch sogar der Gro߬ kanzler Bestuscheff im englischen Solde —, seinen schwachen finanziellen Hilfs¬ kräften, dem schwerfälligen Mechanismus seiner Armee schien dem gewiegten Staatsmanne nicht ausreichend, mit seiner Hilfe allein den Kampf gegen Preußen erfolgreich zu bestehen. Erst im Bunde mit einer dritten Macht, mit Frankreich, glaubte er des Erfolges sicher zu sein. Frankreich hatte in dem damaligen europäischen Völkerkonzert unbedingt eine einflußreiche, wenn nicht die tonangebende Stellung. Der französische Diplomat und der französische Kaufmann hatten im osmanischen Reiche die führende Rolle. „In Italien hielten die Bourbonen dem Hause Habsburg- Lothringen mit Erfolg das Gegengewicht." Schweden war den Franzosen ver¬ pflichtet; in Polen stand die Wahl eines französischen Prinzen zum Könige bevor, und in Deutschland „hatten sich religiöser wie politischer Protestantismus Nur behauptet mit Frankreichs Hilfe." Friedrich selbst glaubte mit Frankreich unlösbar verbunden zu sein; nannte er doch Elsaß-Lothringen und Schlesien zwei Schwestern, von denen die eine den König von Preußen, die andre den König von Frankreich geheiratet habe; bezeichnete er doch geradezu den Rhein als die natürliche Grenze Frankreichs. Zu alledem kam noch, daß Österreich durch die Besitzergreifung Belgiens, Mailands, Ungarns die französische Eifer¬ sucht erregt hatte. Bei dieser Lage der Dinge schien alles andre eher möglich zu sein, als ein Zusammengehen Frankreichs mit seinem alten Widersacher. U»d in der That wurden auch die ersten Annäherungsversuche Österreichs abgelehnt. Aber bald wurde der französische Hof durch die unzweideutige Hinneigung Friedrichs zu England, den Nebenbuhler Frankreichs zur See, umgestimmt. Durch die Konvention von Westminster (16. Januar 1756) verlegte der König den Franzosen den Zuzug zu der verwundbarsten Stelle des englischen Reichs, den hannoverschen Landen, während England auf den Beistand der Russen verzichtete. Darüber erzürnt, schloß der französische Hof mit Österreich den

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/31
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/31>, abgerufen am 01.09.2024.