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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Die INonopoliflrung des Bankwesens

undsechzig auf achtzig Millionen Mark erhöht und sagt in ihrem Geschäfts¬
bericht: "Auch das in der neuern Gesetzgebung zu Tage tretende Bestreben nach
einer Einschränkung der Beweglichkeit des Bankverkehrs wird unvermeidlich
die Inanspruchnahme größerer Mittel zur Folge haben." Aber auch uoch
andre Banken haben in neuerer Zeit ihr Aktienkapital erhöht, u. a. die Dis¬
kontogesellschaft, die Nationalbank für Deutschland, die Leipziger Bank, die
Bergisch-Märkische Bank. Die großen Bankinstitute in Berlin verfügen allein
zur Zeit über ein eignes Vermögen im Bilanzwerte von 760 bis 770 Millio¬
nen Mark. Es ist klar, daß eine Kapitalmacht, in so wenigen Händen konzen-
trirt, schon einer ziemlich robusten Gesetzgebung Widerstand leisten kann.

Welche Wirkung aber eine solche weitere Kouzcutrirung des Bankwesens
in Deutschland zur Folge haben würde, dafür bietet bereits die Vergangenheit
gewisse Anhaltepunkte und zwar in den Vorgängen, die die Vörsengesetz-
gcbnng überhaupt in Fluß gebracht haben. Als seiner Zeit bei den Privat¬
bankiers die Depotunterschlagungen von sich reden machten, machte das Pu¬
blikum eine förmliche Schwenkung, indem es mit seinen Anlagen in die Wechsel¬
stuben der Banken flüchtete, die damals wie die Pilze aus der Erde schössen.
Mit dieser Schwenkung kam, gelinde gesagt, das Publikum aus dem Regen
in die Traufe, denn während die Privatkapitalisten durch jene Veruntreuungen
vereinzelt um ihr Geld kamen, wurden sie in den Banken von Argentinien.
Portugal und Griechenland gleich summarisch übers Ohr gehalten. Die Ver¬
luste, die das Publikum durch die Depotunterschlagungen erlitt, können nicht
annähernd verglichen werden mit den Einbußen, die ihm durch die Erwerbung
der "exotischen" Werte entstanden sind.

Die Entwicklung des Bankwesens in Deutschland bewegt sich in dem
Fahrwasser der allgemeinen wirtschaftspolitischen Strömung im deutschen Reiche,
die darauf hinausläuft, die Extreme auf Kosten der "mittlern" Kräfte zu
stärken. Diese Entwickelung wird durch das neue Gesetz in einer Weise ge¬
fördert, die seinen Schöpfern gänzlich unbekannt ist. Es ist eine bittre Ironie,
daß die schlimmsten Widersacher der Börse mit diesem Gesetze dem -- Gro߬
kapital ein Geschenk machen, das der Mittelstand, in diesem Falle der
Mittelstand der Bankwelt, teilweise mit seiner Existenz bezahlen muß. Hat
diese Entwicklung erst einmal zur Vernichtung der Kleinen und zur Mouo-
Polisirung drs Bankwesens in den Händen der Großen geführt, dann können
wir getrost den Weg betreten, der zum alleinseligmachenden Ziele führt: den
Weg zur Verstaatlichung des Bankwesens.


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Die INonopoliflrung des Bankwesens

undsechzig auf achtzig Millionen Mark erhöht und sagt in ihrem Geschäfts¬
bericht: „Auch das in der neuern Gesetzgebung zu Tage tretende Bestreben nach
einer Einschränkung der Beweglichkeit des Bankverkehrs wird unvermeidlich
die Inanspruchnahme größerer Mittel zur Folge haben." Aber auch uoch
andre Banken haben in neuerer Zeit ihr Aktienkapital erhöht, u. a. die Dis¬
kontogesellschaft, die Nationalbank für Deutschland, die Leipziger Bank, die
Bergisch-Märkische Bank. Die großen Bankinstitute in Berlin verfügen allein
zur Zeit über ein eignes Vermögen im Bilanzwerte von 760 bis 770 Millio¬
nen Mark. Es ist klar, daß eine Kapitalmacht, in so wenigen Händen konzen-
trirt, schon einer ziemlich robusten Gesetzgebung Widerstand leisten kann.

Welche Wirkung aber eine solche weitere Kouzcutrirung des Bankwesens
in Deutschland zur Folge haben würde, dafür bietet bereits die Vergangenheit
gewisse Anhaltepunkte und zwar in den Vorgängen, die die Vörsengesetz-
gcbnng überhaupt in Fluß gebracht haben. Als seiner Zeit bei den Privat¬
bankiers die Depotunterschlagungen von sich reden machten, machte das Pu¬
blikum eine förmliche Schwenkung, indem es mit seinen Anlagen in die Wechsel¬
stuben der Banken flüchtete, die damals wie die Pilze aus der Erde schössen.
Mit dieser Schwenkung kam, gelinde gesagt, das Publikum aus dem Regen
in die Traufe, denn während die Privatkapitalisten durch jene Veruntreuungen
vereinzelt um ihr Geld kamen, wurden sie in den Banken von Argentinien.
Portugal und Griechenland gleich summarisch übers Ohr gehalten. Die Ver¬
luste, die das Publikum durch die Depotunterschlagungen erlitt, können nicht
annähernd verglichen werden mit den Einbußen, die ihm durch die Erwerbung
der „exotischen" Werte entstanden sind.

Die Entwicklung des Bankwesens in Deutschland bewegt sich in dem
Fahrwasser der allgemeinen wirtschaftspolitischen Strömung im deutschen Reiche,
die darauf hinausläuft, die Extreme auf Kosten der „mittlern" Kräfte zu
stärken. Diese Entwickelung wird durch das neue Gesetz in einer Weise ge¬
fördert, die seinen Schöpfern gänzlich unbekannt ist. Es ist eine bittre Ironie,
daß die schlimmsten Widersacher der Börse mit diesem Gesetze dem — Gro߬
kapital ein Geschenk machen, das der Mittelstand, in diesem Falle der
Mittelstand der Bankwelt, teilweise mit seiner Existenz bezahlen muß. Hat
diese Entwicklung erst einmal zur Vernichtung der Kleinen und zur Mouo-
Polisirung drs Bankwesens in den Händen der Großen geführt, dann können
wir getrost den Weg betreten, der zum alleinseligmachenden Ziele führt: den
Weg zur Verstaatlichung des Bankwesens.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/307>, abgerufen am 01.09.2024.