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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Friedrich der Große und der Ursprung des siebenjährigen Rrieges

Um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts war in den brandenburg¬
preußischen Gebieten das absolute monarchische Prinzip bereits mit vollster
Strenge durchgeführt. Von selbständigen Organen neben dem Königtum war
nicht mehr die Rede, insbesondre war das dürftige Steuerbewilligungsrecht
der Stände beseitigt oder hatte wenigstens keinerlei politische Bedeutung mehr-
Im ganzen Lande herrschte nur der Wille des Königs, der durch eiuen nur
von ihm allein abhängigen, hingebenden, gewissenhaften Beamtenstand un¬
bedingt zur Ausführung gebracht wurde.

Friedrichs erste Aufgabe nach dem Dresdner Frieden war, den durch die
Kriege erschöpften Staatsschatz wieder zu füllen. "Er war der Ansicht, daß
der Staat den Bedarf für vier Feldzüge, jeden zu fünf Millionen Thaler ge¬
rechnet, vorrätig haben müsse." Der sparsame, umsichtige Geist, der des
Königs Finanzverwaltung beherrschte, brachte es unter strenger Wahrung des
Grundsatzes, niemals die ganze Jahreseinnahme zu verbrauchen, dahin, daß er
bereits im Jahre 1756 über 16350000 Thaler verfügte. An Kriegsbedarf
aller Art, Waffen, Munition, Uniformen, waren zu derselben Zeit so viel
Vorräte aufgehäuft, daß die Armee fast verdoppelt werden konnte, während
in zahlreichen, in den Festungen und längs der großen Flüsse angelegten
Kriegsmagazinen ungeheure Proviantmassen angesammelt waren.

Den Festungen war in der damaligen Kriegskunst eine weit wichtigere
Rolle zugeteilt als in unserm Zeitalter des Dynamits und Melinits, und es
..kennzeichnet die Weltlage, wenn der König keine seiner Landschaften so stark
verwahrte wie Schlesien." Hier war bis zum Jahre 1755 eine doppelte Reihe
von Festungen -- Kösel. Reiße, Glans, Schweidnitz. Brieg, Breslau, Glogau --
teils ausgebaut, teils neu angelegt worden.

Nachdem Friedrich der Sorge um die Sicherung Schlesiens enthoben war,
ging er eifrig daran, neue Regimenter zu errichten, wobei die von Friedrich
Wilhelm I. geschaffne Grundlage des Werde- und Kantonshstems mit seiner
Enrollirung, Beurlaubung und jährlich wiederkehrenden Exerzierzeit beibehalten
wurde. Unausgesetzte Übungen und Musterungen, eine eiserne Mannszucht
und ein tüchtiges Offizierkorps machte die preußische Armee zur schlagfertigsten
Europas.

Mit einem solchen Heerwesen konnte die österreichische Armee keinen Ver¬
gleich aushalten. Zwar hatte Maria Theresia gleich nach dem Erbfolgekriege
ein gleichförmiges Exerzierreglement, wie es die preußische Armee längst hatte,
ausarbeiten lassen, wonach die Truppen jährlich zwei Monate in besondern
Lagern ausgebildet werden sollten; aber es fehlte an dem wichtigsten: an der
einzuübenden Mannschaft. Die Regimenter hatten sich vollzählig zu erhalten
gesucht durch Werbungen im Lande und im Reiche. Hauptsächlich waren es
aber doch immer wieder die Stände gewesen, die wie die Steuern so auch die
Mannschaften hergeben mußten. Aber das alles reichte nicht aus, die Armee


Friedrich der Große und der Ursprung des siebenjährigen Rrieges

Um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts war in den brandenburg¬
preußischen Gebieten das absolute monarchische Prinzip bereits mit vollster
Strenge durchgeführt. Von selbständigen Organen neben dem Königtum war
nicht mehr die Rede, insbesondre war das dürftige Steuerbewilligungsrecht
der Stände beseitigt oder hatte wenigstens keinerlei politische Bedeutung mehr-
Im ganzen Lande herrschte nur der Wille des Königs, der durch eiuen nur
von ihm allein abhängigen, hingebenden, gewissenhaften Beamtenstand un¬
bedingt zur Ausführung gebracht wurde.

Friedrichs erste Aufgabe nach dem Dresdner Frieden war, den durch die
Kriege erschöpften Staatsschatz wieder zu füllen. „Er war der Ansicht, daß
der Staat den Bedarf für vier Feldzüge, jeden zu fünf Millionen Thaler ge¬
rechnet, vorrätig haben müsse." Der sparsame, umsichtige Geist, der des
Königs Finanzverwaltung beherrschte, brachte es unter strenger Wahrung des
Grundsatzes, niemals die ganze Jahreseinnahme zu verbrauchen, dahin, daß er
bereits im Jahre 1756 über 16350000 Thaler verfügte. An Kriegsbedarf
aller Art, Waffen, Munition, Uniformen, waren zu derselben Zeit so viel
Vorräte aufgehäuft, daß die Armee fast verdoppelt werden konnte, während
in zahlreichen, in den Festungen und längs der großen Flüsse angelegten
Kriegsmagazinen ungeheure Proviantmassen angesammelt waren.

Den Festungen war in der damaligen Kriegskunst eine weit wichtigere
Rolle zugeteilt als in unserm Zeitalter des Dynamits und Melinits, und es
..kennzeichnet die Weltlage, wenn der König keine seiner Landschaften so stark
verwahrte wie Schlesien." Hier war bis zum Jahre 1755 eine doppelte Reihe
von Festungen — Kösel. Reiße, Glans, Schweidnitz. Brieg, Breslau, Glogau —
teils ausgebaut, teils neu angelegt worden.

Nachdem Friedrich der Sorge um die Sicherung Schlesiens enthoben war,
ging er eifrig daran, neue Regimenter zu errichten, wobei die von Friedrich
Wilhelm I. geschaffne Grundlage des Werde- und Kantonshstems mit seiner
Enrollirung, Beurlaubung und jährlich wiederkehrenden Exerzierzeit beibehalten
wurde. Unausgesetzte Übungen und Musterungen, eine eiserne Mannszucht
und ein tüchtiges Offizierkorps machte die preußische Armee zur schlagfertigsten
Europas.

Mit einem solchen Heerwesen konnte die österreichische Armee keinen Ver¬
gleich aushalten. Zwar hatte Maria Theresia gleich nach dem Erbfolgekriege
ein gleichförmiges Exerzierreglement, wie es die preußische Armee längst hatte,
ausarbeiten lassen, wonach die Truppen jährlich zwei Monate in besondern
Lagern ausgebildet werden sollten; aber es fehlte an dem wichtigsten: an der
einzuübenden Mannschaft. Die Regimenter hatten sich vollzählig zu erhalten
gesucht durch Werbungen im Lande und im Reiche. Hauptsächlich waren es
aber doch immer wieder die Stände gewesen, die wie die Steuern so auch die
Mannschaften hergeben mußten. Aber das alles reichte nicht aus, die Armee


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[0029] Friedrich der Große und der Ursprung des siebenjährigen Rrieges Um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts war in den brandenburg¬ preußischen Gebieten das absolute monarchische Prinzip bereits mit vollster Strenge durchgeführt. Von selbständigen Organen neben dem Königtum war nicht mehr die Rede, insbesondre war das dürftige Steuerbewilligungsrecht der Stände beseitigt oder hatte wenigstens keinerlei politische Bedeutung mehr- Im ganzen Lande herrschte nur der Wille des Königs, der durch eiuen nur von ihm allein abhängigen, hingebenden, gewissenhaften Beamtenstand un¬ bedingt zur Ausführung gebracht wurde. Friedrichs erste Aufgabe nach dem Dresdner Frieden war, den durch die Kriege erschöpften Staatsschatz wieder zu füllen. „Er war der Ansicht, daß der Staat den Bedarf für vier Feldzüge, jeden zu fünf Millionen Thaler ge¬ rechnet, vorrätig haben müsse." Der sparsame, umsichtige Geist, der des Königs Finanzverwaltung beherrschte, brachte es unter strenger Wahrung des Grundsatzes, niemals die ganze Jahreseinnahme zu verbrauchen, dahin, daß er bereits im Jahre 1756 über 16350000 Thaler verfügte. An Kriegsbedarf aller Art, Waffen, Munition, Uniformen, waren zu derselben Zeit so viel Vorräte aufgehäuft, daß die Armee fast verdoppelt werden konnte, während in zahlreichen, in den Festungen und längs der großen Flüsse angelegten Kriegsmagazinen ungeheure Proviantmassen angesammelt waren. Den Festungen war in der damaligen Kriegskunst eine weit wichtigere Rolle zugeteilt als in unserm Zeitalter des Dynamits und Melinits, und es ..kennzeichnet die Weltlage, wenn der König keine seiner Landschaften so stark verwahrte wie Schlesien." Hier war bis zum Jahre 1755 eine doppelte Reihe von Festungen — Kösel. Reiße, Glans, Schweidnitz. Brieg, Breslau, Glogau — teils ausgebaut, teils neu angelegt worden. Nachdem Friedrich der Sorge um die Sicherung Schlesiens enthoben war, ging er eifrig daran, neue Regimenter zu errichten, wobei die von Friedrich Wilhelm I. geschaffne Grundlage des Werde- und Kantonshstems mit seiner Enrollirung, Beurlaubung und jährlich wiederkehrenden Exerzierzeit beibehalten wurde. Unausgesetzte Übungen und Musterungen, eine eiserne Mannszucht und ein tüchtiges Offizierkorps machte die preußische Armee zur schlagfertigsten Europas. Mit einem solchen Heerwesen konnte die österreichische Armee keinen Ver¬ gleich aushalten. Zwar hatte Maria Theresia gleich nach dem Erbfolgekriege ein gleichförmiges Exerzierreglement, wie es die preußische Armee längst hatte, ausarbeiten lassen, wonach die Truppen jährlich zwei Monate in besondern Lagern ausgebildet werden sollten; aber es fehlte an dem wichtigsten: an der einzuübenden Mannschaft. Die Regimenter hatten sich vollzählig zu erhalten gesucht durch Werbungen im Lande und im Reiche. Hauptsächlich waren es aber doch immer wieder die Stände gewesen, die wie die Steuern so auch die Mannschaften hergeben mußten. Aber das alles reichte nicht aus, die Armee

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/29>, abgerufen am 01.09.2024.