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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Leipziger pasguillanten des achtzehnten Jahrhunderts

da er aber verhaftet worden sei und die Walthersche Buchhandlung bereits den
Verlag übernommen und das Buch angekündigt habe, so habe er die Aus¬
arbeitung ihm überlassen. In der Ostermesse 1789 habe ihm dann Bahrdts
Fron in Halle mit Bewilligung ihres Mannes eine Anzahl Briefe und Schrift¬
stücke übergeben, die aber nur bis zu Bahrdts Abgang von Erfurt gereicht
hätten. Später habe er ihm weiteres Material vorenthalten.")

Im Januar 1790 wurde Pott auf Anordnung der Regierung auf Hand-
gclbbnis entlassen, zugleich aber der Befehl gegeben, "wegen der Entwertung
der Vahrdtscheu Handschriften und des aus denen bei ihm gefundenen sonstigen
Papieren allenthalben hervorleuchtenden gegen die Religion und den Staat an¬
stoßenden Benehmens die Untersuchung gebührend fortzustelleu."

Das geschah, und nun gestand Pott endlich, daß er der Verfasser des "Com¬
mentars" sei, ebenso, daß er die Fortsetzung des "Goldfitz Suseka" geschrieben
habe; den ersten Teil geschrieben zu haben stellte er aufs bestimmteste in
Abrede. Nachdem er dann eine lange Verteidigungsschrift eingereicht hatte,
wurde er von dem Leipziger Schöppenstuhl im Mai 1790 zu einem Jahre
Zuchthaus verurteilt. Obwohl er darauf noch eine zweite und ein dritte Schutz¬
schrift einreichte, auch ein Gutachten der Juristenfakultät in Helmstüdt einholte,
das die Strafe für zu hart erklärte, bestätigte doch im Oktober 1790 die
Leipziger und im Juni 1791 die Wittenberger Juristeufakultät das erste Urteil.
Da er aber inzwischen längst wieder verhaftet worden und im Gefängnis erkrankt
war, setzte die Negierung die Strafe auf drei Monate Gefängnis, und auf ein noch¬
maliges Gesuch Poets endlich im Dezember 1791 ans zwei Monate Gefängnis
herab, wobei ihm zugleich Einzelhaft zugestanden wurde, damit er sich litterarisch
beschäftigen könnte.

Aber bis zum Jahre 1794, bis wohin die Akten reichen, hatte er auch diese
zwei Monate noch nicht abgesessen! Im Mai 1791 hatte er -- angeblich --
die Walthersche Buchhandlung für 8000 Thaler gekauft, er hatte sich auch
inzwischen verheiratet -- die "Sievermannin" war seine Frau geworden, und
sein Schwiegervater, der Schneidermeister Sievermann, hatte sich wiederholt
während der Untersuchung für ihn verbürgt, auch alle Kosten bezahlt. Was
weiter aus ihm geworden ist, ist unbekannt."")

(Fortsetzung folgt)






Trotteln erschien die Biographie -- ein elendes Machwerk -- unter dem Titel: Leben,
Meynunqm und Schicksale 1). Carl Friedr, Bahrdts, aus Urkunden gezogen von D, Pole.
Erster Theil. >?!)<>. Em zweiter Teil folgte nicht. Dagegen gab Bahrdt unmittelbar darauf
seine vicrbnndige Selbstbiographie hernuS: Ilr, Carl Friedrich Bnhrdls Geschichte seines Lebens,
seiner Meinungen und Schicksale. (Berlin, 17!)0--in deren letztem Bande Seite LV7 fg. er
über die von Pole an ihm begangne Treulosigkeit bitter Klage führt.
->
) Im Jahre erschien noch von ihm: Leipzig, ein Handbuch für Handelsleute,
Statistiker und Gelehrte.
Grenzboten III lLW34
Leipziger pasguillanten des achtzehnten Jahrhunderts

da er aber verhaftet worden sei und die Walthersche Buchhandlung bereits den
Verlag übernommen und das Buch angekündigt habe, so habe er die Aus¬
arbeitung ihm überlassen. In der Ostermesse 1789 habe ihm dann Bahrdts
Fron in Halle mit Bewilligung ihres Mannes eine Anzahl Briefe und Schrift¬
stücke übergeben, die aber nur bis zu Bahrdts Abgang von Erfurt gereicht
hätten. Später habe er ihm weiteres Material vorenthalten.")

Im Januar 1790 wurde Pott auf Anordnung der Regierung auf Hand-
gclbbnis entlassen, zugleich aber der Befehl gegeben, „wegen der Entwertung
der Vahrdtscheu Handschriften und des aus denen bei ihm gefundenen sonstigen
Papieren allenthalben hervorleuchtenden gegen die Religion und den Staat an¬
stoßenden Benehmens die Untersuchung gebührend fortzustelleu."

Das geschah, und nun gestand Pott endlich, daß er der Verfasser des „Com¬
mentars" sei, ebenso, daß er die Fortsetzung des „Goldfitz Suseka" geschrieben
habe; den ersten Teil geschrieben zu haben stellte er aufs bestimmteste in
Abrede. Nachdem er dann eine lange Verteidigungsschrift eingereicht hatte,
wurde er von dem Leipziger Schöppenstuhl im Mai 1790 zu einem Jahre
Zuchthaus verurteilt. Obwohl er darauf noch eine zweite und ein dritte Schutz¬
schrift einreichte, auch ein Gutachten der Juristenfakultät in Helmstüdt einholte,
das die Strafe für zu hart erklärte, bestätigte doch im Oktober 1790 die
Leipziger und im Juni 1791 die Wittenberger Juristeufakultät das erste Urteil.
Da er aber inzwischen längst wieder verhaftet worden und im Gefängnis erkrankt
war, setzte die Negierung die Strafe auf drei Monate Gefängnis, und auf ein noch¬
maliges Gesuch Poets endlich im Dezember 1791 ans zwei Monate Gefängnis
herab, wobei ihm zugleich Einzelhaft zugestanden wurde, damit er sich litterarisch
beschäftigen könnte.

Aber bis zum Jahre 1794, bis wohin die Akten reichen, hatte er auch diese
zwei Monate noch nicht abgesessen! Im Mai 1791 hatte er — angeblich —
die Walthersche Buchhandlung für 8000 Thaler gekauft, er hatte sich auch
inzwischen verheiratet — die „Sievermannin" war seine Frau geworden, und
sein Schwiegervater, der Schneidermeister Sievermann, hatte sich wiederholt
während der Untersuchung für ihn verbürgt, auch alle Kosten bezahlt. Was
weiter aus ihm geworden ist, ist unbekannt."")

(Fortsetzung folgt)






Trotteln erschien die Biographie — ein elendes Machwerk — unter dem Titel: Leben,
Meynunqm und Schicksale 1). Carl Friedr, Bahrdts, aus Urkunden gezogen von D, Pole.
Erster Theil. >?!)<>. Em zweiter Teil folgte nicht. Dagegen gab Bahrdt unmittelbar darauf
seine vicrbnndige Selbstbiographie hernuS: Ilr, Carl Friedrich Bnhrdls Geschichte seines Lebens,
seiner Meinungen und Schicksale. (Berlin, 17!)0—in deren letztem Bande Seite LV7 fg. er
über die von Pole an ihm begangne Treulosigkeit bitter Klage führt.
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[0273] Leipziger pasguillanten des achtzehnten Jahrhunderts da er aber verhaftet worden sei und die Walthersche Buchhandlung bereits den Verlag übernommen und das Buch angekündigt habe, so habe er die Aus¬ arbeitung ihm überlassen. In der Ostermesse 1789 habe ihm dann Bahrdts Fron in Halle mit Bewilligung ihres Mannes eine Anzahl Briefe und Schrift¬ stücke übergeben, die aber nur bis zu Bahrdts Abgang von Erfurt gereicht hätten. Später habe er ihm weiteres Material vorenthalten.") Im Januar 1790 wurde Pott auf Anordnung der Regierung auf Hand- gclbbnis entlassen, zugleich aber der Befehl gegeben, „wegen der Entwertung der Vahrdtscheu Handschriften und des aus denen bei ihm gefundenen sonstigen Papieren allenthalben hervorleuchtenden gegen die Religion und den Staat an¬ stoßenden Benehmens die Untersuchung gebührend fortzustelleu." Das geschah, und nun gestand Pott endlich, daß er der Verfasser des „Com¬ mentars" sei, ebenso, daß er die Fortsetzung des „Goldfitz Suseka" geschrieben habe; den ersten Teil geschrieben zu haben stellte er aufs bestimmteste in Abrede. Nachdem er dann eine lange Verteidigungsschrift eingereicht hatte, wurde er von dem Leipziger Schöppenstuhl im Mai 1790 zu einem Jahre Zuchthaus verurteilt. Obwohl er darauf noch eine zweite und ein dritte Schutz¬ schrift einreichte, auch ein Gutachten der Juristenfakultät in Helmstüdt einholte, das die Strafe für zu hart erklärte, bestätigte doch im Oktober 1790 die Leipziger und im Juni 1791 die Wittenberger Juristeufakultät das erste Urteil. Da er aber inzwischen längst wieder verhaftet worden und im Gefängnis erkrankt war, setzte die Negierung die Strafe auf drei Monate Gefängnis, und auf ein noch¬ maliges Gesuch Poets endlich im Dezember 1791 ans zwei Monate Gefängnis herab, wobei ihm zugleich Einzelhaft zugestanden wurde, damit er sich litterarisch beschäftigen könnte. Aber bis zum Jahre 1794, bis wohin die Akten reichen, hatte er auch diese zwei Monate noch nicht abgesessen! Im Mai 1791 hatte er — angeblich — die Walthersche Buchhandlung für 8000 Thaler gekauft, er hatte sich auch inzwischen verheiratet — die „Sievermannin" war seine Frau geworden, und sein Schwiegervater, der Schneidermeister Sievermann, hatte sich wiederholt während der Untersuchung für ihn verbürgt, auch alle Kosten bezahlt. Was weiter aus ihm geworden ist, ist unbekannt."") (Fortsetzung folgt) Trotteln erschien die Biographie — ein elendes Machwerk — unter dem Titel: Leben, Meynunqm und Schicksale 1). Carl Friedr, Bahrdts, aus Urkunden gezogen von D, Pole. Erster Theil. >?!)<>. Em zweiter Teil folgte nicht. Dagegen gab Bahrdt unmittelbar darauf seine vicrbnndige Selbstbiographie hernuS: Ilr, Carl Friedrich Bnhrdls Geschichte seines Lebens, seiner Meinungen und Schicksale. (Berlin, 17!)0—in deren letztem Bande Seite LV7 fg. er über die von Pole an ihm begangne Treulosigkeit bitter Klage führt. -> ) Im Jahre erschien noch von ihm: Leipzig, ein Handbuch für Handelsleute, Statistiker und Gelehrte. Grenzboten III lLW34

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/273>, abgerufen am 01.09.2024.