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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Leipziger pasquillauton des achtzehnten Jahrhunderts

haftet worden, weil er eine "zu sehr bedenklichen Zwecken abzielende geheime Ge¬
sellschaft unter dem Namen der deutschen Union stiften wollen," und weil man
ihn in dem Verdacht hatte, Verfasser des "Commentars" und des Lustspiels
zu sein. Die Untersuchung ergab, daß der "Commentar" in Halle bei dem
Buchdrucker Michaelis gedruckt und daß das Manuskript von Pott eingesandt
worden und anscheinend auch von seiner Hand geschrieben gewesen sei, ferner,
daß das "Archiv" der Union, das sich in Bahrdts Händen befunden habe, jetzt
ni den Händen von Pott und Walther sei, endlich, daß Pott mit Bahrdt in
der engsten Verbindung und in vertrautem Briefwechsel gestanden habe. Diese
Nachrichten schickte das preußische Kammergericht im April 1789 nach Leipzig
und ersuchte den Leipziger Rat, sich der in Poets Händen befindlichen Bahrdt-
schen Papiere zu versichern und ihn selbst zu vernehmen.

Infolge dessen wurde am 25. April 1789 eine Haussuchung bei Pott ver¬
anstaltet und ihm eine Anzahl Briefe und sonstige Schriftstücke, namentlich
anch solche, die sich auf die Union bezogen, weggenommen -- er wohnte in
einem Haus am Schlosse, das unter der Gerichtsbarkeit des kurfürstlichen Kreis-
aiutö stand, sodaß nicht weniger als drei Behörden bei der Haussuchung beteiligt
waren: die Bücherkomunssion, die Universität und das Kreisamt! --, am 27. er
selbst vernommen. Aber obwohl sich unter den Schriftstücken, die man Bahrdt bei
seiner Verhaftung weggenommen hatte, eine Anzahl Briefe von Pott befanden, in
deren einem (vom 4. Januar 1789) die höchst verdächtige Stelle vorkam: "Ich
habe Freund Waldherr auserlesen, der warm genug für Aufklärung ist, im
Notfall Eide schwören kann, ut oxpvricmtm äoouit,"*) blieb doch Pott immer
noch bei seinein Leugnen; nur soviel räumte er jetzt ein, daß das Manuskript
des "Commentars" von seiner Hand geschrieben gewesen sei; er kenne auch den
Verfasser und werde ihn binnen acht Tagen dem König von Preußen selbst
""zeigen. Das Buch über Aufklärung habe er von einem ans der Union
ehalten, den er aber ohne Erlaubnis nicht nennen dürfe; einige von der Union
seien die gemeinschaftlichen Verfasser des Buches.

Der Rat berichtete im Juni an die Negierung, woraus im August die
kurfürstliche Verfügung kam, der Rat möge Pott "die ohnüberlegte Bekannt¬
machung des Buchs: über Aufklärung nachdrücklich verweisen und selbigen
zugleich ernstlich bedeuten, daß, wenn er seinen Aufenthalt länger in hiesigen



*) In den "Vertrauten Briefe"" über Leipzig klagt Pole Seite 105, das; es etwas ganz
gewöhnliches sei, das? verhaftete Diebe und Betrüger den Reinigungseid leisteten und dadurch
loskämen, "Dieser autorisirte Mißbrauch des Eides ist auch Ursache, das? vielleicht an keinem
Orte Deutschlands mehr gerichtliche falsche Eide geschworen werden als in Leipzig; und dn anch
reiche, angesehene Männer, um etliche Tausende mehr zu ihren Hundcrttnusenden zu bringen,
diesen ovatum aoPÜw>M nicht verschmähen, so verliert der Gedanke um einen falschen Eid
vollends seine ganze Schrecklichkeit, und man spricht so gleichgiltig davon, als ob das weiter
Mr nichts zu bedeuten hätte."
Leipziger pasquillauton des achtzehnten Jahrhunderts

haftet worden, weil er eine „zu sehr bedenklichen Zwecken abzielende geheime Ge¬
sellschaft unter dem Namen der deutschen Union stiften wollen," und weil man
ihn in dem Verdacht hatte, Verfasser des „Commentars" und des Lustspiels
zu sein. Die Untersuchung ergab, daß der „Commentar" in Halle bei dem
Buchdrucker Michaelis gedruckt und daß das Manuskript von Pott eingesandt
worden und anscheinend auch von seiner Hand geschrieben gewesen sei, ferner,
daß das „Archiv" der Union, das sich in Bahrdts Händen befunden habe, jetzt
ni den Händen von Pott und Walther sei, endlich, daß Pott mit Bahrdt in
der engsten Verbindung und in vertrautem Briefwechsel gestanden habe. Diese
Nachrichten schickte das preußische Kammergericht im April 1789 nach Leipzig
und ersuchte den Leipziger Rat, sich der in Poets Händen befindlichen Bahrdt-
schen Papiere zu versichern und ihn selbst zu vernehmen.

Infolge dessen wurde am 25. April 1789 eine Haussuchung bei Pott ver¬
anstaltet und ihm eine Anzahl Briefe und sonstige Schriftstücke, namentlich
anch solche, die sich auf die Union bezogen, weggenommen — er wohnte in
einem Haus am Schlosse, das unter der Gerichtsbarkeit des kurfürstlichen Kreis-
aiutö stand, sodaß nicht weniger als drei Behörden bei der Haussuchung beteiligt
waren: die Bücherkomunssion, die Universität und das Kreisamt! —, am 27. er
selbst vernommen. Aber obwohl sich unter den Schriftstücken, die man Bahrdt bei
seiner Verhaftung weggenommen hatte, eine Anzahl Briefe von Pott befanden, in
deren einem (vom 4. Januar 1789) die höchst verdächtige Stelle vorkam: „Ich
habe Freund Waldherr auserlesen, der warm genug für Aufklärung ist, im
Notfall Eide schwören kann, ut oxpvricmtm äoouit,"*) blieb doch Pott immer
noch bei seinein Leugnen; nur soviel räumte er jetzt ein, daß das Manuskript
des „Commentars" von seiner Hand geschrieben gewesen sei; er kenne auch den
Verfasser und werde ihn binnen acht Tagen dem König von Preußen selbst
"«zeigen. Das Buch über Aufklärung habe er von einem ans der Union
ehalten, den er aber ohne Erlaubnis nicht nennen dürfe; einige von der Union
seien die gemeinschaftlichen Verfasser des Buches.

Der Rat berichtete im Juni an die Negierung, woraus im August die
kurfürstliche Verfügung kam, der Rat möge Pott „die ohnüberlegte Bekannt¬
machung des Buchs: über Aufklärung nachdrücklich verweisen und selbigen
zugleich ernstlich bedeuten, daß, wenn er seinen Aufenthalt länger in hiesigen



*) In den „Vertrauten Briefe»" über Leipzig klagt Pole Seite 105, das; es etwas ganz
gewöhnliches sei, das? verhaftete Diebe und Betrüger den Reinigungseid leisteten und dadurch
loskämen, „Dieser autorisirte Mißbrauch des Eides ist auch Ursache, das? vielleicht an keinem
Orte Deutschlands mehr gerichtliche falsche Eide geschworen werden als in Leipzig; und dn anch
reiche, angesehene Männer, um etliche Tausende mehr zu ihren Hundcrttnusenden zu bringen,
diesen ovatum aoPÜw>M nicht verschmähen, so verliert der Gedanke um einen falschen Eid
vollends seine ganze Schrecklichkeit, und man spricht so gleichgiltig davon, als ob das weiter
Mr nichts zu bedeuten hätte."
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/271>, abgerufen am 06.10.2024.