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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Leipziger Pasquillanten des achtzehnten Jahrhunderts

wiederholt zu weiterer Untersuchung drängte, anch das Konsistorium-der Bücher¬
kommission die Weisung gab, wenn sich Pott noch länger weigern sollte, den
Eid zu leisten, rechtliches Erkenntnis einzuholen, so wurde die Untersuchung
im Februar 1789 wieder aufgenommen und zugleich auf das Lustspiel unter
dem Titel: "Das Neligionsedikt" erstreckt, das in den letzten Tagen erschienen
und von Pott und Walther vertrieben worden war. Da griff Pott zu einem
neuen Mittel, die Sache hinzuziehen; er erklärte bei den Vernehmungen vor
der Bücherkommission auf einzelne Fragen, die ihm vorgelegt wurden, diese
Fragen gehörten nicht zur Sache, er könne, da er Academiens sei, nur bei
seinem ordentlichen Forum, der Universität, darüber befragt werden; sich hier
darauf einzulassen, trage er Bedenken, um sich nicht bei der Universität Vor¬
würfe zuzuziehen! Als ihn darnnf der Rat aufforderte, das Bürgerrecht zu er¬
werben, und die Universität ersuchte, ihn aus der Zahl der akademischen Bürger
zu streichen, behauptete Pott, daß sich seine Teilnahme an der Waltherschen
Buchhandlung uur auf die Messen erstrecke (!), wo jeder, er möge unter die
Universität oder unter den Rat gehören, ungehindert Handel treiben dürfe,
daß er aber an dein Handel, "den die Waltherischc Buchhandlung außer der
Messe als LommiZLionM für die Waltherische Buchhandlung in der Messe
treibe" (!) gar keinen Anteil habe, und daß er sich nächstens als Magister zu
habilitiren gedenke. Aber obwohl ihn die Universität bei dieser albernen Be¬
hauptung unterstützte, lehnte sie doch der Rat entschieden ab. Die Buchhand-
lung von Walther und Pott, sagt er in seiner Erwiderung, "hat hier in und
außer der Messe ein offenes Gewölbe; in und außer der Messe wird darinnen
verlauft; in und außer der Messe werden darinnen Geschäfte getrieben; sie
wird also in und außer der Messe ununterbrochen fortgesetzt. Das ist stadt¬
kundig. Wer hat je vernommen, daß in einer Gesellschaftshandlung, die un¬
aufhörliches Gewerbe treibt, ein teilhabender Gesellschafter erst mit jeder Messe
eintrete und mit jeder Messe wieder herausgebe?" Überdies hatte ja Pott
gerade den "Commentar" und das Lustspiel außer (!) den Messen verkauft. Aber
auch als die Universität ihren Widerspruch fallen ließ, weigerte er sich noch
hartnäckig, die Gerichtsbarkeit des Rates anzuerkennen, indem er immer wieder
vorgab, er werde sich nächstens an der Universität habilitiren.

Da erhielt die Sache eine unerwartete Wendung. Im März 1789 be¬
richtete das Konsistorium an die Bücherkommissiou, es habe sich das Gerücht
verbreitet, daß in Leipzig eine geheime Gesellschaft, "die Zweiundzwanziger,"
bestehe, die in einem vor der Stadt gelegnen Hause abends bei verschlossenen
Thüren ihre Zusammenkünfte abhalte; ferner sei in der Waltherschen Buch¬
handlung ein Buch erschienen unter dem Titel: Über Aufklärung und die Be¬
förderungsmittel derselben, von einer Gesellschaft zu Leipzig. Die Gesell¬
schaft in dem Buche nannte sich Deutsche Union und war unzweifelhaft dieselbe
wie die Zweiundzwanziger. Anfang April aber war Bahrdt in Halle ver-


Leipziger Pasquillanten des achtzehnten Jahrhunderts

wiederholt zu weiterer Untersuchung drängte, anch das Konsistorium-der Bücher¬
kommission die Weisung gab, wenn sich Pott noch länger weigern sollte, den
Eid zu leisten, rechtliches Erkenntnis einzuholen, so wurde die Untersuchung
im Februar 1789 wieder aufgenommen und zugleich auf das Lustspiel unter
dem Titel: „Das Neligionsedikt" erstreckt, das in den letzten Tagen erschienen
und von Pott und Walther vertrieben worden war. Da griff Pott zu einem
neuen Mittel, die Sache hinzuziehen; er erklärte bei den Vernehmungen vor
der Bücherkommission auf einzelne Fragen, die ihm vorgelegt wurden, diese
Fragen gehörten nicht zur Sache, er könne, da er Academiens sei, nur bei
seinem ordentlichen Forum, der Universität, darüber befragt werden; sich hier
darauf einzulassen, trage er Bedenken, um sich nicht bei der Universität Vor¬
würfe zuzuziehen! Als ihn darnnf der Rat aufforderte, das Bürgerrecht zu er¬
werben, und die Universität ersuchte, ihn aus der Zahl der akademischen Bürger
zu streichen, behauptete Pott, daß sich seine Teilnahme an der Waltherschen
Buchhandlung uur auf die Messen erstrecke (!), wo jeder, er möge unter die
Universität oder unter den Rat gehören, ungehindert Handel treiben dürfe,
daß er aber an dein Handel, „den die Waltherischc Buchhandlung außer der
Messe als LommiZLionM für die Waltherische Buchhandlung in der Messe
treibe" (!) gar keinen Anteil habe, und daß er sich nächstens als Magister zu
habilitiren gedenke. Aber obwohl ihn die Universität bei dieser albernen Be¬
hauptung unterstützte, lehnte sie doch der Rat entschieden ab. Die Buchhand-
lung von Walther und Pott, sagt er in seiner Erwiderung, „hat hier in und
außer der Messe ein offenes Gewölbe; in und außer der Messe wird darinnen
verlauft; in und außer der Messe werden darinnen Geschäfte getrieben; sie
wird also in und außer der Messe ununterbrochen fortgesetzt. Das ist stadt¬
kundig. Wer hat je vernommen, daß in einer Gesellschaftshandlung, die un¬
aufhörliches Gewerbe treibt, ein teilhabender Gesellschafter erst mit jeder Messe
eintrete und mit jeder Messe wieder herausgebe?" Überdies hatte ja Pott
gerade den „Commentar" und das Lustspiel außer (!) den Messen verkauft. Aber
auch als die Universität ihren Widerspruch fallen ließ, weigerte er sich noch
hartnäckig, die Gerichtsbarkeit des Rates anzuerkennen, indem er immer wieder
vorgab, er werde sich nächstens an der Universität habilitiren.

Da erhielt die Sache eine unerwartete Wendung. Im März 1789 be¬
richtete das Konsistorium an die Bücherkommissiou, es habe sich das Gerücht
verbreitet, daß in Leipzig eine geheime Gesellschaft, „die Zweiundzwanziger,"
bestehe, die in einem vor der Stadt gelegnen Hause abends bei verschlossenen
Thüren ihre Zusammenkünfte abhalte; ferner sei in der Waltherschen Buch¬
handlung ein Buch erschienen unter dem Titel: Über Aufklärung und die Be¬
förderungsmittel derselben, von einer Gesellschaft zu Leipzig. Die Gesell¬
schaft in dem Buche nannte sich Deutsche Union und war unzweifelhaft dieselbe
wie die Zweiundzwanziger. Anfang April aber war Bahrdt in Halle ver-


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[0270] Leipziger Pasquillanten des achtzehnten Jahrhunderts wiederholt zu weiterer Untersuchung drängte, anch das Konsistorium-der Bücher¬ kommission die Weisung gab, wenn sich Pott noch länger weigern sollte, den Eid zu leisten, rechtliches Erkenntnis einzuholen, so wurde die Untersuchung im Februar 1789 wieder aufgenommen und zugleich auf das Lustspiel unter dem Titel: „Das Neligionsedikt" erstreckt, das in den letzten Tagen erschienen und von Pott und Walther vertrieben worden war. Da griff Pott zu einem neuen Mittel, die Sache hinzuziehen; er erklärte bei den Vernehmungen vor der Bücherkommission auf einzelne Fragen, die ihm vorgelegt wurden, diese Fragen gehörten nicht zur Sache, er könne, da er Academiens sei, nur bei seinem ordentlichen Forum, der Universität, darüber befragt werden; sich hier darauf einzulassen, trage er Bedenken, um sich nicht bei der Universität Vor¬ würfe zuzuziehen! Als ihn darnnf der Rat aufforderte, das Bürgerrecht zu er¬ werben, und die Universität ersuchte, ihn aus der Zahl der akademischen Bürger zu streichen, behauptete Pott, daß sich seine Teilnahme an der Waltherschen Buchhandlung uur auf die Messen erstrecke (!), wo jeder, er möge unter die Universität oder unter den Rat gehören, ungehindert Handel treiben dürfe, daß er aber an dein Handel, „den die Waltherischc Buchhandlung außer der Messe als LommiZLionM für die Waltherische Buchhandlung in der Messe treibe" (!) gar keinen Anteil habe, und daß er sich nächstens als Magister zu habilitiren gedenke. Aber obwohl ihn die Universität bei dieser albernen Be¬ hauptung unterstützte, lehnte sie doch der Rat entschieden ab. Die Buchhand- lung von Walther und Pott, sagt er in seiner Erwiderung, „hat hier in und außer der Messe ein offenes Gewölbe; in und außer der Messe wird darinnen verlauft; in und außer der Messe werden darinnen Geschäfte getrieben; sie wird also in und außer der Messe ununterbrochen fortgesetzt. Das ist stadt¬ kundig. Wer hat je vernommen, daß in einer Gesellschaftshandlung, die un¬ aufhörliches Gewerbe treibt, ein teilhabender Gesellschafter erst mit jeder Messe eintrete und mit jeder Messe wieder herausgebe?" Überdies hatte ja Pott gerade den „Commentar" und das Lustspiel außer (!) den Messen verkauft. Aber auch als die Universität ihren Widerspruch fallen ließ, weigerte er sich noch hartnäckig, die Gerichtsbarkeit des Rates anzuerkennen, indem er immer wieder vorgab, er werde sich nächstens an der Universität habilitiren. Da erhielt die Sache eine unerwartete Wendung. Im März 1789 be¬ richtete das Konsistorium an die Bücherkommissiou, es habe sich das Gerücht verbreitet, daß in Leipzig eine geheime Gesellschaft, „die Zweiundzwanziger," bestehe, die in einem vor der Stadt gelegnen Hause abends bei verschlossenen Thüren ihre Zusammenkünfte abhalte; ferner sei in der Waltherschen Buch¬ handlung ein Buch erschienen unter dem Titel: Über Aufklärung und die Be¬ förderungsmittel derselben, von einer Gesellschaft zu Leipzig. Die Gesell¬ schaft in dem Buche nannte sich Deutsche Union und war unzweifelhaft dieselbe wie die Zweiundzwanziger. Anfang April aber war Bahrdt in Halle ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/270>, abgerufen am 01.09.2024.