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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Leipziger Pasquillanten des achtzehnten Jahrhunderts

gesetzt, die Beleidigten gespielt -- Schulze heilte erklärt, "er wäre ein Gelehrter,
von dem das ?ubUoum sage, daß er nicht ohne Verdienst sei, er könne nicht
glauben, daß die Gesetze gegen die Niederlassung eines redlichen Mannes an
einem ihm beliebigen Orte etwas enthielten, er habe noch dazu das Völkerrecht
und die Gesetze der Höflichkeit und Billigkeit vor sich, denn er habe schon einmal
ein Jahr unangefochten in Dahler zugebracht, die Gelehrten gehörten, so viel er
wisse, zu deu Honoratioren, von denen man kein obrigkeitliches Zeugnis ihres
Verhaltens verlange" usw. Schließlich hatte er sogar eine Appellatiousschrift
eingereicht, worin er erklärte, es sei unerhört, "daß eine Obrigkeit auf den
Einfall komme, einem IMörgto, dessen Gegenstände des Vewerbs schöne Wissen¬
schaften wären, und dem die Welt offen stehe, wo er sie nur nutzen und zum
Besten der Kvxuolio anwenden wolle, den Aufenthalt des Orts zu versagen,
an dem er sich bescheidentlich, auch der Polizei und den Landesgesetzen gemäß
verhalte, von seinem Bewerbe sich redlich nähre und alles vermeide, was einem
gesitteten Bürger des Staates unanständig falle."

Sicherlich wäre Schulze gern nach Leipzig zurückgekehrt, denn er wollte
endlich seine Studien abschließen und Magister werden. Daher kam sein Vater
im Februar 1791 mit der Bitte beim Rate für ihn ein, ihm die Gefängnis¬
strafe in eine Geldstrafe zu verwandeln. Aber der Rat wies ihn ab, berichtete
an die Regierung, und diese verfügte, daß Schulze seine Gefängnisstrafe in
Dahler abbüßen solle. Da hielt er es für das Beste, nach Leipzig zurück¬
zukehren, gegen Berggold uno dessen Frau Abbitte zu leisten und seine acht
Wochen im Universitätslarzcr abzusitzen.

Gleichzeitig mit Royer und Schulze, im November 1788, war aber auch
Pott in eine neue Untersuchung verwickelt worden, bei der ebenfalls der "Goldfitz
Snseka" wieder zur Sprache kam. Obgleich es sich dabei nicht um Schriften
über Leipzig handelte, müssen doch die Vorgänge kurz mitgeteilt werden, weil
sie auch auf das bisher Erzählte einiges Licht werfen, und die drei Angeklagten
eng unter einander zusammenhingen.

Zur Michaelismesse 1788 hatte sich Pott mit einem andern Leipziger
Juristen verbunden, mit dem Notar Georg Karl Walther, der soeben das
Leipziger Bürgerrecht erworben und eine Buchhandlung eröffnet hatte. Diese
wollten sie hinfort gemeinschaftlich betreiben, und sie hatten dazu einen Laden
auf der Grimmischen Gasse gemietet. Eins der ersten Bücher, das zur Michaelis¬
messe bei ihnen erschien, angeblich "in Kommission," führte den Titel: "Kom¬
mentar über das königl. preuß. Religionsedikt vom 9. Julius 1788. Sr. Ex¬
cellenz dem Herrn Staatsminister von Wöllner zugeeignet. Amsterdam 1788.

Der Verfasser dieses Buches war -- Pott. Als aber Walther und Pott


Besitz heimlich Abschriften gemacht, war dann davongelaufen und hatte Bahrdt in der gemeinsten
Weise denunzirt. Siehe darüber: Geschichte und Tagebuch meines Gefängnisses von Dr. Carl
Friedrich Bahrdt (Berlin, 17!>0) Seite M fg.
Leipziger Pasquillanten des achtzehnten Jahrhunderts

gesetzt, die Beleidigten gespielt — Schulze heilte erklärt, „er wäre ein Gelehrter,
von dem das ?ubUoum sage, daß er nicht ohne Verdienst sei, er könne nicht
glauben, daß die Gesetze gegen die Niederlassung eines redlichen Mannes an
einem ihm beliebigen Orte etwas enthielten, er habe noch dazu das Völkerrecht
und die Gesetze der Höflichkeit und Billigkeit vor sich, denn er habe schon einmal
ein Jahr unangefochten in Dahler zugebracht, die Gelehrten gehörten, so viel er
wisse, zu deu Honoratioren, von denen man kein obrigkeitliches Zeugnis ihres
Verhaltens verlange" usw. Schließlich hatte er sogar eine Appellatiousschrift
eingereicht, worin er erklärte, es sei unerhört, „daß eine Obrigkeit auf den
Einfall komme, einem IMörgto, dessen Gegenstände des Vewerbs schöne Wissen¬
schaften wären, und dem die Welt offen stehe, wo er sie nur nutzen und zum
Besten der Kvxuolio anwenden wolle, den Aufenthalt des Orts zu versagen,
an dem er sich bescheidentlich, auch der Polizei und den Landesgesetzen gemäß
verhalte, von seinem Bewerbe sich redlich nähre und alles vermeide, was einem
gesitteten Bürger des Staates unanständig falle."

Sicherlich wäre Schulze gern nach Leipzig zurückgekehrt, denn er wollte
endlich seine Studien abschließen und Magister werden. Daher kam sein Vater
im Februar 1791 mit der Bitte beim Rate für ihn ein, ihm die Gefängnis¬
strafe in eine Geldstrafe zu verwandeln. Aber der Rat wies ihn ab, berichtete
an die Regierung, und diese verfügte, daß Schulze seine Gefängnisstrafe in
Dahler abbüßen solle. Da hielt er es für das Beste, nach Leipzig zurück¬
zukehren, gegen Berggold uno dessen Frau Abbitte zu leisten und seine acht
Wochen im Universitätslarzcr abzusitzen.

Gleichzeitig mit Royer und Schulze, im November 1788, war aber auch
Pott in eine neue Untersuchung verwickelt worden, bei der ebenfalls der „Goldfitz
Snseka" wieder zur Sprache kam. Obgleich es sich dabei nicht um Schriften
über Leipzig handelte, müssen doch die Vorgänge kurz mitgeteilt werden, weil
sie auch auf das bisher Erzählte einiges Licht werfen, und die drei Angeklagten
eng unter einander zusammenhingen.

Zur Michaelismesse 1788 hatte sich Pott mit einem andern Leipziger
Juristen verbunden, mit dem Notar Georg Karl Walther, der soeben das
Leipziger Bürgerrecht erworben und eine Buchhandlung eröffnet hatte. Diese
wollten sie hinfort gemeinschaftlich betreiben, und sie hatten dazu einen Laden
auf der Grimmischen Gasse gemietet. Eins der ersten Bücher, das zur Michaelis¬
messe bei ihnen erschien, angeblich „in Kommission," führte den Titel: „Kom¬
mentar über das königl. preuß. Religionsedikt vom 9. Julius 1788. Sr. Ex¬
cellenz dem Herrn Staatsminister von Wöllner zugeeignet. Amsterdam 1788.

Der Verfasser dieses Buches war — Pott. Als aber Walther und Pott


Besitz heimlich Abschriften gemacht, war dann davongelaufen und hatte Bahrdt in der gemeinsten
Weise denunzirt. Siehe darüber: Geschichte und Tagebuch meines Gefängnisses von Dr. Carl
Friedrich Bahrdt (Berlin, 17!>0) Seite M fg.
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[0268] Leipziger Pasquillanten des achtzehnten Jahrhunderts gesetzt, die Beleidigten gespielt — Schulze heilte erklärt, „er wäre ein Gelehrter, von dem das ?ubUoum sage, daß er nicht ohne Verdienst sei, er könne nicht glauben, daß die Gesetze gegen die Niederlassung eines redlichen Mannes an einem ihm beliebigen Orte etwas enthielten, er habe noch dazu das Völkerrecht und die Gesetze der Höflichkeit und Billigkeit vor sich, denn er habe schon einmal ein Jahr unangefochten in Dahler zugebracht, die Gelehrten gehörten, so viel er wisse, zu deu Honoratioren, von denen man kein obrigkeitliches Zeugnis ihres Verhaltens verlange" usw. Schließlich hatte er sogar eine Appellatiousschrift eingereicht, worin er erklärte, es sei unerhört, „daß eine Obrigkeit auf den Einfall komme, einem IMörgto, dessen Gegenstände des Vewerbs schöne Wissen¬ schaften wären, und dem die Welt offen stehe, wo er sie nur nutzen und zum Besten der Kvxuolio anwenden wolle, den Aufenthalt des Orts zu versagen, an dem er sich bescheidentlich, auch der Polizei und den Landesgesetzen gemäß verhalte, von seinem Bewerbe sich redlich nähre und alles vermeide, was einem gesitteten Bürger des Staates unanständig falle." Sicherlich wäre Schulze gern nach Leipzig zurückgekehrt, denn er wollte endlich seine Studien abschließen und Magister werden. Daher kam sein Vater im Februar 1791 mit der Bitte beim Rate für ihn ein, ihm die Gefängnis¬ strafe in eine Geldstrafe zu verwandeln. Aber der Rat wies ihn ab, berichtete an die Regierung, und diese verfügte, daß Schulze seine Gefängnisstrafe in Dahler abbüßen solle. Da hielt er es für das Beste, nach Leipzig zurück¬ zukehren, gegen Berggold uno dessen Frau Abbitte zu leisten und seine acht Wochen im Universitätslarzcr abzusitzen. Gleichzeitig mit Royer und Schulze, im November 1788, war aber auch Pott in eine neue Untersuchung verwickelt worden, bei der ebenfalls der „Goldfitz Snseka" wieder zur Sprache kam. Obgleich es sich dabei nicht um Schriften über Leipzig handelte, müssen doch die Vorgänge kurz mitgeteilt werden, weil sie auch auf das bisher Erzählte einiges Licht werfen, und die drei Angeklagten eng unter einander zusammenhingen. Zur Michaelismesse 1788 hatte sich Pott mit einem andern Leipziger Juristen verbunden, mit dem Notar Georg Karl Walther, der soeben das Leipziger Bürgerrecht erworben und eine Buchhandlung eröffnet hatte. Diese wollten sie hinfort gemeinschaftlich betreiben, und sie hatten dazu einen Laden auf der Grimmischen Gasse gemietet. Eins der ersten Bücher, das zur Michaelis¬ messe bei ihnen erschien, angeblich „in Kommission," führte den Titel: „Kom¬ mentar über das königl. preuß. Religionsedikt vom 9. Julius 1788. Sr. Ex¬ cellenz dem Herrn Staatsminister von Wöllner zugeeignet. Amsterdam 1788. Der Verfasser dieses Buches war — Pott. Als aber Walther und Pott Besitz heimlich Abschriften gemacht, war dann davongelaufen und hatte Bahrdt in der gemeinsten Weise denunzirt. Siehe darüber: Geschichte und Tagebuch meines Gefängnisses von Dr. Carl Friedrich Bahrdt (Berlin, 17!>0) Seite M fg.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/268>, abgerufen am 25.11.2024.