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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Zur Aonvertirungsfrage

der Staat niemals bieten kann. Die kleinen wie die großen Kapitalisten sind
wirtschaftlich stark, natürlich relativ, auch wenn der Ertrag des Kapitals noch
so gering ist.

Volkswirtschaftlich ist aber ein künstliches Hochhalten des Zinsfußes sicher
von Nachteil. Die Herstellung von Gebrauchsgütern, sowie ihre Umwandlung
in festes Kapital ist natürlich um so größer, je billiger das Geld, je niedriger
der Zinsfuß ist. Die Unternehmer aller Art, in Landwirtschaft und Industrie,
in Handel und Verkehr, werden als solche im ganzen um so größere Gewinne
erzielen, je weniger Zins das in ihrem Unternehmen angelegte Kapital be¬
ansprucht. Es ist dabei gleichgiltig, ob sie mit eignem oder fremden Kapital
arbeiten; was sie als Kapitalisten verlieren, gewinnen sie als Unternehmer,
wenn sich vermöge des billigen Zinsfußes der wirtschaftliche Verkehr belebt
und dadurch der Unternehmergewinn im ganzen steigt. Die Übermacht der
kapitalreichen Länder solchen gegenüber, die durch hohen Zinsfuß belastet siud,
trotz der niedrigern Arbeitslöhne und der häufig leichtern Zugänglichkeit der
Rohmaterialien, beweist unmittelbar die hohe volkswirtschaftliche Bedeutung
eines niedrigen Zinsfußes. Je niedriger der Zinsfuß ist, desto leichter findet
sich das Kapital für Vervollkommnungen und für neue Unternehmungen. Ein
Bahubau, der bei einem bestimmten Stande des Zinsfußes als zu wenig aus¬
sichtsreich unterbleibt, wird bei einem niedriger" Stande für rentabel genug
gehalten, um unternommen zu werden. Für wirklich schnelle Beförderungs¬
mittel, die viele Schwierigkeiten, wie z.B. die, mit denen Berlin zu kämpfen
hat, mit einem Schlage beseitigen würden, in Form von Untergrund- oder
Hochbahnen, würde das Kapital reichlich fließen, wenn das zu erwartende Er¬
trägnis die hohen Anlagekosten hinreichend verzinste, hinreichend, d. h. so weit,
daß sich außer den üblichen Zinsen noch das Risiko solcher Unternehmungen
bezahlt machen würde. Die Höhe des üblichen Zinsfußes ist also in erster
Linie hierfür entscheidend. Wenn das für landwirtschaftliche Verbesserungen
notwendige Kapital zu hinlänglich niedrigem Zinsfuße zu haben wäre, so wäre
damit für die Volkswirtschaft so viel gewonnen, daß die Klagen in der Landwirt¬
schaft und im Handwerk verstummen müßten.

Es wird nun eingewandt, daß vvlkswirtschaftlich die Ansammlung großer
Kapitalien in einzelnen Händen von Nutzen sei, und daß demnach der Schutz
des Kapitals als solchen mit Rücksicht auf die Volkswirtschaft notwendig sei.
Das ist vollkommen richtig, und es ist anzuerkennen, daß eine etwaige Aus¬
gleichung der Vermögensverhältnisse auf die Volkswirtschaft nachteilig einwirken,
die Kultur zurückschrauben würde. Aber diese Thatsache beweist nichts gegen
den Nutzen eines niedrigen Zinfußes. Große Kapitalien werden nicht sowohl
durch Aufhäufung von Zinsen, als durch wirtschaftliche Thätigkeit angesammelt;
eine Durchmusterung der bekanntesten reichen Leute zeigt, daß ihr Reichtum
meist erst wenige Generationen alt, wenn nicht erst von dein jetzigen Besitzer


Zur Aonvertirungsfrage

der Staat niemals bieten kann. Die kleinen wie die großen Kapitalisten sind
wirtschaftlich stark, natürlich relativ, auch wenn der Ertrag des Kapitals noch
so gering ist.

Volkswirtschaftlich ist aber ein künstliches Hochhalten des Zinsfußes sicher
von Nachteil. Die Herstellung von Gebrauchsgütern, sowie ihre Umwandlung
in festes Kapital ist natürlich um so größer, je billiger das Geld, je niedriger
der Zinsfuß ist. Die Unternehmer aller Art, in Landwirtschaft und Industrie,
in Handel und Verkehr, werden als solche im ganzen um so größere Gewinne
erzielen, je weniger Zins das in ihrem Unternehmen angelegte Kapital be¬
ansprucht. Es ist dabei gleichgiltig, ob sie mit eignem oder fremden Kapital
arbeiten; was sie als Kapitalisten verlieren, gewinnen sie als Unternehmer,
wenn sich vermöge des billigen Zinsfußes der wirtschaftliche Verkehr belebt
und dadurch der Unternehmergewinn im ganzen steigt. Die Übermacht der
kapitalreichen Länder solchen gegenüber, die durch hohen Zinsfuß belastet siud,
trotz der niedrigern Arbeitslöhne und der häufig leichtern Zugänglichkeit der
Rohmaterialien, beweist unmittelbar die hohe volkswirtschaftliche Bedeutung
eines niedrigen Zinsfußes. Je niedriger der Zinsfuß ist, desto leichter findet
sich das Kapital für Vervollkommnungen und für neue Unternehmungen. Ein
Bahubau, der bei einem bestimmten Stande des Zinsfußes als zu wenig aus¬
sichtsreich unterbleibt, wird bei einem niedriger» Stande für rentabel genug
gehalten, um unternommen zu werden. Für wirklich schnelle Beförderungs¬
mittel, die viele Schwierigkeiten, wie z.B. die, mit denen Berlin zu kämpfen
hat, mit einem Schlage beseitigen würden, in Form von Untergrund- oder
Hochbahnen, würde das Kapital reichlich fließen, wenn das zu erwartende Er¬
trägnis die hohen Anlagekosten hinreichend verzinste, hinreichend, d. h. so weit,
daß sich außer den üblichen Zinsen noch das Risiko solcher Unternehmungen
bezahlt machen würde. Die Höhe des üblichen Zinsfußes ist also in erster
Linie hierfür entscheidend. Wenn das für landwirtschaftliche Verbesserungen
notwendige Kapital zu hinlänglich niedrigem Zinsfuße zu haben wäre, so wäre
damit für die Volkswirtschaft so viel gewonnen, daß die Klagen in der Landwirt¬
schaft und im Handwerk verstummen müßten.

Es wird nun eingewandt, daß vvlkswirtschaftlich die Ansammlung großer
Kapitalien in einzelnen Händen von Nutzen sei, und daß demnach der Schutz
des Kapitals als solchen mit Rücksicht auf die Volkswirtschaft notwendig sei.
Das ist vollkommen richtig, und es ist anzuerkennen, daß eine etwaige Aus¬
gleichung der Vermögensverhältnisse auf die Volkswirtschaft nachteilig einwirken,
die Kultur zurückschrauben würde. Aber diese Thatsache beweist nichts gegen
den Nutzen eines niedrigen Zinfußes. Große Kapitalien werden nicht sowohl
durch Aufhäufung von Zinsen, als durch wirtschaftliche Thätigkeit angesammelt;
eine Durchmusterung der bekanntesten reichen Leute zeigt, daß ihr Reichtum
meist erst wenige Generationen alt, wenn nicht erst von dein jetzigen Besitzer


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[0260] Zur Aonvertirungsfrage der Staat niemals bieten kann. Die kleinen wie die großen Kapitalisten sind wirtschaftlich stark, natürlich relativ, auch wenn der Ertrag des Kapitals noch so gering ist. Volkswirtschaftlich ist aber ein künstliches Hochhalten des Zinsfußes sicher von Nachteil. Die Herstellung von Gebrauchsgütern, sowie ihre Umwandlung in festes Kapital ist natürlich um so größer, je billiger das Geld, je niedriger der Zinsfuß ist. Die Unternehmer aller Art, in Landwirtschaft und Industrie, in Handel und Verkehr, werden als solche im ganzen um so größere Gewinne erzielen, je weniger Zins das in ihrem Unternehmen angelegte Kapital be¬ ansprucht. Es ist dabei gleichgiltig, ob sie mit eignem oder fremden Kapital arbeiten; was sie als Kapitalisten verlieren, gewinnen sie als Unternehmer, wenn sich vermöge des billigen Zinsfußes der wirtschaftliche Verkehr belebt und dadurch der Unternehmergewinn im ganzen steigt. Die Übermacht der kapitalreichen Länder solchen gegenüber, die durch hohen Zinsfuß belastet siud, trotz der niedrigern Arbeitslöhne und der häufig leichtern Zugänglichkeit der Rohmaterialien, beweist unmittelbar die hohe volkswirtschaftliche Bedeutung eines niedrigen Zinsfußes. Je niedriger der Zinsfuß ist, desto leichter findet sich das Kapital für Vervollkommnungen und für neue Unternehmungen. Ein Bahubau, der bei einem bestimmten Stande des Zinsfußes als zu wenig aus¬ sichtsreich unterbleibt, wird bei einem niedriger» Stande für rentabel genug gehalten, um unternommen zu werden. Für wirklich schnelle Beförderungs¬ mittel, die viele Schwierigkeiten, wie z.B. die, mit denen Berlin zu kämpfen hat, mit einem Schlage beseitigen würden, in Form von Untergrund- oder Hochbahnen, würde das Kapital reichlich fließen, wenn das zu erwartende Er¬ trägnis die hohen Anlagekosten hinreichend verzinste, hinreichend, d. h. so weit, daß sich außer den üblichen Zinsen noch das Risiko solcher Unternehmungen bezahlt machen würde. Die Höhe des üblichen Zinsfußes ist also in erster Linie hierfür entscheidend. Wenn das für landwirtschaftliche Verbesserungen notwendige Kapital zu hinlänglich niedrigem Zinsfuße zu haben wäre, so wäre damit für die Volkswirtschaft so viel gewonnen, daß die Klagen in der Landwirt¬ schaft und im Handwerk verstummen müßten. Es wird nun eingewandt, daß vvlkswirtschaftlich die Ansammlung großer Kapitalien in einzelnen Händen von Nutzen sei, und daß demnach der Schutz des Kapitals als solchen mit Rücksicht auf die Volkswirtschaft notwendig sei. Das ist vollkommen richtig, und es ist anzuerkennen, daß eine etwaige Aus¬ gleichung der Vermögensverhältnisse auf die Volkswirtschaft nachteilig einwirken, die Kultur zurückschrauben würde. Aber diese Thatsache beweist nichts gegen den Nutzen eines niedrigen Zinfußes. Große Kapitalien werden nicht sowohl durch Aufhäufung von Zinsen, als durch wirtschaftliche Thätigkeit angesammelt; eine Durchmusterung der bekanntesten reichen Leute zeigt, daß ihr Reichtum meist erst wenige Generationen alt, wenn nicht erst von dein jetzigen Besitzer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/260>, abgerufen am 24.11.2024.