Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.Landwirt und Spekulant sahen / daß sie,^ anstatt den gehofften Gewinn zu finden, alle Mühseligkeiten ^ Seitdem bei uns die Agrarier die Herrschaft führen/werden einfache und Landwirt und Spekulant sahen / daß sie,^ anstatt den gehofften Gewinn zu finden, alle Mühseligkeiten ^ Seitdem bei uns die Agrarier die Herrschaft führen/werden einfache und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0206" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223148"/> <fw type="header" place="top"> Landwirt und Spekulant</fw><lb/> <p xml:id="ID_615" prev="#ID_614"> sahen / daß sie,^ anstatt den gehofften Gewinn zu finden, alle Mühseligkeiten<lb/> des Betriebes geduldig auf sich nehmen und dann noch von Jahr zu Jahr<lb/> „abschreiben" mußten , ° da fing das Geschrei ein über die erbarmungswürdige<lb/> Lage des trefflichsten aller Berufsstände. Und wer bescheiden auf die Ursachen<lb/> der Not hinzuweisen wagt, wer sagt, es sei bei den Ankäufen oft nicht mit<lb/> der nötigen Vorsicht verfahren worden, und auch der Landmann könne doch<lb/> nicht von der Verantwortlichkeit für die eignen Unternehmungen entbunden<lb/> werden, der — ist ein Feind der Landwirtschaft.</p><lb/> <p xml:id="ID_616"> ^ Seitdem bei uns die Agrarier die Herrschaft führen/werden einfache und<lb/> selbstverständliche Wahrheiten nicht mehr, anerkannt. Die Spekulation aus dem<lb/> wirtschaftlichen Leben ganz verbannen wollen, das hieße einen Hauptantrieb<lb/> der Erwerbsthätigkeit /hinwegnehmen. Wenn aber Ausschreitungen der Spe¬<lb/> kulation verwerflich sind, ja, wie könnte dann der Leichtsinn der Spekulation<lb/> bester gefördert werden, als wenn dem Staate die Verantwortlichkeit für das<lb/> Mißlingen von Spekulationen aufgebürdet wird, als wenn dem Spekulanten<lb/> für das Mißlingen seines Unternehmens eine Entschädigung bewilligt und damit<lb/> dem unvorsichtig Spekulirenden die Strafe abgenommen wird, die ihn ge¬<lb/> rechterweise trifft? Welche Spekulation ist sittlich besser berechtigt und vom<lb/> volkswirtschaftlichen Standpunkt aus wertvoller, die , für/die keine Beihilfe<lb/> begehrt wird, die auf dem Boden der Gleichberechtigung um den Gewinn<lb/> kämpfen will, ^ oder die, zu deren Gunsten der ganz unerhörte Anspruch erhoben<lb/> wird, daß der Staat mit seiner Macht auf ihre Seite trete, jede Gefahr des<lb/> Mißerfolges von ihr abwehre? Heute kann bei Landankäufen nicht, wie früher,<lb/> auf fortgesetztes Steigen der natürlichen Konjunkturen gerechnet werden. Wohl<lb/> aber kann eine andre Spekulation,, die Spekulation auf Staatshilfe, bei An¬<lb/> käufen eine Rolle spielen und dazu verführen, die nötige Vorsicht außer Acht<lb/> zu lassen. Die Vorstellung, daß der Staat verpflichtet sei, dem Unternehmer<lb/> Vetriebszuschüsfe in der einen oder andern Form zu geben, kann nur unheil¬<lb/> voll einwirken aus die Vertreter des Gewerbes, dem man dadurch zu dienen<lb/> glaubt. Diese Spekulation wird sich früher oder später.als trügerisch erweisen,<lb/> denn kommen wird und muß eine Zeit, wo die Nachgiebigkeit der Gesetzgebung<lb/> durch die Unmöglichkeit der Befriedigung dieser sich immer mehr steigernden<lb/> Forderungen eine Grenze findet, wo man sich auch im Volke dieser Bestrebungen<lb/> kräftiger zu erwehren beginnt. Dann wird auch das' Messen mit zweierlei<lb/> Maß aufhören. Man wird einsehen, daß es eine Ungerechtigkeit ist, die Ge¬<lb/> winnsucht der einen als Verbrechen zu stempeln, während gleichzeitig verlangt<lb/> wird, daß der Staat die Gewinnsucht der andern durch seine Hilfe und aus<lb/> Kosten der Armem befriedige. ^ .</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0206]
Landwirt und Spekulant
sahen / daß sie,^ anstatt den gehofften Gewinn zu finden, alle Mühseligkeiten
des Betriebes geduldig auf sich nehmen und dann noch von Jahr zu Jahr
„abschreiben" mußten , ° da fing das Geschrei ein über die erbarmungswürdige
Lage des trefflichsten aller Berufsstände. Und wer bescheiden auf die Ursachen
der Not hinzuweisen wagt, wer sagt, es sei bei den Ankäufen oft nicht mit
der nötigen Vorsicht verfahren worden, und auch der Landmann könne doch
nicht von der Verantwortlichkeit für die eignen Unternehmungen entbunden
werden, der — ist ein Feind der Landwirtschaft.
^ Seitdem bei uns die Agrarier die Herrschaft führen/werden einfache und
selbstverständliche Wahrheiten nicht mehr, anerkannt. Die Spekulation aus dem
wirtschaftlichen Leben ganz verbannen wollen, das hieße einen Hauptantrieb
der Erwerbsthätigkeit /hinwegnehmen. Wenn aber Ausschreitungen der Spe¬
kulation verwerflich sind, ja, wie könnte dann der Leichtsinn der Spekulation
bester gefördert werden, als wenn dem Staate die Verantwortlichkeit für das
Mißlingen von Spekulationen aufgebürdet wird, als wenn dem Spekulanten
für das Mißlingen seines Unternehmens eine Entschädigung bewilligt und damit
dem unvorsichtig Spekulirenden die Strafe abgenommen wird, die ihn ge¬
rechterweise trifft? Welche Spekulation ist sittlich besser berechtigt und vom
volkswirtschaftlichen Standpunkt aus wertvoller, die , für/die keine Beihilfe
begehrt wird, die auf dem Boden der Gleichberechtigung um den Gewinn
kämpfen will, ^ oder die, zu deren Gunsten der ganz unerhörte Anspruch erhoben
wird, daß der Staat mit seiner Macht auf ihre Seite trete, jede Gefahr des
Mißerfolges von ihr abwehre? Heute kann bei Landankäufen nicht, wie früher,
auf fortgesetztes Steigen der natürlichen Konjunkturen gerechnet werden. Wohl
aber kann eine andre Spekulation,, die Spekulation auf Staatshilfe, bei An¬
käufen eine Rolle spielen und dazu verführen, die nötige Vorsicht außer Acht
zu lassen. Die Vorstellung, daß der Staat verpflichtet sei, dem Unternehmer
Vetriebszuschüsfe in der einen oder andern Form zu geben, kann nur unheil¬
voll einwirken aus die Vertreter des Gewerbes, dem man dadurch zu dienen
glaubt. Diese Spekulation wird sich früher oder später.als trügerisch erweisen,
denn kommen wird und muß eine Zeit, wo die Nachgiebigkeit der Gesetzgebung
durch die Unmöglichkeit der Befriedigung dieser sich immer mehr steigernden
Forderungen eine Grenze findet, wo man sich auch im Volke dieser Bestrebungen
kräftiger zu erwehren beginnt. Dann wird auch das' Messen mit zweierlei
Maß aufhören. Man wird einsehen, daß es eine Ungerechtigkeit ist, die Ge¬
winnsucht der einen als Verbrechen zu stempeln, während gleichzeitig verlangt
wird, daß der Staat die Gewinnsucht der andern durch seine Hilfe und aus
Kosten der Armem befriedige. ^ .
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