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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Landwirt und Spekulant

diesen Vorschlägen in so auffälliger Weise hervortreten. Denn was anders
ist der Grundgedanke der agrarischen Bestrebungen, als das Verlangen, daß
die Möglichkeit des Mißerfolgs aus den landwirtschaftlichen Unternehmungen
ausgemerzt werde? Wenn sich der Landmann bei seinen Unternehmungen ver¬
rechnet hat, so soll ihm der Staat zu Hilfe kommen und ihn herausreißen.
Das wird nicht erst hente verlangt; das ist seit Jahren verlangt worden. Auch
ist dem Landmann bei seinen Unternehmungen das spekuliren nicht so fremd,
seine Abneigung dagegen nicht so groß, wie man nach unsrer Schilderung
annehmen sollte. Es gab eine Zeit, wo in der Landwirtschaft recht stark
spekulirt wurde, und zwar beschränkte man sich dabei nicht auf eine gewisse
Anzahl von Säcken Getreide; man spekulirte mit der ganzen Habe, mit
Haus und Hof. Gegen diese im weitesten Umfange betriebne Spekulation
ist ja die Spekulation des Herrn v. Plötz nur "ganz klein" und bescheiden.
Spekulation war es, wenn Landbesitze gekauft wurden in der Erwartung, daß
nach wenigen Jahren ein vorteilhafter Wiederverkauf möglich sein werde. Und
diese Spekulation war oft recht gewagt. Denn nicht die Einträglichkeit der
Grundstücke an und für sich bildete den Wertmesser, nach dem der Kaufpreis
bemessen wurde, sondern nur die Erwartung eines weitern Steigens der Land-
Preise, die sich auf die Erfahrung gründete, daß die Landpreise Jahrzehnte
hindurch gestiegen waren, erhöhte den thatsächlich für die Güter bezahlten
Preis. Ein eingebildeter Wert, ein Spekulationswert, trat an die Stelle des
wirklichen Wertes der Landgüter. Viel zu teuer! so lautete das Urteil namentlich
älterer und erfahrner Landleute fast bei jedem neuen Ankauf. Aber der Käufer,
mit dem fröhlichen Mut der Jugend ausgestattet, glaubte das Kopfschütteln
bedächtiger Nachbarn verachten zu können. Denn er befand sich, wurde be¬
hauptet, gewissermaßen in einer Zwangslage. Er mußte, wenn er sich an¬
kaufen wollte, den üblichen Preis zahlen, wenn dieser auch zu hoch sein mochte.
Aber wenn auch an Verzinsung des Kaufobjekts nicht zu denken war, was
hatte das zu sagen, solange der Käufer darauf rechnen konnte, daß er. wenn
er des Betriebs müde wäre und ihn zu wenig lohnend fände, nach wenigen
Jahren einen Abnehmer finden und dazu noch einen Gewinn machen werde?
Hatte er dann einige Jahre die Leiden der Landwirtschaft gekostet und in
üblicher Weise über diese Leiden geächzt und gestöhnt, vielleicht auch bei der
Wirtschaft etwas Kapital zugesetzt, so war er bei einem günstigen Wieder¬
verkauf doch noch "schön heraus." Damals wurde nicht geschrieen, und es
war auch kein Anlaß zum Schreien. Wenn auch über die Schwierigkeiten des
Betriebes und die geringe Einträglichkeit der Grundstücke geklagt wurde, dachte
man doch nicht daran, den Ruf nach Staatshilfe zu erheben. Käufer und
Verkäufer waren gleichmüßig zufrieden. Der Verkäufer konnte, wenn er eine
längere Reihe von Jahren gewirtschaftet hatte, den ganzen Gewinn, den ihm
das fortgesetzte Steigen der Landpreise verschaffte, einstreichen und sich als


Landwirt und Spekulant

diesen Vorschlägen in so auffälliger Weise hervortreten. Denn was anders
ist der Grundgedanke der agrarischen Bestrebungen, als das Verlangen, daß
die Möglichkeit des Mißerfolgs aus den landwirtschaftlichen Unternehmungen
ausgemerzt werde? Wenn sich der Landmann bei seinen Unternehmungen ver¬
rechnet hat, so soll ihm der Staat zu Hilfe kommen und ihn herausreißen.
Das wird nicht erst hente verlangt; das ist seit Jahren verlangt worden. Auch
ist dem Landmann bei seinen Unternehmungen das spekuliren nicht so fremd,
seine Abneigung dagegen nicht so groß, wie man nach unsrer Schilderung
annehmen sollte. Es gab eine Zeit, wo in der Landwirtschaft recht stark
spekulirt wurde, und zwar beschränkte man sich dabei nicht auf eine gewisse
Anzahl von Säcken Getreide; man spekulirte mit der ganzen Habe, mit
Haus und Hof. Gegen diese im weitesten Umfange betriebne Spekulation
ist ja die Spekulation des Herrn v. Plötz nur „ganz klein" und bescheiden.
Spekulation war es, wenn Landbesitze gekauft wurden in der Erwartung, daß
nach wenigen Jahren ein vorteilhafter Wiederverkauf möglich sein werde. Und
diese Spekulation war oft recht gewagt. Denn nicht die Einträglichkeit der
Grundstücke an und für sich bildete den Wertmesser, nach dem der Kaufpreis
bemessen wurde, sondern nur die Erwartung eines weitern Steigens der Land-
Preise, die sich auf die Erfahrung gründete, daß die Landpreise Jahrzehnte
hindurch gestiegen waren, erhöhte den thatsächlich für die Güter bezahlten
Preis. Ein eingebildeter Wert, ein Spekulationswert, trat an die Stelle des
wirklichen Wertes der Landgüter. Viel zu teuer! so lautete das Urteil namentlich
älterer und erfahrner Landleute fast bei jedem neuen Ankauf. Aber der Käufer,
mit dem fröhlichen Mut der Jugend ausgestattet, glaubte das Kopfschütteln
bedächtiger Nachbarn verachten zu können. Denn er befand sich, wurde be¬
hauptet, gewissermaßen in einer Zwangslage. Er mußte, wenn er sich an¬
kaufen wollte, den üblichen Preis zahlen, wenn dieser auch zu hoch sein mochte.
Aber wenn auch an Verzinsung des Kaufobjekts nicht zu denken war, was
hatte das zu sagen, solange der Käufer darauf rechnen konnte, daß er. wenn
er des Betriebs müde wäre und ihn zu wenig lohnend fände, nach wenigen
Jahren einen Abnehmer finden und dazu noch einen Gewinn machen werde?
Hatte er dann einige Jahre die Leiden der Landwirtschaft gekostet und in
üblicher Weise über diese Leiden geächzt und gestöhnt, vielleicht auch bei der
Wirtschaft etwas Kapital zugesetzt, so war er bei einem günstigen Wieder¬
verkauf doch noch „schön heraus." Damals wurde nicht geschrieen, und es
war auch kein Anlaß zum Schreien. Wenn auch über die Schwierigkeiten des
Betriebes und die geringe Einträglichkeit der Grundstücke geklagt wurde, dachte
man doch nicht daran, den Ruf nach Staatshilfe zu erheben. Käufer und
Verkäufer waren gleichmüßig zufrieden. Der Verkäufer konnte, wenn er eine
längere Reihe von Jahren gewirtschaftet hatte, den ganzen Gewinn, den ihm
das fortgesetzte Steigen der Landpreise verschaffte, einstreichen und sich als


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[0204] Landwirt und Spekulant diesen Vorschlägen in so auffälliger Weise hervortreten. Denn was anders ist der Grundgedanke der agrarischen Bestrebungen, als das Verlangen, daß die Möglichkeit des Mißerfolgs aus den landwirtschaftlichen Unternehmungen ausgemerzt werde? Wenn sich der Landmann bei seinen Unternehmungen ver¬ rechnet hat, so soll ihm der Staat zu Hilfe kommen und ihn herausreißen. Das wird nicht erst hente verlangt; das ist seit Jahren verlangt worden. Auch ist dem Landmann bei seinen Unternehmungen das spekuliren nicht so fremd, seine Abneigung dagegen nicht so groß, wie man nach unsrer Schilderung annehmen sollte. Es gab eine Zeit, wo in der Landwirtschaft recht stark spekulirt wurde, und zwar beschränkte man sich dabei nicht auf eine gewisse Anzahl von Säcken Getreide; man spekulirte mit der ganzen Habe, mit Haus und Hof. Gegen diese im weitesten Umfange betriebne Spekulation ist ja die Spekulation des Herrn v. Plötz nur „ganz klein" und bescheiden. Spekulation war es, wenn Landbesitze gekauft wurden in der Erwartung, daß nach wenigen Jahren ein vorteilhafter Wiederverkauf möglich sein werde. Und diese Spekulation war oft recht gewagt. Denn nicht die Einträglichkeit der Grundstücke an und für sich bildete den Wertmesser, nach dem der Kaufpreis bemessen wurde, sondern nur die Erwartung eines weitern Steigens der Land- Preise, die sich auf die Erfahrung gründete, daß die Landpreise Jahrzehnte hindurch gestiegen waren, erhöhte den thatsächlich für die Güter bezahlten Preis. Ein eingebildeter Wert, ein Spekulationswert, trat an die Stelle des wirklichen Wertes der Landgüter. Viel zu teuer! so lautete das Urteil namentlich älterer und erfahrner Landleute fast bei jedem neuen Ankauf. Aber der Käufer, mit dem fröhlichen Mut der Jugend ausgestattet, glaubte das Kopfschütteln bedächtiger Nachbarn verachten zu können. Denn er befand sich, wurde be¬ hauptet, gewissermaßen in einer Zwangslage. Er mußte, wenn er sich an¬ kaufen wollte, den üblichen Preis zahlen, wenn dieser auch zu hoch sein mochte. Aber wenn auch an Verzinsung des Kaufobjekts nicht zu denken war, was hatte das zu sagen, solange der Käufer darauf rechnen konnte, daß er. wenn er des Betriebs müde wäre und ihn zu wenig lohnend fände, nach wenigen Jahren einen Abnehmer finden und dazu noch einen Gewinn machen werde? Hatte er dann einige Jahre die Leiden der Landwirtschaft gekostet und in üblicher Weise über diese Leiden geächzt und gestöhnt, vielleicht auch bei der Wirtschaft etwas Kapital zugesetzt, so war er bei einem günstigen Wieder¬ verkauf doch noch „schön heraus." Damals wurde nicht geschrieen, und es war auch kein Anlaß zum Schreien. Wenn auch über die Schwierigkeiten des Betriebes und die geringe Einträglichkeit der Grundstücke geklagt wurde, dachte man doch nicht daran, den Ruf nach Staatshilfe zu erheben. Käufer und Verkäufer waren gleichmüßig zufrieden. Der Verkäufer konnte, wenn er eine längere Reihe von Jahren gewirtschaftet hatte, den ganzen Gewinn, den ihm das fortgesetzte Steigen der Landpreise verschaffte, einstreichen und sich als

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/204>, abgerufen am 01.09.2024.