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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Landwirt und Spekulant

er stärkste Gegensatz, so wird gesagt, seien Landwirt und Spe¬
kulant. Mit der Berufsthätigkeit des Landmanns hänge seine
Abneigung gegen das spekuliren notwendig zusammen; er ver¬
schmähe es und halte es für unehrenhaft, auf so leichte Art Geld
zu verdienen. Die landwirtschaftliche Berufsthätigkeit soll nun
einmal das Muster aller Erwerbsthätigkeit sein. Als mühevoll und verhältnis¬
mäßig gering lohnend, der bescheidnen Denkweise des Landmanns entsprechend,
wird sie gegenübergestellt dem hastigen Jagen nach Erwerb, das für den Kauf¬
mann bezeichnend sein soll. Besonders wo sich dieser mit landwirtschaftlichen Er¬
zeugnissen befaßt, wird ihm scharf aufgepaßt, werden allerlei unehrliche Künste ge¬
wittert, deren er sich schuldig machen soll. Denn bei diesem Handel ist es ja immer
der arme Landmann, der zu wenig, und der böse Kaufmann, der zu viel erhält.
Darum kann es bei diesem Handel nicht mit rechten Dingen zugehen. Nein,
es kann nicht mit rechten Dingen zugehen, daß das Getreide billig ist, solange
es der Landmann in den Händen hat, und teurer wird, wenn er es an den
Händler abgegeben hat. Man könnte zwar einwenden, daß mit dem "Schwinden"
des Getreides, den Kosten des Lagerplatzes, der mit dem Lagern verbundnen
Arbeit, dem Kapitalverlust, dem Risiko immer eine gewisse Verteuerung zu¬
sammenhänge, daß übrigens ein Steigen der Preise in der Zeit, wo der Land¬
mann sein Getreide abgegeben hat, gar nicht ausnahmslose Regel sei, daß,
wenn das so wäre, der Landmann in der Zurückhaltung des Getreides ein
sehr einfaches Mittel hätte, sich gegen den ihm drohenden Verlust zu schützen.
Der agrarischen Agitation paßt es nicht, so naheliegende Einwände zu be¬
achten. Es bleibt dabei, daß der Händler ein Schwindler ist. Und die Waffe,
die er gegen den Landmann schwingt, und gegen die sich dieser nicht zu wehren
versteht, heißt Spekulation.


Grenzboten III 1396 25


Landwirt und Spekulant

er stärkste Gegensatz, so wird gesagt, seien Landwirt und Spe¬
kulant. Mit der Berufsthätigkeit des Landmanns hänge seine
Abneigung gegen das spekuliren notwendig zusammen; er ver¬
schmähe es und halte es für unehrenhaft, auf so leichte Art Geld
zu verdienen. Die landwirtschaftliche Berufsthätigkeit soll nun
einmal das Muster aller Erwerbsthätigkeit sein. Als mühevoll und verhältnis¬
mäßig gering lohnend, der bescheidnen Denkweise des Landmanns entsprechend,
wird sie gegenübergestellt dem hastigen Jagen nach Erwerb, das für den Kauf¬
mann bezeichnend sein soll. Besonders wo sich dieser mit landwirtschaftlichen Er¬
zeugnissen befaßt, wird ihm scharf aufgepaßt, werden allerlei unehrliche Künste ge¬
wittert, deren er sich schuldig machen soll. Denn bei diesem Handel ist es ja immer
der arme Landmann, der zu wenig, und der böse Kaufmann, der zu viel erhält.
Darum kann es bei diesem Handel nicht mit rechten Dingen zugehen. Nein,
es kann nicht mit rechten Dingen zugehen, daß das Getreide billig ist, solange
es der Landmann in den Händen hat, und teurer wird, wenn er es an den
Händler abgegeben hat. Man könnte zwar einwenden, daß mit dem „Schwinden"
des Getreides, den Kosten des Lagerplatzes, der mit dem Lagern verbundnen
Arbeit, dem Kapitalverlust, dem Risiko immer eine gewisse Verteuerung zu¬
sammenhänge, daß übrigens ein Steigen der Preise in der Zeit, wo der Land¬
mann sein Getreide abgegeben hat, gar nicht ausnahmslose Regel sei, daß,
wenn das so wäre, der Landmann in der Zurückhaltung des Getreides ein
sehr einfaches Mittel hätte, sich gegen den ihm drohenden Verlust zu schützen.
Der agrarischen Agitation paßt es nicht, so naheliegende Einwände zu be¬
achten. Es bleibt dabei, daß der Händler ein Schwindler ist. Und die Waffe,
die er gegen den Landmann schwingt, und gegen die sich dieser nicht zu wehren
versteht, heißt Spekulation.


Grenzboten III 1396 25
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[0201] [Abbildung] Landwirt und Spekulant er stärkste Gegensatz, so wird gesagt, seien Landwirt und Spe¬ kulant. Mit der Berufsthätigkeit des Landmanns hänge seine Abneigung gegen das spekuliren notwendig zusammen; er ver¬ schmähe es und halte es für unehrenhaft, auf so leichte Art Geld zu verdienen. Die landwirtschaftliche Berufsthätigkeit soll nun einmal das Muster aller Erwerbsthätigkeit sein. Als mühevoll und verhältnis¬ mäßig gering lohnend, der bescheidnen Denkweise des Landmanns entsprechend, wird sie gegenübergestellt dem hastigen Jagen nach Erwerb, das für den Kauf¬ mann bezeichnend sein soll. Besonders wo sich dieser mit landwirtschaftlichen Er¬ zeugnissen befaßt, wird ihm scharf aufgepaßt, werden allerlei unehrliche Künste ge¬ wittert, deren er sich schuldig machen soll. Denn bei diesem Handel ist es ja immer der arme Landmann, der zu wenig, und der böse Kaufmann, der zu viel erhält. Darum kann es bei diesem Handel nicht mit rechten Dingen zugehen. Nein, es kann nicht mit rechten Dingen zugehen, daß das Getreide billig ist, solange es der Landmann in den Händen hat, und teurer wird, wenn er es an den Händler abgegeben hat. Man könnte zwar einwenden, daß mit dem „Schwinden" des Getreides, den Kosten des Lagerplatzes, der mit dem Lagern verbundnen Arbeit, dem Kapitalverlust, dem Risiko immer eine gewisse Verteuerung zu¬ sammenhänge, daß übrigens ein Steigen der Preise in der Zeit, wo der Land¬ mann sein Getreide abgegeben hat, gar nicht ausnahmslose Regel sei, daß, wenn das so wäre, der Landmann in der Zurückhaltung des Getreides ein sehr einfaches Mittel hätte, sich gegen den ihm drohenden Verlust zu schützen. Der agrarischen Agitation paßt es nicht, so naheliegende Einwände zu be¬ achten. Es bleibt dabei, daß der Händler ein Schwindler ist. Und die Waffe, die er gegen den Landmann schwingt, und gegen die sich dieser nicht zu wehren versteht, heißt Spekulation. Grenzboten III 1396 25

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/201>, abgerufen am 01.09.2024.