Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.Zur Litteraturgeschichte dann seine Freunde. Sie könnten für seinen eignen Wert zeugen, wenn es Zur Litteraturgeschichte 2 le deutsche Litteraturgeschichte in der Schule gehört zu deu Kampf¬ Zur Litteraturgeschichte dann seine Freunde. Sie könnten für seinen eignen Wert zeugen, wenn es Zur Litteraturgeschichte 2 le deutsche Litteraturgeschichte in der Schule gehört zu deu Kampf¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0189" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/223131"/> <fw type="header" place="top"> Zur Litteraturgeschichte</fw><lb/> <p xml:id="ID_572" prev="#ID_571"> dann seine Freunde. Sie könnten für seinen eignen Wert zeugen, wenn es<lb/> nötig wäre. Treitschke war jünger als er. politisch energischer gerichtet, streit¬<lb/> haft und auch sonst sehr verschieden von Curtius. Beide Männer waren aber<lb/> eins in der Liebe zum Wahren und zum Schönen. Sie standen einander seit<lb/> vielen Jahren innerlich sehr nahe. Nun sind sie, der Greis und der Mann<lb/> in der Vollkraft seiner Jahre, getrennt durch kurze Frist hinübergegangen in<lb/> das unbekannte Land, beide in dem festen Glanben, daß ihr Leben wohl sür<lb/> die hier zurückgebliebnen Angehörigen, aber nicht für sie selbst ein Ende gefunden<lb/> hat. Wer wird nicht um sie trauern, wer sich nicht mit uns freuen, daß wir<lb/> sie gehabt haben!</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Zur Litteraturgeschichte<lb/> 2 </head><lb/> <p xml:id="ID_573" next="#ID_574"> le deutsche Litteraturgeschichte in der Schule gehört zu deu Kampf¬<lb/> gegenständen, über die sich die streitenden Lehrer nicht zu einigen<lb/> wissen. Während von der einen Seite die zum Teil berechtigte<lb/> Anklage erschallt, daß die üblich gewordnen Übersichten der deutscheu<lb/> Litteraturgeschichte das Hirn der Schüler mit Namen und Titeln<lb/> füllten, mit denen sich kein lebendiger Eindruck verbinde, zu frühreifen und<lb/> kecken Urteilen Anlaß gäben und alle lebendige Teilnahme um den poetischen<lb/> Schöpfungen der Nationallitteratur im Keime zerstörten, auch daß dem viel<lb/> wichtigern Lesen klassischer Werke kostbare Zeit entzogen werde, wird auf der<lb/> andern Seite, wo man die Litteraturgeschichte der Schule erhalten möchte,<lb/> geltend gemacht, daß die Entwicklung gezeigt und gegeben werden müsse, da<lb/> sonst der Schiller am Schluß seiner Lernzeit der deutschen Litteratur, dem<lb/> köstlichsten Vermächtnis der Borfahren, dem höchsten Gute der Nation, ver¬<lb/> ständnislos gegenüberstehe. Es wird immer auf die persönliche Erfassung, die<lb/> Art des Betriebs ankommen, ob die Litteraturgeschichte im Gymnasium und<lb/> in der „höhern" Mädchenschule zum Segen oder zum Nachteil gereicht, ob sie<lb/> den geschichtlichen Sinn neben dem ästhetischen entwickelt oder den ästhetischen<lb/> gefährdet, ob sie Gennßfrendigkcit weckt oder ertötet. In diesem Sinne sagt<lb/> Gotthold Klee mit Recht: „Ein Primaner, der beim Verlassen des Gym¬<lb/> nasiums, nachdem er Nibelungen und Walther, Lessing, Goethe und Schiller<lb/> gelesen und hoffentlich lieben gelernt hat, diese großen Erscheinungen nicht<lb/> auch in ihrem historischen Zusammenhang einigermaßen zu begreifen und zu<lb/> würdigen wüßte, der keine Ahnung von dem Entwicklungsgange der deutschen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0189]
Zur Litteraturgeschichte
dann seine Freunde. Sie könnten für seinen eignen Wert zeugen, wenn es
nötig wäre. Treitschke war jünger als er. politisch energischer gerichtet, streit¬
haft und auch sonst sehr verschieden von Curtius. Beide Männer waren aber
eins in der Liebe zum Wahren und zum Schönen. Sie standen einander seit
vielen Jahren innerlich sehr nahe. Nun sind sie, der Greis und der Mann
in der Vollkraft seiner Jahre, getrennt durch kurze Frist hinübergegangen in
das unbekannte Land, beide in dem festen Glanben, daß ihr Leben wohl sür
die hier zurückgebliebnen Angehörigen, aber nicht für sie selbst ein Ende gefunden
hat. Wer wird nicht um sie trauern, wer sich nicht mit uns freuen, daß wir
sie gehabt haben!
Zur Litteraturgeschichte
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le deutsche Litteraturgeschichte in der Schule gehört zu deu Kampf¬
gegenständen, über die sich die streitenden Lehrer nicht zu einigen
wissen. Während von der einen Seite die zum Teil berechtigte
Anklage erschallt, daß die üblich gewordnen Übersichten der deutscheu
Litteraturgeschichte das Hirn der Schüler mit Namen und Titeln
füllten, mit denen sich kein lebendiger Eindruck verbinde, zu frühreifen und
kecken Urteilen Anlaß gäben und alle lebendige Teilnahme um den poetischen
Schöpfungen der Nationallitteratur im Keime zerstörten, auch daß dem viel
wichtigern Lesen klassischer Werke kostbare Zeit entzogen werde, wird auf der
andern Seite, wo man die Litteraturgeschichte der Schule erhalten möchte,
geltend gemacht, daß die Entwicklung gezeigt und gegeben werden müsse, da
sonst der Schiller am Schluß seiner Lernzeit der deutschen Litteratur, dem
köstlichsten Vermächtnis der Borfahren, dem höchsten Gute der Nation, ver¬
ständnislos gegenüberstehe. Es wird immer auf die persönliche Erfassung, die
Art des Betriebs ankommen, ob die Litteraturgeschichte im Gymnasium und
in der „höhern" Mädchenschule zum Segen oder zum Nachteil gereicht, ob sie
den geschichtlichen Sinn neben dem ästhetischen entwickelt oder den ästhetischen
gefährdet, ob sie Gennßfrendigkcit weckt oder ertötet. In diesem Sinne sagt
Gotthold Klee mit Recht: „Ein Primaner, der beim Verlassen des Gym¬
nasiums, nachdem er Nibelungen und Walther, Lessing, Goethe und Schiller
gelesen und hoffentlich lieben gelernt hat, diese großen Erscheinungen nicht
auch in ihrem historischen Zusammenhang einigermaßen zu begreifen und zu
würdigen wüßte, der keine Ahnung von dem Entwicklungsgange der deutschen
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