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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Die Berliner GeWerbeausstellung

der letzten Zeit einigermaßen entschuldigt werden kann. Für Herrn Rusland
steht es fest, daß es sich hierbei nur um eine Verschwörung der Getreide¬
spekulanten gegen den armen Stand des Landmanns handeln kann. Die
Börse will sich rächen sür das Verbot des Getreideterminhandels; sie treibt
den Preisdruck so weit, daß dadurch die Wirtschaft vieler Landwirte ver¬
nichtet wird. Wenn die Börse wirklich diese unheimliche Macht haben sollte,
die sie dann gelegentlich auch einmal zu übermäßigem Hinaufschrauben der
Preise benutzen könnte, so muß man Herrn Rusland wohl darin Recht geben,
daß gegen solches Treiben ein Einschreiten des Staates geboten sei. Einst¬
weilen aber wollen wir nicht an Hexerei glauben, die Ausführungen des Herrn
Rusland sind uns nur ein Beweis dafür, wie man sich in abgeschmackte ein¬
seitige Theorien verrennen kann. Es muß auch solche Käuze geben.




Die Berliner Gewerbeausstellung
V N). Treptow on

ends Wochen nach der Eröffnung ist die Berliner GeWerbeaus¬
stellung endlich so weit, daß eine eingehende Beurteilung dessen,
was geleistet ist, und was sie bietet, und dessen, was sie hätte
bieten können, möglich ist. Am 1. Mai bei der Eröffnung, viel
schlimmer aber noch in den ersten Wochen nach der Eröffnungs¬
feier, nachdem der Pflanzen- und Fahnenschmuck, der alles Unfertige verhüllte,
eifrig schaffenden und hämmernden Arbeitern Platz gemacht hatte, war die
Ausstellung in einem Zustande, der eines solchen Unternehmens nicht würdig
war. Es sind in den letzten Jahrzehnten wahrhaftig Ausstellungen genug ge¬
wesen, von denen der leitende Ausschuß hätte lernen können, zeitig anzufangen.
Wir hoffen, daß der Arbeitsausschuß inzwischen wohl selbst eingesehen haben
wird, daß in jeder Beziehung zu spät angefangen worden ist. Wenn zur Ent¬
schuldigung des unfertigen Zustandes bei der Eröffnung die geringfügigen
Streiks angeführt werden, so muß das aus mehreren Gründen zurückgewiesen
werden. Erfahrungsgemäß sind Streiks bei solchen außergewöhnlichen Ver¬
anstaltungen ein Umstand, mit dem stets gerechnet werden muß, weil er, wenn
er nicht in einen wochenlangen allgemeinen Streik ausartet, zu den von vorn¬
herein zu berücksichtigenden bekannten, ganz gewöhnlichen Erscheinungen eines
solchen Unternehmens gehört. Im vorliegenden Falle sind alle Versuche, die
übrigens immer auf kleine Kreise beschränkt blieben, leicht und rasch dadurch


Grenzboten III 1896 2
Die Berliner GeWerbeausstellung

der letzten Zeit einigermaßen entschuldigt werden kann. Für Herrn Rusland
steht es fest, daß es sich hierbei nur um eine Verschwörung der Getreide¬
spekulanten gegen den armen Stand des Landmanns handeln kann. Die
Börse will sich rächen sür das Verbot des Getreideterminhandels; sie treibt
den Preisdruck so weit, daß dadurch die Wirtschaft vieler Landwirte ver¬
nichtet wird. Wenn die Börse wirklich diese unheimliche Macht haben sollte,
die sie dann gelegentlich auch einmal zu übermäßigem Hinaufschrauben der
Preise benutzen könnte, so muß man Herrn Rusland wohl darin Recht geben,
daß gegen solches Treiben ein Einschreiten des Staates geboten sei. Einst¬
weilen aber wollen wir nicht an Hexerei glauben, die Ausführungen des Herrn
Rusland sind uns nur ein Beweis dafür, wie man sich in abgeschmackte ein¬
seitige Theorien verrennen kann. Es muß auch solche Käuze geben.




Die Berliner Gewerbeausstellung
V N). Treptow on

ends Wochen nach der Eröffnung ist die Berliner GeWerbeaus¬
stellung endlich so weit, daß eine eingehende Beurteilung dessen,
was geleistet ist, und was sie bietet, und dessen, was sie hätte
bieten können, möglich ist. Am 1. Mai bei der Eröffnung, viel
schlimmer aber noch in den ersten Wochen nach der Eröffnungs¬
feier, nachdem der Pflanzen- und Fahnenschmuck, der alles Unfertige verhüllte,
eifrig schaffenden und hämmernden Arbeitern Platz gemacht hatte, war die
Ausstellung in einem Zustande, der eines solchen Unternehmens nicht würdig
war. Es sind in den letzten Jahrzehnten wahrhaftig Ausstellungen genug ge¬
wesen, von denen der leitende Ausschuß hätte lernen können, zeitig anzufangen.
Wir hoffen, daß der Arbeitsausschuß inzwischen wohl selbst eingesehen haben
wird, daß in jeder Beziehung zu spät angefangen worden ist. Wenn zur Ent¬
schuldigung des unfertigen Zustandes bei der Eröffnung die geringfügigen
Streiks angeführt werden, so muß das aus mehreren Gründen zurückgewiesen
werden. Erfahrungsgemäß sind Streiks bei solchen außergewöhnlichen Ver¬
anstaltungen ein Umstand, mit dem stets gerechnet werden muß, weil er, wenn
er nicht in einen wochenlangen allgemeinen Streik ausartet, zu den von vorn¬
herein zu berücksichtigenden bekannten, ganz gewöhnlichen Erscheinungen eines
solchen Unternehmens gehört. Im vorliegenden Falle sind alle Versuche, die
übrigens immer auf kleine Kreise beschränkt blieben, leicht und rasch dadurch


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[0017] Die Berliner GeWerbeausstellung der letzten Zeit einigermaßen entschuldigt werden kann. Für Herrn Rusland steht es fest, daß es sich hierbei nur um eine Verschwörung der Getreide¬ spekulanten gegen den armen Stand des Landmanns handeln kann. Die Börse will sich rächen sür das Verbot des Getreideterminhandels; sie treibt den Preisdruck so weit, daß dadurch die Wirtschaft vieler Landwirte ver¬ nichtet wird. Wenn die Börse wirklich diese unheimliche Macht haben sollte, die sie dann gelegentlich auch einmal zu übermäßigem Hinaufschrauben der Preise benutzen könnte, so muß man Herrn Rusland wohl darin Recht geben, daß gegen solches Treiben ein Einschreiten des Staates geboten sei. Einst¬ weilen aber wollen wir nicht an Hexerei glauben, die Ausführungen des Herrn Rusland sind uns nur ein Beweis dafür, wie man sich in abgeschmackte ein¬ seitige Theorien verrennen kann. Es muß auch solche Käuze geben. Die Berliner Gewerbeausstellung V N). Treptow on ends Wochen nach der Eröffnung ist die Berliner GeWerbeaus¬ stellung endlich so weit, daß eine eingehende Beurteilung dessen, was geleistet ist, und was sie bietet, und dessen, was sie hätte bieten können, möglich ist. Am 1. Mai bei der Eröffnung, viel schlimmer aber noch in den ersten Wochen nach der Eröffnungs¬ feier, nachdem der Pflanzen- und Fahnenschmuck, der alles Unfertige verhüllte, eifrig schaffenden und hämmernden Arbeitern Platz gemacht hatte, war die Ausstellung in einem Zustande, der eines solchen Unternehmens nicht würdig war. Es sind in den letzten Jahrzehnten wahrhaftig Ausstellungen genug ge¬ wesen, von denen der leitende Ausschuß hätte lernen können, zeitig anzufangen. Wir hoffen, daß der Arbeitsausschuß inzwischen wohl selbst eingesehen haben wird, daß in jeder Beziehung zu spät angefangen worden ist. Wenn zur Ent¬ schuldigung des unfertigen Zustandes bei der Eröffnung die geringfügigen Streiks angeführt werden, so muß das aus mehreren Gründen zurückgewiesen werden. Erfahrungsgemäß sind Streiks bei solchen außergewöhnlichen Ver¬ anstaltungen ein Umstand, mit dem stets gerechnet werden muß, weil er, wenn er nicht in einen wochenlangen allgemeinen Streik ausartet, zu den von vorn¬ herein zu berücksichtigenden bekannten, ganz gewöhnlichen Erscheinungen eines solchen Unternehmens gehört. Im vorliegenden Falle sind alle Versuche, die übrigens immer auf kleine Kreise beschränkt blieben, leicht und rasch dadurch Grenzboten III 1896 2

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/17>, abgerufen am 01.09.2024.