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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Deutschland auf der Pariser Weltausstellung 1,9^

zügliches Hand- und Lehrbuch der Ausstelluugspolitik und Ausstellungspraxis
gewesen, aber benutzt worden ist es, wie es scheint, nicht.

Diese Unterlassungssünde ist auch nicht gut gemacht worden durch die
vereinzelten Anläufe zu einer Ausstellungspslege von Reichs wegen bei dieser
oder jener sogenannten Weltausstellung im Auslande, auch nicht durch den
Arbeits- und Geldaufwand für die Ausstellung in Chicago. Solche gelegent¬
liche Ernennungen eines Kommissars für ausländische Ausstellungen können
niemals die Leistungen einer ständigen Behörde ersetzen, wie der württem-
bergischen Landesausstellungskommission, schon deshalb nicht, weil die Pflege
des einheimischen Ausstellungswesens, das heißt die unerläßliche Vorschule
sehlt. Wir brauchen die Vernachlässigung des einheimischen Ausstellungs-
wesens durch das Reichsamt des Innern hier nicht unser zu beleuchten.
Die Thatsache, daß die gerade auch von der uichtpreußischen Industrie
seinerzeit warm befürwortete deutsch-nationale Ausstellung in der Reichs-
hauptstadt verdrängt worden ist durch die Berliner Gewerbeausstelluug
dieses Jahres und durch eine Reihe andrer, zum Teil wohlgelungner Aus¬
stellungen in andern Orten Deutschlands, spricht laut genug. Die Herren in
den Berliner Behörden wollten sich grundsätzlich nicht darum kümmern, sie
wollten grundsätzlich nichts lernen, und an Vorwänden und Mitteln, sich die
Sache, wie man sagt, vom Halse zu halten, fehlte es natürlich nicht. Einmal
wurde von dem zuständigen Rate das Bedenken geltend gemacht, die deutschen
Unternehmer würden durch die nationale Gewerbeausstelluug den Ast absägen,
auf dem sie süßen, d. h. die billigen Arbeitslöhne in die Höhe treiben, das
andre mal half das agrarische Geschrei, daß ohnehin schon zu viel Arbeits¬
kräfte vom Lande weg zur Industrie liefen, und immer konnte man sich auf
die Abneigung der rheinisch-westfälischen Weltfirmen berufen, die freilich für
ihr Weltgeschäft die Ausstellung nicht brauchten. So ist es geworden, wie
es ist. Eine Kritik ist schwer, wo die vollkommenste Planlosigkeit in solchem
Grade wie hier den Ausschlag gegeben hat. Nur dagegen ist Verwahrung
einzulegen, als ob etwa die Meinung des Kaisers den Plan einer deutschen
Nationalausstellnug ^ denn darum, nicht um eine sogenannte Weltausstellung,
handelte es sich im Ernste nur -- zum scheitern gebracht habe. Das war
vielmehr ganz und gar die bekannte "Dezernentenarbeit." Und nun soll man
zu einer Verwaltung, der jedes Interesse für das gewerbliche Ausstellungs¬
wesen im Lande fehlt, Zutraue" haben angesichts der Aufgabe, die auf der
Pariser Weltausstellung harrt? Wir können eS der deutschen Industrie nicht
verdenken, wenn sie dieses Zutrauen nicht ohne weiteres hat, sondern schon
jetzt sichere Bürgschaft verlangt, daß sie selbst durch ihre auf dem Gebiete des
Auöstelluugswesens geschulten Vertreter mit zu raten und mit zu entscheiden
haben wird in allen Fragen, die praktische Erfahrung verlangen.

Die Opfer, die der deutsche Gewerbfleiß aus eiguen Mitteln auch bei der


Deutschland auf der Pariser Weltausstellung 1,9^

zügliches Hand- und Lehrbuch der Ausstelluugspolitik und Ausstellungspraxis
gewesen, aber benutzt worden ist es, wie es scheint, nicht.

Diese Unterlassungssünde ist auch nicht gut gemacht worden durch die
vereinzelten Anläufe zu einer Ausstellungspslege von Reichs wegen bei dieser
oder jener sogenannten Weltausstellung im Auslande, auch nicht durch den
Arbeits- und Geldaufwand für die Ausstellung in Chicago. Solche gelegent¬
liche Ernennungen eines Kommissars für ausländische Ausstellungen können
niemals die Leistungen einer ständigen Behörde ersetzen, wie der württem-
bergischen Landesausstellungskommission, schon deshalb nicht, weil die Pflege
des einheimischen Ausstellungswesens, das heißt die unerläßliche Vorschule
sehlt. Wir brauchen die Vernachlässigung des einheimischen Ausstellungs-
wesens durch das Reichsamt des Innern hier nicht unser zu beleuchten.
Die Thatsache, daß die gerade auch von der uichtpreußischen Industrie
seinerzeit warm befürwortete deutsch-nationale Ausstellung in der Reichs-
hauptstadt verdrängt worden ist durch die Berliner Gewerbeausstelluug
dieses Jahres und durch eine Reihe andrer, zum Teil wohlgelungner Aus¬
stellungen in andern Orten Deutschlands, spricht laut genug. Die Herren in
den Berliner Behörden wollten sich grundsätzlich nicht darum kümmern, sie
wollten grundsätzlich nichts lernen, und an Vorwänden und Mitteln, sich die
Sache, wie man sagt, vom Halse zu halten, fehlte es natürlich nicht. Einmal
wurde von dem zuständigen Rate das Bedenken geltend gemacht, die deutschen
Unternehmer würden durch die nationale Gewerbeausstelluug den Ast absägen,
auf dem sie süßen, d. h. die billigen Arbeitslöhne in die Höhe treiben, das
andre mal half das agrarische Geschrei, daß ohnehin schon zu viel Arbeits¬
kräfte vom Lande weg zur Industrie liefen, und immer konnte man sich auf
die Abneigung der rheinisch-westfälischen Weltfirmen berufen, die freilich für
ihr Weltgeschäft die Ausstellung nicht brauchten. So ist es geworden, wie
es ist. Eine Kritik ist schwer, wo die vollkommenste Planlosigkeit in solchem
Grade wie hier den Ausschlag gegeben hat. Nur dagegen ist Verwahrung
einzulegen, als ob etwa die Meinung des Kaisers den Plan einer deutschen
Nationalausstellnug ^ denn darum, nicht um eine sogenannte Weltausstellung,
handelte es sich im Ernste nur — zum scheitern gebracht habe. Das war
vielmehr ganz und gar die bekannte „Dezernentenarbeit." Und nun soll man
zu einer Verwaltung, der jedes Interesse für das gewerbliche Ausstellungs¬
wesen im Lande fehlt, Zutraue» haben angesichts der Aufgabe, die auf der
Pariser Weltausstellung harrt? Wir können eS der deutschen Industrie nicht
verdenken, wenn sie dieses Zutrauen nicht ohne weiteres hat, sondern schon
jetzt sichere Bürgschaft verlangt, daß sie selbst durch ihre auf dem Gebiete des
Auöstelluugswesens geschulten Vertreter mit zu raten und mit zu entscheiden
haben wird in allen Fragen, die praktische Erfahrung verlangen.

Die Opfer, die der deutsche Gewerbfleiß aus eiguen Mitteln auch bei der


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[0162] Deutschland auf der Pariser Weltausstellung 1,9^ zügliches Hand- und Lehrbuch der Ausstelluugspolitik und Ausstellungspraxis gewesen, aber benutzt worden ist es, wie es scheint, nicht. Diese Unterlassungssünde ist auch nicht gut gemacht worden durch die vereinzelten Anläufe zu einer Ausstellungspslege von Reichs wegen bei dieser oder jener sogenannten Weltausstellung im Auslande, auch nicht durch den Arbeits- und Geldaufwand für die Ausstellung in Chicago. Solche gelegent¬ liche Ernennungen eines Kommissars für ausländische Ausstellungen können niemals die Leistungen einer ständigen Behörde ersetzen, wie der württem- bergischen Landesausstellungskommission, schon deshalb nicht, weil die Pflege des einheimischen Ausstellungswesens, das heißt die unerläßliche Vorschule sehlt. Wir brauchen die Vernachlässigung des einheimischen Ausstellungs- wesens durch das Reichsamt des Innern hier nicht unser zu beleuchten. Die Thatsache, daß die gerade auch von der uichtpreußischen Industrie seinerzeit warm befürwortete deutsch-nationale Ausstellung in der Reichs- hauptstadt verdrängt worden ist durch die Berliner Gewerbeausstelluug dieses Jahres und durch eine Reihe andrer, zum Teil wohlgelungner Aus¬ stellungen in andern Orten Deutschlands, spricht laut genug. Die Herren in den Berliner Behörden wollten sich grundsätzlich nicht darum kümmern, sie wollten grundsätzlich nichts lernen, und an Vorwänden und Mitteln, sich die Sache, wie man sagt, vom Halse zu halten, fehlte es natürlich nicht. Einmal wurde von dem zuständigen Rate das Bedenken geltend gemacht, die deutschen Unternehmer würden durch die nationale Gewerbeausstelluug den Ast absägen, auf dem sie süßen, d. h. die billigen Arbeitslöhne in die Höhe treiben, das andre mal half das agrarische Geschrei, daß ohnehin schon zu viel Arbeits¬ kräfte vom Lande weg zur Industrie liefen, und immer konnte man sich auf die Abneigung der rheinisch-westfälischen Weltfirmen berufen, die freilich für ihr Weltgeschäft die Ausstellung nicht brauchten. So ist es geworden, wie es ist. Eine Kritik ist schwer, wo die vollkommenste Planlosigkeit in solchem Grade wie hier den Ausschlag gegeben hat. Nur dagegen ist Verwahrung einzulegen, als ob etwa die Meinung des Kaisers den Plan einer deutschen Nationalausstellnug ^ denn darum, nicht um eine sogenannte Weltausstellung, handelte es sich im Ernste nur — zum scheitern gebracht habe. Das war vielmehr ganz und gar die bekannte „Dezernentenarbeit." Und nun soll man zu einer Verwaltung, der jedes Interesse für das gewerbliche Ausstellungs¬ wesen im Lande fehlt, Zutraue» haben angesichts der Aufgabe, die auf der Pariser Weltausstellung harrt? Wir können eS der deutschen Industrie nicht verdenken, wenn sie dieses Zutrauen nicht ohne weiteres hat, sondern schon jetzt sichere Bürgschaft verlangt, daß sie selbst durch ihre auf dem Gebiete des Auöstelluugswesens geschulten Vertreter mit zu raten und mit zu entscheiden haben wird in allen Fragen, die praktische Erfahrung verlangen. Die Opfer, die der deutsche Gewerbfleiß aus eiguen Mitteln auch bei der

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

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Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/162>, abgerufen am 01.09.2024.