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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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wegen, die wir mit den Franzosen haben, und vor allem der vielen vor¬
züglichen und liebenswürdigen Charaktereigenschaften wegen, die wir an den
Franzosen schützen; aber als Gäste können wir 1900 bei ihnen nur erscheinen
zugeknöpft von unten bis oben.

Aber auch handelspolitisch wird diese politisch unvermeidliche Teilnahme
des deutschen Reichs an der Weltausstellung voraussichtlich ein reines Opfer
bleiben. Wir brauchen diese Ausstellung ganz gewiß nicht, um unsern Export
zu heben, ja wir brauchten sie, vom handelspolitischen Standpunkte ans, nicht
einmal offiziell zu beschicken, obgleich sie stattfindet. Ganz natürlicher- und
berechtigterweise haben die Industrie und der Handel eines Landes, in dem eine
solche Ausstellung stattfindet, immer den Hauptvorteil. Sie treten nicht nur
in der überwältigenden Mehrheit ans, sondern auch sonst unter den günstigsten
Bedingungen; um wieviel mehr in Frankreich und Paris, wo alles zusammen¬
wirkt, das französische Geschick in das beste Licht zu setzen. Die Pariser Welt¬
ausstellungen sind, wie die von 1889 wieder klar bewies, nur national¬
französische Schaustellungen mit erwünschter internationaler Staffage. Damit
wollen wir nicht bestreiten, daß sich dieser oder jener deutsche Unternehmer in
Paris 1900 mit irgend einer "Spezialität" vorteilhaft auf dem Weltmarkt
einführen kann; nur das möchten wir vom handelspolitischen Standpunkt un¬
bedingt anerkannt wissen, daß der deutsche Gewerbfleiß im allgemeinen ans
keinen Gewinn, ja kaum auf einen Ersatz der großen Kosten zu rechnen hat,
die ihm aus der Beteiligung des Reichs an der Ausstellung erwachsen.

Die Teilnahme des Reichs erfordert, daß nicht nur dieser oder jener
Geschäftsmann, den die Besonderheit seiner Geschüftsbeziehungen einen mehr
oder weniger sichern Gewinn von der Beschickung der Ausstellung hoffen läßt,
auf sein eignes Risiko hin ausstellt, sondern daß, da wir uns nun einmal
zeigen müssen, ein glänzendes Gesamtbild des deutschen Gewerbfleißes gegeben
wird. Also gerade auch die Unternehmer müssen das Opfer der Beschickung
bringen, denen ihre hohen Leistungen bereits Weltruf verschafft haben, die
also eine solche festliche Reklame am allerwenigsten brauchen. Deshalb hat
die Ausstellung in Chicago manchen deutscheu Industriellen so ungeheure,
geschäftlich ganz unfruchtbare Kosten gemacht, und Paris droht mit noch weit
größern. Wenn wir gar nicht aufstellten, würde es nichts schaden, da wir
aber ausstellen müssen, müssen wir auch in jeder Beziehung vortrefflich aus¬
stellen. Wir gehen der allerschärfsten Kritik entgegen; es wird alles aufgeboten
werden, und uicht mir von den Franzosen, um Deutschlands industriellen
Ruhm zu schmälern, mögen auch die amtlichen Ausstellungspersönlichkeitcn und
Preisrichter noch so ehrlich zu Werte gehen. Deshalb sind die besten Leistungen,
die besten Unternehmungen unentbehrlich. Das Neichsamt des Innern wolle
ja nicht denken, mit den "Spezialitäten" der Arbeiterversichernng, der Wohl¬
fahrtseinrichtungen, des Schul- und Erziehungswesens als Schaufensterstücken


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wegen, die wir mit den Franzosen haben, und vor allem der vielen vor¬
züglichen und liebenswürdigen Charaktereigenschaften wegen, die wir an den
Franzosen schützen; aber als Gäste können wir 1900 bei ihnen nur erscheinen
zugeknöpft von unten bis oben.

Aber auch handelspolitisch wird diese politisch unvermeidliche Teilnahme
des deutschen Reichs an der Weltausstellung voraussichtlich ein reines Opfer
bleiben. Wir brauchen diese Ausstellung ganz gewiß nicht, um unsern Export
zu heben, ja wir brauchten sie, vom handelspolitischen Standpunkte ans, nicht
einmal offiziell zu beschicken, obgleich sie stattfindet. Ganz natürlicher- und
berechtigterweise haben die Industrie und der Handel eines Landes, in dem eine
solche Ausstellung stattfindet, immer den Hauptvorteil. Sie treten nicht nur
in der überwältigenden Mehrheit ans, sondern auch sonst unter den günstigsten
Bedingungen; um wieviel mehr in Frankreich und Paris, wo alles zusammen¬
wirkt, das französische Geschick in das beste Licht zu setzen. Die Pariser Welt¬
ausstellungen sind, wie die von 1889 wieder klar bewies, nur national¬
französische Schaustellungen mit erwünschter internationaler Staffage. Damit
wollen wir nicht bestreiten, daß sich dieser oder jener deutsche Unternehmer in
Paris 1900 mit irgend einer „Spezialität" vorteilhaft auf dem Weltmarkt
einführen kann; nur das möchten wir vom handelspolitischen Standpunkt un¬
bedingt anerkannt wissen, daß der deutsche Gewerbfleiß im allgemeinen ans
keinen Gewinn, ja kaum auf einen Ersatz der großen Kosten zu rechnen hat,
die ihm aus der Beteiligung des Reichs an der Ausstellung erwachsen.

Die Teilnahme des Reichs erfordert, daß nicht nur dieser oder jener
Geschäftsmann, den die Besonderheit seiner Geschüftsbeziehungen einen mehr
oder weniger sichern Gewinn von der Beschickung der Ausstellung hoffen läßt,
auf sein eignes Risiko hin ausstellt, sondern daß, da wir uns nun einmal
zeigen müssen, ein glänzendes Gesamtbild des deutschen Gewerbfleißes gegeben
wird. Also gerade auch die Unternehmer müssen das Opfer der Beschickung
bringen, denen ihre hohen Leistungen bereits Weltruf verschafft haben, die
also eine solche festliche Reklame am allerwenigsten brauchen. Deshalb hat
die Ausstellung in Chicago manchen deutscheu Industriellen so ungeheure,
geschäftlich ganz unfruchtbare Kosten gemacht, und Paris droht mit noch weit
größern. Wenn wir gar nicht aufstellten, würde es nichts schaden, da wir
aber ausstellen müssen, müssen wir auch in jeder Beziehung vortrefflich aus¬
stellen. Wir gehen der allerschärfsten Kritik entgegen; es wird alles aufgeboten
werden, und uicht mir von den Franzosen, um Deutschlands industriellen
Ruhm zu schmälern, mögen auch die amtlichen Ausstellungspersönlichkeitcn und
Preisrichter noch so ehrlich zu Werte gehen. Deshalb sind die besten Leistungen,
die besten Unternehmungen unentbehrlich. Das Neichsamt des Innern wolle
ja nicht denken, mit den „Spezialitäten" der Arbeiterversichernng, der Wohl¬
fahrtseinrichtungen, des Schul- und Erziehungswesens als Schaufensterstücken


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[0160] Deutschland auf der Pariser Weltausstellung ^HOO wegen, die wir mit den Franzosen haben, und vor allem der vielen vor¬ züglichen und liebenswürdigen Charaktereigenschaften wegen, die wir an den Franzosen schützen; aber als Gäste können wir 1900 bei ihnen nur erscheinen zugeknöpft von unten bis oben. Aber auch handelspolitisch wird diese politisch unvermeidliche Teilnahme des deutschen Reichs an der Weltausstellung voraussichtlich ein reines Opfer bleiben. Wir brauchen diese Ausstellung ganz gewiß nicht, um unsern Export zu heben, ja wir brauchten sie, vom handelspolitischen Standpunkte ans, nicht einmal offiziell zu beschicken, obgleich sie stattfindet. Ganz natürlicher- und berechtigterweise haben die Industrie und der Handel eines Landes, in dem eine solche Ausstellung stattfindet, immer den Hauptvorteil. Sie treten nicht nur in der überwältigenden Mehrheit ans, sondern auch sonst unter den günstigsten Bedingungen; um wieviel mehr in Frankreich und Paris, wo alles zusammen¬ wirkt, das französische Geschick in das beste Licht zu setzen. Die Pariser Welt¬ ausstellungen sind, wie die von 1889 wieder klar bewies, nur national¬ französische Schaustellungen mit erwünschter internationaler Staffage. Damit wollen wir nicht bestreiten, daß sich dieser oder jener deutsche Unternehmer in Paris 1900 mit irgend einer „Spezialität" vorteilhaft auf dem Weltmarkt einführen kann; nur das möchten wir vom handelspolitischen Standpunkt un¬ bedingt anerkannt wissen, daß der deutsche Gewerbfleiß im allgemeinen ans keinen Gewinn, ja kaum auf einen Ersatz der großen Kosten zu rechnen hat, die ihm aus der Beteiligung des Reichs an der Ausstellung erwachsen. Die Teilnahme des Reichs erfordert, daß nicht nur dieser oder jener Geschäftsmann, den die Besonderheit seiner Geschüftsbeziehungen einen mehr oder weniger sichern Gewinn von der Beschickung der Ausstellung hoffen läßt, auf sein eignes Risiko hin ausstellt, sondern daß, da wir uns nun einmal zeigen müssen, ein glänzendes Gesamtbild des deutschen Gewerbfleißes gegeben wird. Also gerade auch die Unternehmer müssen das Opfer der Beschickung bringen, denen ihre hohen Leistungen bereits Weltruf verschafft haben, die also eine solche festliche Reklame am allerwenigsten brauchen. Deshalb hat die Ausstellung in Chicago manchen deutscheu Industriellen so ungeheure, geschäftlich ganz unfruchtbare Kosten gemacht, und Paris droht mit noch weit größern. Wenn wir gar nicht aufstellten, würde es nichts schaden, da wir aber ausstellen müssen, müssen wir auch in jeder Beziehung vortrefflich aus¬ stellen. Wir gehen der allerschärfsten Kritik entgegen; es wird alles aufgeboten werden, und uicht mir von den Franzosen, um Deutschlands industriellen Ruhm zu schmälern, mögen auch die amtlichen Ausstellungspersönlichkeitcn und Preisrichter noch so ehrlich zu Werte gehen. Deshalb sind die besten Leistungen, die besten Unternehmungen unentbehrlich. Das Neichsamt des Innern wolle ja nicht denken, mit den „Spezialitäten" der Arbeiterversichernng, der Wohl¬ fahrtseinrichtungen, des Schul- und Erziehungswesens als Schaufensterstücken

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/160>, abgerufen am 26.11.2024.