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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Deutschland auf der pariser Weltausstellung MO

us deutsche Reich hat seine Beteiligung an der Pariser Welt¬
ausstellung von 1900 zugesagt. Die handelspolitischen Rück¬
sichten haben dabei wohl nicht die erste Rolle gespielt, die Politik
im engern Sinne, die sogenannte hohe Politik, ließ keine Wahl,
und die verbündeten deutschen Regierungen mit dem deutschen
Kaiser an der Spitze haben recht gethan, der Friedfertigkeit der deutschen Politik
dieses Opfer zu bringen. Denn ein Opfer ist und bleibt die Teilnahme des
deutschen Reichs an dieser neuen nationalen Festvorstelluug in Frankreich,
wie mau die Sache auch drehen und wenden mag.

Völlig ausgeschlossen ist es zunächst, daß sich durch die deutsche Beteiligung
"und mir das geringste an der feindseligen Stimmung der französischen oder
der Pariser Bevölkerung zum bessern kehren werde; jn nicht einmal das Gegen¬
teil ist ausgeschlossen. Es gehört eine Selbstverleugnung ohnegleichen dazu,
daß wir dem Weltfrieden zuliebe bei dieser Ausstellung erscheinen, währeud es
nach mehr als einem Vierteljahrhundert in ganz Frankreich noch kein Staats¬
mann, keine politische Körperschaft, keine Zeitung wagen darf, den Frankfurter
"Reden als dauernde Ordnung der Dinge anzuerkennen, ohne des Verrath ge-
gleheu zu werden, während vielmehr die französische Negierung und das fran-
svsische Volk dem eignen Nationalstolz die unerhörtesten Demütigungen ad-
h^uigt, um nur die Vnndesgenosscnschaften zu gewinnen, die den Bruch jenes
6'Redens ermöglichen, während endlich auch nicht der geringste Zweifel besteht,
^ß die Franzosen auch diese Gelegenheit ausnutzen werden, um Deutschland
draußen Feinde zu schaffen und selbst deutsche Neichsaugehörige für Bestrebungen
s>i gewinnen, die wir schlechthin als Landesverrat bezeichnen müssen. Bei
jedem Schritt, bei jedem Wort wird mau sich diese Sachlage vor Angen halten
"'üssen, der Kaiser und die übrigen Fürsten sowohl wie der kleinste deutsche
Aussteller. Es wird ein Fest gefeiert von Leuten, die bis an die Zähne in
Waffen starren; wir gehen zu Gaste bei einem, den nur unsre bis zur Un-
ertrnglichkeit gesteigerte militärische Schlagfertigkeit abhält, zum Vernichtnngs-
ampfe über uns herzufallen. Da ist bei aller Höflichkeit die kühlste Zurück¬
haltung geboten, und es wäre tief zu beklagen, wenn durch überwallende Liebens¬
würdigkeit und Herzlichkeit sich irgend ein Deutscher eine Niederlage znzöge.
^>r bedauern diese Sachlage aufrichtig der vielen gemeinsamen Interessen




Deutschland auf der pariser Weltausstellung MO

us deutsche Reich hat seine Beteiligung an der Pariser Welt¬
ausstellung von 1900 zugesagt. Die handelspolitischen Rück¬
sichten haben dabei wohl nicht die erste Rolle gespielt, die Politik
im engern Sinne, die sogenannte hohe Politik, ließ keine Wahl,
und die verbündeten deutschen Regierungen mit dem deutschen
Kaiser an der Spitze haben recht gethan, der Friedfertigkeit der deutschen Politik
dieses Opfer zu bringen. Denn ein Opfer ist und bleibt die Teilnahme des
deutschen Reichs an dieser neuen nationalen Festvorstelluug in Frankreich,
wie mau die Sache auch drehen und wenden mag.

Völlig ausgeschlossen ist es zunächst, daß sich durch die deutsche Beteiligung
"und mir das geringste an der feindseligen Stimmung der französischen oder
der Pariser Bevölkerung zum bessern kehren werde; jn nicht einmal das Gegen¬
teil ist ausgeschlossen. Es gehört eine Selbstverleugnung ohnegleichen dazu,
daß wir dem Weltfrieden zuliebe bei dieser Ausstellung erscheinen, währeud es
nach mehr als einem Vierteljahrhundert in ganz Frankreich noch kein Staats¬
mann, keine politische Körperschaft, keine Zeitung wagen darf, den Frankfurter
"Reden als dauernde Ordnung der Dinge anzuerkennen, ohne des Verrath ge-
gleheu zu werden, während vielmehr die französische Negierung und das fran-
svsische Volk dem eignen Nationalstolz die unerhörtesten Demütigungen ad-
h^uigt, um nur die Vnndesgenosscnschaften zu gewinnen, die den Bruch jenes
6'Redens ermöglichen, während endlich auch nicht der geringste Zweifel besteht,
^ß die Franzosen auch diese Gelegenheit ausnutzen werden, um Deutschland
draußen Feinde zu schaffen und selbst deutsche Neichsaugehörige für Bestrebungen
s>i gewinnen, die wir schlechthin als Landesverrat bezeichnen müssen. Bei
jedem Schritt, bei jedem Wort wird mau sich diese Sachlage vor Angen halten
"'üssen, der Kaiser und die übrigen Fürsten sowohl wie der kleinste deutsche
Aussteller. Es wird ein Fest gefeiert von Leuten, die bis an die Zähne in
Waffen starren; wir gehen zu Gaste bei einem, den nur unsre bis zur Un-
ertrnglichkeit gesteigerte militärische Schlagfertigkeit abhält, zum Vernichtnngs-
ampfe über uns herzufallen. Da ist bei aller Höflichkeit die kühlste Zurück¬
haltung geboten, und es wäre tief zu beklagen, wenn durch überwallende Liebens¬
würdigkeit und Herzlichkeit sich irgend ein Deutscher eine Niederlage znzöge.
^>r bedauern diese Sachlage aufrichtig der vielen gemeinsamen Interessen


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[0159] [Abbildung] Deutschland auf der pariser Weltausstellung MO us deutsche Reich hat seine Beteiligung an der Pariser Welt¬ ausstellung von 1900 zugesagt. Die handelspolitischen Rück¬ sichten haben dabei wohl nicht die erste Rolle gespielt, die Politik im engern Sinne, die sogenannte hohe Politik, ließ keine Wahl, und die verbündeten deutschen Regierungen mit dem deutschen Kaiser an der Spitze haben recht gethan, der Friedfertigkeit der deutschen Politik dieses Opfer zu bringen. Denn ein Opfer ist und bleibt die Teilnahme des deutschen Reichs an dieser neuen nationalen Festvorstelluug in Frankreich, wie mau die Sache auch drehen und wenden mag. Völlig ausgeschlossen ist es zunächst, daß sich durch die deutsche Beteiligung "und mir das geringste an der feindseligen Stimmung der französischen oder der Pariser Bevölkerung zum bessern kehren werde; jn nicht einmal das Gegen¬ teil ist ausgeschlossen. Es gehört eine Selbstverleugnung ohnegleichen dazu, daß wir dem Weltfrieden zuliebe bei dieser Ausstellung erscheinen, währeud es nach mehr als einem Vierteljahrhundert in ganz Frankreich noch kein Staats¬ mann, keine politische Körperschaft, keine Zeitung wagen darf, den Frankfurter "Reden als dauernde Ordnung der Dinge anzuerkennen, ohne des Verrath ge- gleheu zu werden, während vielmehr die französische Negierung und das fran- svsische Volk dem eignen Nationalstolz die unerhörtesten Demütigungen ad- h^uigt, um nur die Vnndesgenosscnschaften zu gewinnen, die den Bruch jenes 6'Redens ermöglichen, während endlich auch nicht der geringste Zweifel besteht, ^ß die Franzosen auch diese Gelegenheit ausnutzen werden, um Deutschland draußen Feinde zu schaffen und selbst deutsche Neichsaugehörige für Bestrebungen s>i gewinnen, die wir schlechthin als Landesverrat bezeichnen müssen. Bei jedem Schritt, bei jedem Wort wird mau sich diese Sachlage vor Angen halten "'üssen, der Kaiser und die übrigen Fürsten sowohl wie der kleinste deutsche Aussteller. Es wird ein Fest gefeiert von Leuten, die bis an die Zähne in Waffen starren; wir gehen zu Gaste bei einem, den nur unsre bis zur Un- ertrnglichkeit gesteigerte militärische Schlagfertigkeit abhält, zum Vernichtnngs- ampfe über uns herzufallen. Da ist bei aller Höflichkeit die kühlste Zurück¬ haltung geboten, und es wäre tief zu beklagen, wenn durch überwallende Liebens¬ würdigkeit und Herzlichkeit sich irgend ein Deutscher eine Niederlage znzöge. ^>r bedauern diese Sachlage aufrichtig der vielen gemeinsamen Interessen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/159>, abgerufen am 01.09.2024.