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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Die Schulxrogramme

Wie gut wäre da das Geld angewendet, das für das jährlich herzustellende
Programm ausgegeben wird, was für wertvolle Bücher hätten sich die höhern
Lehranstalten dafür in den letzten dreißig Jahren kaufen können! Hoffentlich
wird der Gedanke der Prvgrammverminderung auch einmal vom Standpunkte
der bedürftigen Schnlbibliotheken aus erwogen. Denn die müssen sich, wie
alte Adliche, heute oft das Nötigste versagen und doch den guten Schein
wahren, während manche Schülerbibliothek, wie ein moderner Parvenü, nicht
weiß, wie sie ihr Geld verthun soll. Schade, daß man hier nicht manchmal
"fusioniren" kann.

Wenn man die akademisch gebildeten Lehrer um ihre Ansicht über die
Programmabhandlung fragen wollte (man thut das in ihren Angelegenheiten
nicht oft), so würde sich wohl eine große, ja die überwältigende Mehrheit
für eine sehr starke Änderung aussprechen. Es ist nicht der Widerwille gegen
die aufgenötigte Arbeit, nicht die völlige Gratisleistung dieser besondern Be¬
mühung, nicht die Rechtlosigkeit der Autoren an ihrer geistigen Arbeit, es
sind nicht diese persönlichen Gründe, die die meisten bewegen würden, sich der
hier vorgetragnen Ansicht anzuschließen, sondern dieselben sachlichen Einwände,
die wir oben dargelegt haben. Wenn etwas persönliches dabei mit vor¬
gebracht werden soll, so ist es der eigentümliche Umstand, daß an den kleinen,
von den wissenschaftlichen Mittelpunkten entfernten Orten den Einzelnen die
Reihe viel häusiger trifft als in deu großen Städten, die eine leichtere und
bequemere wissenschaftliche Bewegung und Bethätigung ermöglichen. Das ist
eine offenbare Härte, die auch dann einer Abhilfe bedürfte, wenn sich an der
Programmhäufung nichts ändern ließe.

Wenn zum Schluß noch ein positiver Vorschlag gewagt werden soll, so
würde unsre Meinung dahin gehen, daß erstens die Abfassung der Programm¬
abhandlungen eine starke Einschränkung erfahren sollte, etwa so, daß die Schul¬
nachrichten alljährlich erschienen, die wissenschaftlichen Beilagen aller fünf Jahre
oder bei besonders festlichen Anlässen. Schon Wiese war für ein Erscheinen
etwa aller drei Jahre, um dem Übermaß vorzubeugen, und von dem frühern
Leiter des preußischen Schulwesens wird Wohl niemand behaupten, daß er
nicht möglichst konservativ gewesen wäre. Auch die Schulnachrichten vertragen
recht wohl Kürzungen; z. B. ist es nicht nötig, daß der ganze Lehrplan sür
alle Klassen alljährlich abgedruckt wird. Zweitens müßten die Abhandlungen
bei einer Zentralstelle, etwa bei einem Provinzialschulkollegium oder auch einer
tüchtigen Buchhandlung eingeliefert und dann zu größern Ganzen verbunden
werden, um dann in Bünden (so wie die Abhandlungen der wissenschaftlichen
Gesellschaften) den Bibliotheken und einzelnen Kauflustigen zugänglich gemacht
zu werden. Schülereltern und Nichtfachleute, darunter alle die, die bisher
b-ouvris czg.us.1 beglückt wurden, müßten unverlangt nur die Schulnachrichten
erhalten, ans die sich ja auch ihr Interesse beschränkt. Die einzelnen Ab-


Grcnzbotcn III 1896 16
Die Schulxrogramme

Wie gut wäre da das Geld angewendet, das für das jährlich herzustellende
Programm ausgegeben wird, was für wertvolle Bücher hätten sich die höhern
Lehranstalten dafür in den letzten dreißig Jahren kaufen können! Hoffentlich
wird der Gedanke der Prvgrammverminderung auch einmal vom Standpunkte
der bedürftigen Schnlbibliotheken aus erwogen. Denn die müssen sich, wie
alte Adliche, heute oft das Nötigste versagen und doch den guten Schein
wahren, während manche Schülerbibliothek, wie ein moderner Parvenü, nicht
weiß, wie sie ihr Geld verthun soll. Schade, daß man hier nicht manchmal
„fusioniren" kann.

Wenn man die akademisch gebildeten Lehrer um ihre Ansicht über die
Programmabhandlung fragen wollte (man thut das in ihren Angelegenheiten
nicht oft), so würde sich wohl eine große, ja die überwältigende Mehrheit
für eine sehr starke Änderung aussprechen. Es ist nicht der Widerwille gegen
die aufgenötigte Arbeit, nicht die völlige Gratisleistung dieser besondern Be¬
mühung, nicht die Rechtlosigkeit der Autoren an ihrer geistigen Arbeit, es
sind nicht diese persönlichen Gründe, die die meisten bewegen würden, sich der
hier vorgetragnen Ansicht anzuschließen, sondern dieselben sachlichen Einwände,
die wir oben dargelegt haben. Wenn etwas persönliches dabei mit vor¬
gebracht werden soll, so ist es der eigentümliche Umstand, daß an den kleinen,
von den wissenschaftlichen Mittelpunkten entfernten Orten den Einzelnen die
Reihe viel häusiger trifft als in deu großen Städten, die eine leichtere und
bequemere wissenschaftliche Bewegung und Bethätigung ermöglichen. Das ist
eine offenbare Härte, die auch dann einer Abhilfe bedürfte, wenn sich an der
Programmhäufung nichts ändern ließe.

Wenn zum Schluß noch ein positiver Vorschlag gewagt werden soll, so
würde unsre Meinung dahin gehen, daß erstens die Abfassung der Programm¬
abhandlungen eine starke Einschränkung erfahren sollte, etwa so, daß die Schul¬
nachrichten alljährlich erschienen, die wissenschaftlichen Beilagen aller fünf Jahre
oder bei besonders festlichen Anlässen. Schon Wiese war für ein Erscheinen
etwa aller drei Jahre, um dem Übermaß vorzubeugen, und von dem frühern
Leiter des preußischen Schulwesens wird Wohl niemand behaupten, daß er
nicht möglichst konservativ gewesen wäre. Auch die Schulnachrichten vertragen
recht wohl Kürzungen; z. B. ist es nicht nötig, daß der ganze Lehrplan sür
alle Klassen alljährlich abgedruckt wird. Zweitens müßten die Abhandlungen
bei einer Zentralstelle, etwa bei einem Provinzialschulkollegium oder auch einer
tüchtigen Buchhandlung eingeliefert und dann zu größern Ganzen verbunden
werden, um dann in Bünden (so wie die Abhandlungen der wissenschaftlichen
Gesellschaften) den Bibliotheken und einzelnen Kauflustigen zugänglich gemacht
zu werden. Schülereltern und Nichtfachleute, darunter alle die, die bisher
b-ouvris czg.us.1 beglückt wurden, müßten unverlangt nur die Schulnachrichten
erhalten, ans die sich ja auch ihr Interesse beschränkt. Die einzelnen Ab-


Grcnzbotcn III 1896 16
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[0129] Die Schulxrogramme Wie gut wäre da das Geld angewendet, das für das jährlich herzustellende Programm ausgegeben wird, was für wertvolle Bücher hätten sich die höhern Lehranstalten dafür in den letzten dreißig Jahren kaufen können! Hoffentlich wird der Gedanke der Prvgrammverminderung auch einmal vom Standpunkte der bedürftigen Schnlbibliotheken aus erwogen. Denn die müssen sich, wie alte Adliche, heute oft das Nötigste versagen und doch den guten Schein wahren, während manche Schülerbibliothek, wie ein moderner Parvenü, nicht weiß, wie sie ihr Geld verthun soll. Schade, daß man hier nicht manchmal „fusioniren" kann. Wenn man die akademisch gebildeten Lehrer um ihre Ansicht über die Programmabhandlung fragen wollte (man thut das in ihren Angelegenheiten nicht oft), so würde sich wohl eine große, ja die überwältigende Mehrheit für eine sehr starke Änderung aussprechen. Es ist nicht der Widerwille gegen die aufgenötigte Arbeit, nicht die völlige Gratisleistung dieser besondern Be¬ mühung, nicht die Rechtlosigkeit der Autoren an ihrer geistigen Arbeit, es sind nicht diese persönlichen Gründe, die die meisten bewegen würden, sich der hier vorgetragnen Ansicht anzuschließen, sondern dieselben sachlichen Einwände, die wir oben dargelegt haben. Wenn etwas persönliches dabei mit vor¬ gebracht werden soll, so ist es der eigentümliche Umstand, daß an den kleinen, von den wissenschaftlichen Mittelpunkten entfernten Orten den Einzelnen die Reihe viel häusiger trifft als in deu großen Städten, die eine leichtere und bequemere wissenschaftliche Bewegung und Bethätigung ermöglichen. Das ist eine offenbare Härte, die auch dann einer Abhilfe bedürfte, wenn sich an der Programmhäufung nichts ändern ließe. Wenn zum Schluß noch ein positiver Vorschlag gewagt werden soll, so würde unsre Meinung dahin gehen, daß erstens die Abfassung der Programm¬ abhandlungen eine starke Einschränkung erfahren sollte, etwa so, daß die Schul¬ nachrichten alljährlich erschienen, die wissenschaftlichen Beilagen aller fünf Jahre oder bei besonders festlichen Anlässen. Schon Wiese war für ein Erscheinen etwa aller drei Jahre, um dem Übermaß vorzubeugen, und von dem frühern Leiter des preußischen Schulwesens wird Wohl niemand behaupten, daß er nicht möglichst konservativ gewesen wäre. Auch die Schulnachrichten vertragen recht wohl Kürzungen; z. B. ist es nicht nötig, daß der ganze Lehrplan sür alle Klassen alljährlich abgedruckt wird. Zweitens müßten die Abhandlungen bei einer Zentralstelle, etwa bei einem Provinzialschulkollegium oder auch einer tüchtigen Buchhandlung eingeliefert und dann zu größern Ganzen verbunden werden, um dann in Bünden (so wie die Abhandlungen der wissenschaftlichen Gesellschaften) den Bibliotheken und einzelnen Kauflustigen zugänglich gemacht zu werden. Schülereltern und Nichtfachleute, darunter alle die, die bisher b-ouvris czg.us.1 beglückt wurden, müßten unverlangt nur die Schulnachrichten erhalten, ans die sich ja auch ihr Interesse beschränkt. Die einzelnen Ab- Grcnzbotcn III 1896 16

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/129>, abgerufen am 01.09.2024.