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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr.

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Das vermögen der Frau

keine verborgnen Vorgänge, durch die der schwächere Teil, ehe er es ahnt,
allein der Geschädigte werden könnte, sondern es sind Dinge, die sich fast täglich
wiederholen und, da sie ernst genug sind, schließlich in irgend einer Weise ihre
Klärung finden müßten. Aber wie? Nun. wenn wir in die Litteratur unsers
sogenannten bürgerlichen Lebens sehen, wenn wir Romane und Memoiren
lesen, und wenn wir uns den wirklichen, innern Betrieb des bessern bürger¬
lichen Haushalts in der Praxis ansehen, so können wir ohne Zweifel aus
alledem eins lernen, und zwar seit Jahrhunderten, möchte man sagen, denn
so oft und so lange schon vor unsrer Zeit ist es ausgesprochen und gedruckt
worden in Prosa und in Versen. Wer von beiden. Mann oder Frau, nach
außen als Oberhaupt auftritt, in Amt und Stellung, mit Titel und Uniform,
das sieht jeder. Wie aber im Innern des Hauses die Befugnisse abgegrenzt
sind, darüber belehrt uns kein Staatshandbuch und keine Rangliste. Wer da
im allgemeinen das bestimmende, in einigen Fällen das mitbestimmende Wort
hat, ob Mann oder Frau, darüber werden sich gewöhnlich beide Decke theo¬
retisch gar nicht einmal klar sein. Gewiß ist nur eins. Der anständige
Haushalt einer bessern bürgerlichen Familie fordert heutzutage von der Frau,
ob sie wohlhabend ist oder nicht, ein solches Maß von geistiger Reife und
sittlicher Kraft, daß es einfach ohne das gar nicht "ginge," es möchte auch
noch soviel Geld vorhanden sein. Im Verhältnis zu den andern wirtschaft¬
lichen sowohl wie sittlichen Fragen, die im Verlaufe der Ehegemeiuschaft an
die Frau herantreten und ihre ganze Thatkraft beanspruchen, sind die etwaigen
Meinungsverschiedenheiten wegen der Verwendung ihrer Zinsen doch wahre
Lappalien! Eine Frau, die dem einen gewachsen ist, wird auch in Bezug auf
das andre ihren Willen geltend zu machen wissen oder, wenn sie es nicht für
nötig hält, ihn zurücktreten lassen. Fehlen aber der Frau diese Eigenschaften,
so hilft ihr auch keine Gesetzgebung.

Aber das schlimmste ist es ja auch nicht, wenn die Frau in der Ver¬
wendung ihres Vermögensertrages vom Manne in unrechter Weise beschränkt
wird, sondern wenn das Vermögen selbst auf solche Weise verloren geht.
Kann das durch irgend eine Rechtsordnung verhindert werden?

Das Vermögen der Frau kann auf dreierlei Weise angelegt werden: in
Hypotheken, in Papieren oder in dem Geschäfte des Mannes. Die Art der
Anlage wird in normalen Verhältnissen von der Zustimmung der Fran ab¬
hängen. Soll die Zustimmung einen Sinn haben, so ist dabei vorausgesetzt,
daß die Frau die nötige Einsicht und Sachkenntnis habe. Wo diese nicht vor¬
handen sind -- und ohne Zweifel fehlen sie sehr vielen Frauen! --, da nutzt
auch eine Rechtsordnung nicht viel, die der Frau gestattete, ihr Vermögen
selbständig zu verwalten. Die Gewissenlosigkeit oder die Unvernunft eines
Verwalters, der nicht ihr Mann wäre, könnten ihr einen ebenso großen Schaden
zufügen. Hat dagegen eine Fran die erforderliche Einsicht und Willenskraft.


Das vermögen der Frau

keine verborgnen Vorgänge, durch die der schwächere Teil, ehe er es ahnt,
allein der Geschädigte werden könnte, sondern es sind Dinge, die sich fast täglich
wiederholen und, da sie ernst genug sind, schließlich in irgend einer Weise ihre
Klärung finden müßten. Aber wie? Nun. wenn wir in die Litteratur unsers
sogenannten bürgerlichen Lebens sehen, wenn wir Romane und Memoiren
lesen, und wenn wir uns den wirklichen, innern Betrieb des bessern bürger¬
lichen Haushalts in der Praxis ansehen, so können wir ohne Zweifel aus
alledem eins lernen, und zwar seit Jahrhunderten, möchte man sagen, denn
so oft und so lange schon vor unsrer Zeit ist es ausgesprochen und gedruckt
worden in Prosa und in Versen. Wer von beiden. Mann oder Frau, nach
außen als Oberhaupt auftritt, in Amt und Stellung, mit Titel und Uniform,
das sieht jeder. Wie aber im Innern des Hauses die Befugnisse abgegrenzt
sind, darüber belehrt uns kein Staatshandbuch und keine Rangliste. Wer da
im allgemeinen das bestimmende, in einigen Fällen das mitbestimmende Wort
hat, ob Mann oder Frau, darüber werden sich gewöhnlich beide Decke theo¬
retisch gar nicht einmal klar sein. Gewiß ist nur eins. Der anständige
Haushalt einer bessern bürgerlichen Familie fordert heutzutage von der Frau,
ob sie wohlhabend ist oder nicht, ein solches Maß von geistiger Reife und
sittlicher Kraft, daß es einfach ohne das gar nicht „ginge," es möchte auch
noch soviel Geld vorhanden sein. Im Verhältnis zu den andern wirtschaft¬
lichen sowohl wie sittlichen Fragen, die im Verlaufe der Ehegemeiuschaft an
die Frau herantreten und ihre ganze Thatkraft beanspruchen, sind die etwaigen
Meinungsverschiedenheiten wegen der Verwendung ihrer Zinsen doch wahre
Lappalien! Eine Frau, die dem einen gewachsen ist, wird auch in Bezug auf
das andre ihren Willen geltend zu machen wissen oder, wenn sie es nicht für
nötig hält, ihn zurücktreten lassen. Fehlen aber der Frau diese Eigenschaften,
so hilft ihr auch keine Gesetzgebung.

Aber das schlimmste ist es ja auch nicht, wenn die Frau in der Ver¬
wendung ihres Vermögensertrages vom Manne in unrechter Weise beschränkt
wird, sondern wenn das Vermögen selbst auf solche Weise verloren geht.
Kann das durch irgend eine Rechtsordnung verhindert werden?

Das Vermögen der Frau kann auf dreierlei Weise angelegt werden: in
Hypotheken, in Papieren oder in dem Geschäfte des Mannes. Die Art der
Anlage wird in normalen Verhältnissen von der Zustimmung der Fran ab¬
hängen. Soll die Zustimmung einen Sinn haben, so ist dabei vorausgesetzt,
daß die Frau die nötige Einsicht und Sachkenntnis habe. Wo diese nicht vor¬
handen sind — und ohne Zweifel fehlen sie sehr vielen Frauen! —, da nutzt
auch eine Rechtsordnung nicht viel, die der Frau gestattete, ihr Vermögen
selbständig zu verwalten. Die Gewissenlosigkeit oder die Unvernunft eines
Verwalters, der nicht ihr Mann wäre, könnten ihr einen ebenso großen Schaden
zufügen. Hat dagegen eine Fran die erforderliche Einsicht und Willenskraft.


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[0119] Das vermögen der Frau keine verborgnen Vorgänge, durch die der schwächere Teil, ehe er es ahnt, allein der Geschädigte werden könnte, sondern es sind Dinge, die sich fast täglich wiederholen und, da sie ernst genug sind, schließlich in irgend einer Weise ihre Klärung finden müßten. Aber wie? Nun. wenn wir in die Litteratur unsers sogenannten bürgerlichen Lebens sehen, wenn wir Romane und Memoiren lesen, und wenn wir uns den wirklichen, innern Betrieb des bessern bürger¬ lichen Haushalts in der Praxis ansehen, so können wir ohne Zweifel aus alledem eins lernen, und zwar seit Jahrhunderten, möchte man sagen, denn so oft und so lange schon vor unsrer Zeit ist es ausgesprochen und gedruckt worden in Prosa und in Versen. Wer von beiden. Mann oder Frau, nach außen als Oberhaupt auftritt, in Amt und Stellung, mit Titel und Uniform, das sieht jeder. Wie aber im Innern des Hauses die Befugnisse abgegrenzt sind, darüber belehrt uns kein Staatshandbuch und keine Rangliste. Wer da im allgemeinen das bestimmende, in einigen Fällen das mitbestimmende Wort hat, ob Mann oder Frau, darüber werden sich gewöhnlich beide Decke theo¬ retisch gar nicht einmal klar sein. Gewiß ist nur eins. Der anständige Haushalt einer bessern bürgerlichen Familie fordert heutzutage von der Frau, ob sie wohlhabend ist oder nicht, ein solches Maß von geistiger Reife und sittlicher Kraft, daß es einfach ohne das gar nicht „ginge," es möchte auch noch soviel Geld vorhanden sein. Im Verhältnis zu den andern wirtschaft¬ lichen sowohl wie sittlichen Fragen, die im Verlaufe der Ehegemeiuschaft an die Frau herantreten und ihre ganze Thatkraft beanspruchen, sind die etwaigen Meinungsverschiedenheiten wegen der Verwendung ihrer Zinsen doch wahre Lappalien! Eine Frau, die dem einen gewachsen ist, wird auch in Bezug auf das andre ihren Willen geltend zu machen wissen oder, wenn sie es nicht für nötig hält, ihn zurücktreten lassen. Fehlen aber der Frau diese Eigenschaften, so hilft ihr auch keine Gesetzgebung. Aber das schlimmste ist es ja auch nicht, wenn die Frau in der Ver¬ wendung ihres Vermögensertrages vom Manne in unrechter Weise beschränkt wird, sondern wenn das Vermögen selbst auf solche Weise verloren geht. Kann das durch irgend eine Rechtsordnung verhindert werden? Das Vermögen der Frau kann auf dreierlei Weise angelegt werden: in Hypotheken, in Papieren oder in dem Geschäfte des Mannes. Die Art der Anlage wird in normalen Verhältnissen von der Zustimmung der Fran ab¬ hängen. Soll die Zustimmung einen Sinn haben, so ist dabei vorausgesetzt, daß die Frau die nötige Einsicht und Sachkenntnis habe. Wo diese nicht vor¬ handen sind — und ohne Zweifel fehlen sie sehr vielen Frauen! —, da nutzt auch eine Rechtsordnung nicht viel, die der Frau gestattete, ihr Vermögen selbständig zu verwalten. Die Gewissenlosigkeit oder die Unvernunft eines Verwalters, der nicht ihr Mann wäre, könnten ihr einen ebenso großen Schaden zufügen. Hat dagegen eine Fran die erforderliche Einsicht und Willenskraft.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222941/119>, abgerufen am 01.09.2024.