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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

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Reisenden und dessen Überwachung und Spesen -- der Agent bezahlt diese
aus seiner Tasche -- gegen die Gewährung eines geringen Verdienstes, der den
Gehalt eines Reisenden kaum übersteigt. Der Agent erleichtert sich oft die
Speseulast dadurch, daß er mehrere Fabriken vertritt.

Nun haben wir auch das Gebiet bestimmt, für das der Engrossortimentcr
in Frage kommt: nämlich für alle Waren von so geringem Wert und so aus¬
gedehntem Absatzgebiet, daß sich ihr Vertrieb an Detaillisten durch besondre
Reisende oder Agenten nicht lohnt. Da aber auf die Stellung dieses Engros-
sortimenters zu seinen Abnehmern und auf feine ganze Entwicklung die Lage
und die Entwicklung seines Kundenkreises, nächst der Entwicklung der Pro¬
duktion, von größtem Einfluß ist. müssen wir zunächst diesen Kundenkreis be¬
trachten.

In diesem Kundenkreis können wir verschiedne Gattungen von Detailllsten
unterscheiden, je nach der Entwicklung, die sie durchgemacht haben: z.B. den
Spezialisten. der sein Lager vergrößert, den zum Handel übergehenden Hand¬
werker, den kleinen Verleger, der zugleich einen offnen Laden hält, den kleinen
Krämer in der Borstadt und auf dem Lande u. a.

Als typisch sür die zuerst angeführte Gattung wählen wir die Kolonml-
warenhändler. Vor vierzig bis fünfzig Jahren mußte man schon ein ansehn¬
liches Vermögen haben, um in einer mittelgroßen Stadt ein Kolomalwaren-
geschäft zu führen. Denn die Waren mußten wegen des unentwickelten Ver¬
kehrs im ganzen eingekauft werden, und der Geschäftsinhaber mußte des¬
wegen öfter weitere Reisen machen. Heute geht der Kolonialwarenhändler der
kleinen Stadt zum Engrossortimenter. Wegen des einen oder andern Artikels
wendet man sich vielleicht noch an den Importeur oder an den Produzenten.
Sonst legt der Kolonialwarenhändler sein Kapital viel besser an, wenn er zehn
halbe Säcke von zehn verschiednen Sorten Kaffee im Sortimentsgeschäft kauft,
als fünf Säcke einer Sorte beim Importeur. Und so ist es bei allen Ar¬
tikeln: Stärke. Zucker, Rosinen. Spiritus. Petroleum - alles wird denn Sor¬
timenter in kleinen Mengen gekauft. Man braucht dabei weniger Kapital und -
bringt es öfter über den Ladentisch als in frühern Jahren. Wer nun ber
dieser neuen Form des Handels Kapital übrig hat. der nutzt es dadurch aus,
daß er die Anzahl der Artikel, die er führt, erhöht, indem er einen Sorti¬
menter eines andern Geschäftszweiges, z- B. von Kurzwaren oder Cigarren, zu¬
zieht. Daher finden wir heute, selbst in großen Städten, in den Kolonial¬
warenhandlungen so verschiedne Artikel: Cigarren, Butter, Käse, Peitschen,
Spazierstöcke. Konfekt, Wurst. Delikatessen. spirituösen. Wein. Bier, Schiefer¬
tafeln, Papier und sonstiges Schreibmaterial.

Eine zweite Gattung von Detaillisten sind die, die sich vom Handwerker
zum Zwischenhändler entwickelt haben; hierzu gehören z. B. die Gerütschafts-
klempner. Diese fertigten früher die Eimer, Krüge. Brotdosen usw., die sie


Reisenden und dessen Überwachung und Spesen — der Agent bezahlt diese
aus seiner Tasche — gegen die Gewährung eines geringen Verdienstes, der den
Gehalt eines Reisenden kaum übersteigt. Der Agent erleichtert sich oft die
Speseulast dadurch, daß er mehrere Fabriken vertritt.

Nun haben wir auch das Gebiet bestimmt, für das der Engrossortimentcr
in Frage kommt: nämlich für alle Waren von so geringem Wert und so aus¬
gedehntem Absatzgebiet, daß sich ihr Vertrieb an Detaillisten durch besondre
Reisende oder Agenten nicht lohnt. Da aber auf die Stellung dieses Engros-
sortimenters zu seinen Abnehmern und auf feine ganze Entwicklung die Lage
und die Entwicklung seines Kundenkreises, nächst der Entwicklung der Pro¬
duktion, von größtem Einfluß ist. müssen wir zunächst diesen Kundenkreis be¬
trachten.

In diesem Kundenkreis können wir verschiedne Gattungen von Detailllsten
unterscheiden, je nach der Entwicklung, die sie durchgemacht haben: z.B. den
Spezialisten. der sein Lager vergrößert, den zum Handel übergehenden Hand¬
werker, den kleinen Verleger, der zugleich einen offnen Laden hält, den kleinen
Krämer in der Borstadt und auf dem Lande u. a.

Als typisch sür die zuerst angeführte Gattung wählen wir die Kolonml-
warenhändler. Vor vierzig bis fünfzig Jahren mußte man schon ein ansehn¬
liches Vermögen haben, um in einer mittelgroßen Stadt ein Kolomalwaren-
geschäft zu führen. Denn die Waren mußten wegen des unentwickelten Ver¬
kehrs im ganzen eingekauft werden, und der Geschäftsinhaber mußte des¬
wegen öfter weitere Reisen machen. Heute geht der Kolonialwarenhändler der
kleinen Stadt zum Engrossortimenter. Wegen des einen oder andern Artikels
wendet man sich vielleicht noch an den Importeur oder an den Produzenten.
Sonst legt der Kolonialwarenhändler sein Kapital viel besser an, wenn er zehn
halbe Säcke von zehn verschiednen Sorten Kaffee im Sortimentsgeschäft kauft,
als fünf Säcke einer Sorte beim Importeur. Und so ist es bei allen Ar¬
tikeln: Stärke. Zucker, Rosinen. Spiritus. Petroleum - alles wird denn Sor¬
timenter in kleinen Mengen gekauft. Man braucht dabei weniger Kapital und -
bringt es öfter über den Ladentisch als in frühern Jahren. Wer nun ber
dieser neuen Form des Handels Kapital übrig hat. der nutzt es dadurch aus,
daß er die Anzahl der Artikel, die er führt, erhöht, indem er einen Sorti¬
menter eines andern Geschäftszweiges, z- B. von Kurzwaren oder Cigarren, zu¬
zieht. Daher finden wir heute, selbst in großen Städten, in den Kolonial¬
warenhandlungen so verschiedne Artikel: Cigarren, Butter, Käse, Peitschen,
Spazierstöcke. Konfekt, Wurst. Delikatessen. spirituösen. Wein. Bier, Schiefer¬
tafeln, Papier und sonstiges Schreibmaterial.

Eine zweite Gattung von Detaillisten sind die, die sich vom Handwerker
zum Zwischenhändler entwickelt haben; hierzu gehören z. B. die Gerütschafts-
klempner. Diese fertigten früher die Eimer, Krüge. Brotdosen usw., die sie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/67>, abgerufen am 15.01.2025.