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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

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Nationalökonomik und Rechtswissenschaft

waltungsbeamte zum gemeinen Besten, nicht zur Privatliebhaberei, verwerten
und weiter pflegen können, muß die Hauptsache bleiben. Doch, wie gesagt,
das ist eine noch fast ganz ungelöste Frage, und wir denken nicht daran, sie
hier so kurzer Hand lösen zu wollen. Wir möchten nur nicht, daß etwa un¬
berechtigter Professorendünkel sie als gelöst hinstellte.

Auf die richtige Verwendung des sogenannten Verwaltungsjahres, das
in den praktischen Vorbereitungsdienst aller, auch der später sür das Richter-
amt verwendeten jungen Juristen durchaus eingeschaltet werden muß, wird
ganz besonders viel ankommen. Schon 1863 hat Bismarck, als er die Ein¬
führung dieses Verwaltungsjahres im preußischen Abgeordnetenhause, leider
vergeblich, befürwortete, hervorgehoben, daß man dabei nicht nur an eine Dienst¬
leistung bei den Negierungskollegien zu denken brauche, da diese dann unter
einem Überfluß an Referendaren zu leiden haben würden, der jede wirkliche
Ausbildung lahme, sondern daß das Verwaltungsjahr auch bei größern und
kleinern Kommunalbehörden, Magistraten, Landratsämtern usw. durchgemacht
werden könne. An Stellen, wo die jungen Herren im Verwaltungsjahre recht
viel lernen könnten, fehlt es sicher nicht, es kommt aber sehr daraus an, daß
ihnen von diesen Stellen die Gelegenheit geboten wird, das rechte zu lernen.
Die unmittelbare Berührung mit dem praktischen Leben des Volks, wie sie
die alte hannoversche Beamtenvorbildung so vorzüglich vermittelte, ist dabei
das erste Erfordernis. Aber an einen weitern Punkt möchten wir außerdem
noch erinnern, der bei Feststellung des Inhalts für das Verwaltungsjahr ge¬
rade in Bezug auf die Juristen nicht übersehen werden sollte, das ist wieder
die viel geschmähte und doch so wenig gekannte Statistik. Es wäre ein ganz
außerordentlicher Gewinn, wenn man den Richtern, namentlich denen in der
Provinz an den kleinen und kleinsten Amtsgerichten, Interesse und Verständnis
für die Statistik beibringen könnte. Jetzt fehlt es daran so gut wie ganz.
Was das wert wäre, darüber sei hier nur auf die Ausführungen des Land¬
gerichtsdirektors Schmitz in der Berliner Agrarkonferenz von 1894 verwiesen."')
Hat der Richter Interesse und Verständnis dafür, so ist eine ganz unschätzbare
statistische Mitarbeit von seiner Seite zu erwarten, ohne daß daraus eine besondre
Geschäftslast erwächst. Das sozialpolitische und volkswirtschaftliche Interesse
muß unter allen Umständen im Richterstande nach der praktischen Richtung hin
wachgerufen werden, der Staat kann diese ihrer ganzen Stellung nach dazu so
gut geeigneten Mitarbeiter auf diesem Gebiete gerade draußen im Lande nicht
länger entbehren. Es ist schon in Heft 17 bei Besprechung der Assessorenfrage
in Preußen kurz auf diesen Punkt hingewiesen worden, daneben aber noch auf
einen zweiten, auf den wir zum Schluß ebenfalls noch mit ein paar Worten zurück¬
kommen wollen, auf die Gemeindebeamten in den sieben preußischen Ostprovinzen.



Landwirtschaftliche Jahrbücher, W. Band, Ergnnzunasband II, S, 14ö.
Nationalökonomik und Rechtswissenschaft

waltungsbeamte zum gemeinen Besten, nicht zur Privatliebhaberei, verwerten
und weiter pflegen können, muß die Hauptsache bleiben. Doch, wie gesagt,
das ist eine noch fast ganz ungelöste Frage, und wir denken nicht daran, sie
hier so kurzer Hand lösen zu wollen. Wir möchten nur nicht, daß etwa un¬
berechtigter Professorendünkel sie als gelöst hinstellte.

Auf die richtige Verwendung des sogenannten Verwaltungsjahres, das
in den praktischen Vorbereitungsdienst aller, auch der später sür das Richter-
amt verwendeten jungen Juristen durchaus eingeschaltet werden muß, wird
ganz besonders viel ankommen. Schon 1863 hat Bismarck, als er die Ein¬
führung dieses Verwaltungsjahres im preußischen Abgeordnetenhause, leider
vergeblich, befürwortete, hervorgehoben, daß man dabei nicht nur an eine Dienst¬
leistung bei den Negierungskollegien zu denken brauche, da diese dann unter
einem Überfluß an Referendaren zu leiden haben würden, der jede wirkliche
Ausbildung lahme, sondern daß das Verwaltungsjahr auch bei größern und
kleinern Kommunalbehörden, Magistraten, Landratsämtern usw. durchgemacht
werden könne. An Stellen, wo die jungen Herren im Verwaltungsjahre recht
viel lernen könnten, fehlt es sicher nicht, es kommt aber sehr daraus an, daß
ihnen von diesen Stellen die Gelegenheit geboten wird, das rechte zu lernen.
Die unmittelbare Berührung mit dem praktischen Leben des Volks, wie sie
die alte hannoversche Beamtenvorbildung so vorzüglich vermittelte, ist dabei
das erste Erfordernis. Aber an einen weitern Punkt möchten wir außerdem
noch erinnern, der bei Feststellung des Inhalts für das Verwaltungsjahr ge¬
rade in Bezug auf die Juristen nicht übersehen werden sollte, das ist wieder
die viel geschmähte und doch so wenig gekannte Statistik. Es wäre ein ganz
außerordentlicher Gewinn, wenn man den Richtern, namentlich denen in der
Provinz an den kleinen und kleinsten Amtsgerichten, Interesse und Verständnis
für die Statistik beibringen könnte. Jetzt fehlt es daran so gut wie ganz.
Was das wert wäre, darüber sei hier nur auf die Ausführungen des Land¬
gerichtsdirektors Schmitz in der Berliner Agrarkonferenz von 1894 verwiesen."')
Hat der Richter Interesse und Verständnis dafür, so ist eine ganz unschätzbare
statistische Mitarbeit von seiner Seite zu erwarten, ohne daß daraus eine besondre
Geschäftslast erwächst. Das sozialpolitische und volkswirtschaftliche Interesse
muß unter allen Umständen im Richterstande nach der praktischen Richtung hin
wachgerufen werden, der Staat kann diese ihrer ganzen Stellung nach dazu so
gut geeigneten Mitarbeiter auf diesem Gebiete gerade draußen im Lande nicht
länger entbehren. Es ist schon in Heft 17 bei Besprechung der Assessorenfrage
in Preußen kurz auf diesen Punkt hingewiesen worden, daneben aber noch auf
einen zweiten, auf den wir zum Schluß ebenfalls noch mit ein paar Worten zurück¬
kommen wollen, auf die Gemeindebeamten in den sieben preußischen Ostprovinzen.



Landwirtschaftliche Jahrbücher, W. Band, Ergnnzunasband II, S, 14ö.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/502>, abgerufen am 22.07.2024.