Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.Leipziger Pasquillanten des achtzehnten Jahrhunderts Fälle betrachtet werden, sodaß diese Mitteilungen zugleich einen Beitrag zur Schon in den Jahren 1750 und 1751 erschien in Leipzig eine ganze Leipziger Pasquillanten des achtzehnten Jahrhunderts Fälle betrachtet werden, sodaß diese Mitteilungen zugleich einen Beitrag zur Schon in den Jahren 1750 und 1751 erschien in Leipzig eine ganze <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0474" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/222778"/> <fw type="header" place="top"> Leipziger Pasquillanten des achtzehnten Jahrhunderts</fw><lb/> <p xml:id="ID_1361" prev="#ID_1360"> Fälle betrachtet werden, sodaß diese Mitteilungen zugleich einen Beitrag zur<lb/> Geschichte des Preßwesens bilden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1362" next="#ID_1363"> Schon in den Jahren 1750 und 1751 erschien in Leipzig eine ganze<lb/> Reihe kleiner Pasquille in der damals beliebten Gesprächform. Im Februar<lb/> 1750 war im Kurfürstentum Sachsen noch einmal eine Kleiderordnung erlassen<lb/> worden, der letzte ohnmächtige Versuch dieser Art, dem Kleiderluxus zu steuern<lb/> und zugleich die einheimische Industrie zu schützen — ausländischer Zitz und<lb/> Kattun sollte binnen zwei Jahren ganz abgeschafft sein. Unmittelbar darauf er¬<lb/> schien noch ein Mandat gegen den übermäßigen Trauerluxus. Über beide Ver¬<lb/> ordnungen wehklagten vor allem die Dienstboten; sie sollten in Zukunft zu ihrer<lb/> Kleidung schlechterdings nur inländisches Wollen- und Leinenzeug, höchstens<lb/> Halbseide nehmen, „Fischbein- oder Steifröcke" zu tragen wurde ihnen ganz<lb/> untersagt, auch wurde verboten, ihnen bei Todesfüllen im Hause Trauerkleider<lb/> zu geben. An diese Verordnungen knüpfen folgende Pasquille an: 1. Das<lb/> mit Leid und Klagen angefüllte Gespräch zweier Leipziger Jungemägde Hanngen<lb/> und Liesgen über die Ablegung des commoder und fast unentbehrlichen Neifen-<lb/> Rocks. 2. Zweites Gespräch von den Leipziger Jungemügden, darinnen sich<lb/> das über die Ablegung der Reifen-Röcke bei den Mägden höchst vergnügte<lb/> Rather-Mädgen Henriettgen gegen eine gewesene Jungemagd Lorgen ungemein<lb/> ktttzelt. 3. Das mit Leid und Klagen angefüllte Gespräch zweier Leipziger<lb/> Ammen, als einer bei vornehmen und einer bei gemeinen Leuten dienenden<lb/> Amme, über den zu tragen verbotenen Zitz und Cattun. 4. Das mit Leid<lb/> und Klagen angefüllte Gespräch zweier Leipziger Köchin (so!), als: einer Docters-<lb/> und einer Kaufmanns-Köchin, über die bei denen Herrschaften zeithero ge¬<lb/> wöhnlich gewesenen, nunmehro aber gäntzlich abgeschasten Mägde-Trauer.<lb/> 5. Das mit Leid und Klagen angefüllte Gespräch zweier Leipziger Muhmen,<lb/> als: einer Franzosen- und einer Teutschen Muhme, über das ehemals gewöhn¬<lb/> liche, nun aber ziemlich starck geminderte Gesinde-Lohn. 6. Gespräch zwischen<lb/> zweien nach dem Rosenthal gehenden verliebten Mädgens, welche sich über die<lb/> elenden und nahrlosen Zeiten beklagen. Diese Gespräche, sämtlich aus je einem<lb/> Druckbogen in Quart bestehend, in kleinen Winkeldruckereien gedruckt, ein, zwei,<lb/> auch drei Ries von jedem, wurden namentlich von den kleinen Buchhändlern<lb/> verkauft, die unterm Rathause oder auch in Marktbuden saßen und mit Ka¬<lb/> lendern und andern „gedruckten Sachen" handelten, sie wurden aber auch von<lb/> Jungen in der Stadt herumgetragen. Sie müssen guten Absatz gefunden haben,<lb/> denn es lohnte sich, noch weitere Bogen nachzusenden, und so erschienen noch in<lb/> rascher Folge: 7. Gespräch einer über den Verlust der Reifen-Röcke leidtragenden<lb/> Jungemagd namens Mariechen mit einem Trödelmann, Herr Wohlfeil, über<lb/> die unglücklichen Heirathen. 8. Entwurf derjenigen lustigen Reden, welche<lb/> Griethgen und Käthgen, zwei verliebte Milchmägdgen, in einer gewissen Stadt<lb/> und Lande mit einander geführet haben. 9. Curiöses Gespräche zwischen Char-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0474]
Leipziger Pasquillanten des achtzehnten Jahrhunderts
Fälle betrachtet werden, sodaß diese Mitteilungen zugleich einen Beitrag zur
Geschichte des Preßwesens bilden.
Schon in den Jahren 1750 und 1751 erschien in Leipzig eine ganze
Reihe kleiner Pasquille in der damals beliebten Gesprächform. Im Februar
1750 war im Kurfürstentum Sachsen noch einmal eine Kleiderordnung erlassen
worden, der letzte ohnmächtige Versuch dieser Art, dem Kleiderluxus zu steuern
und zugleich die einheimische Industrie zu schützen — ausländischer Zitz und
Kattun sollte binnen zwei Jahren ganz abgeschafft sein. Unmittelbar darauf er¬
schien noch ein Mandat gegen den übermäßigen Trauerluxus. Über beide Ver¬
ordnungen wehklagten vor allem die Dienstboten; sie sollten in Zukunft zu ihrer
Kleidung schlechterdings nur inländisches Wollen- und Leinenzeug, höchstens
Halbseide nehmen, „Fischbein- oder Steifröcke" zu tragen wurde ihnen ganz
untersagt, auch wurde verboten, ihnen bei Todesfüllen im Hause Trauerkleider
zu geben. An diese Verordnungen knüpfen folgende Pasquille an: 1. Das
mit Leid und Klagen angefüllte Gespräch zweier Leipziger Jungemägde Hanngen
und Liesgen über die Ablegung des commoder und fast unentbehrlichen Neifen-
Rocks. 2. Zweites Gespräch von den Leipziger Jungemügden, darinnen sich
das über die Ablegung der Reifen-Röcke bei den Mägden höchst vergnügte
Rather-Mädgen Henriettgen gegen eine gewesene Jungemagd Lorgen ungemein
ktttzelt. 3. Das mit Leid und Klagen angefüllte Gespräch zweier Leipziger
Ammen, als einer bei vornehmen und einer bei gemeinen Leuten dienenden
Amme, über den zu tragen verbotenen Zitz und Cattun. 4. Das mit Leid
und Klagen angefüllte Gespräch zweier Leipziger Köchin (so!), als: einer Docters-
und einer Kaufmanns-Köchin, über die bei denen Herrschaften zeithero ge¬
wöhnlich gewesenen, nunmehro aber gäntzlich abgeschasten Mägde-Trauer.
5. Das mit Leid und Klagen angefüllte Gespräch zweier Leipziger Muhmen,
als: einer Franzosen- und einer Teutschen Muhme, über das ehemals gewöhn¬
liche, nun aber ziemlich starck geminderte Gesinde-Lohn. 6. Gespräch zwischen
zweien nach dem Rosenthal gehenden verliebten Mädgens, welche sich über die
elenden und nahrlosen Zeiten beklagen. Diese Gespräche, sämtlich aus je einem
Druckbogen in Quart bestehend, in kleinen Winkeldruckereien gedruckt, ein, zwei,
auch drei Ries von jedem, wurden namentlich von den kleinen Buchhändlern
verkauft, die unterm Rathause oder auch in Marktbuden saßen und mit Ka¬
lendern und andern „gedruckten Sachen" handelten, sie wurden aber auch von
Jungen in der Stadt herumgetragen. Sie müssen guten Absatz gefunden haben,
denn es lohnte sich, noch weitere Bogen nachzusenden, und so erschienen noch in
rascher Folge: 7. Gespräch einer über den Verlust der Reifen-Röcke leidtragenden
Jungemagd namens Mariechen mit einem Trödelmann, Herr Wohlfeil, über
die unglücklichen Heirathen. 8. Entwurf derjenigen lustigen Reden, welche
Griethgen und Käthgen, zwei verliebte Milchmägdgen, in einer gewissen Stadt
und Lande mit einander geführet haben. 9. Curiöses Gespräche zwischen Char-
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