Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.Litteratur Phcintastik Von den "essenden, trinkenden, kegelnden, kciressirenden Mönchen" auf Die Schwäche des Buches ist die Schwäche solcher aphoristischen Gedankeu- Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr, Will), Grunow in Leipzig, -- Druck von Carl Marquart in Leipzig Litteratur Phcintastik Von den „essenden, trinkenden, kegelnden, kciressirenden Mönchen" auf Die Schwäche des Buches ist die Schwäche solcher aphoristischen Gedankeu- Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr, Will), Grunow in Leipzig, — Druck von Carl Marquart in Leipzig <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0440" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/222744"/> <fw type="header" place="top"> Litteratur</fw><lb/> <p xml:id="ID_1265" prev="#ID_1264"> Phcintastik Von den „essenden, trinkenden, kegelnden, kciressirenden Mönchen" auf<lb/> modernen Bildern. Von dem Frieden, den die Ruhe der Leidenschaften und die Hin¬<lb/> gebung an ein hohes Ideal gewährt, hat er als moderner Genußmensch keinen Begriff.<lb/> Ju der Moral erhebt er sich nicht über Egidys Gemeinplätze, hält Märchen für<lb/> schädlich, erklärt Gewissen und Kunst sensualistisch aus Nützlichkeitstendenzen und weist<lb/> religiöse Ideen gänzlich ab. Sophokles und Shakespeare hält er für die ersten<lb/> Tragiker, Calderon als Glückseligkeitsgläubiger gehöre in eine andre Klasse. Es<lb/> entgeht ihm, daß Shakespeare und Calderon als christliche Dramatiker von den<lb/> antiken Dichtern weit geschieden sind. Die Idee der Freiheit und Subjektivität<lb/> bildet hier deu Gegensatz.</p><lb/> <p xml:id="ID_1266"> Die Schwäche des Buches ist die Schwäche solcher aphoristischen Gedankeu-<lb/> äußerungeu überhaupt. Zudem eine interessante Seite der Frage „mit einem jener<lb/> Blitze, wie sie nur der Jnpiterhand des Genies entfahren," beleuchtet wird, soll<lb/> dieser Lichtblick sofort als das Wort des Rätsels gelten, und damit wird die Große<lb/> der Frage und die Schwierigkeit der Fassung zugleich mißkannt. Diese Kritik eines<lb/> Schopenhcmerschen Gedankens (S. 15) kaun als passende Selbstkritik genommen<lb/> werden. Oft treffen wir auf gewagte Bilder, dem glänzenden Ausdruck ist nicht<lb/> selten die begriffliche Schärfe geopfert, Meinungen, die aus augenblicklichen Stim¬<lb/> mungen geflossen sind, werden rückhaltlos verallgemeinert, auch ein trister Pessimismus,<lb/> der spontanen edeln Regungen stets mißtraut und sie mit klügelnder Sophistik auf<lb/> selbstsüchtige Strebungen, hierarchische Politik usw. zurückführt, macht sich weithin<lb/> geltend. Sehr paradoxe, ja verschrobne Äußerungen fehlen nicht, und ein übel¬<lb/> wollender Rezensent könnte eine böse Unkrantlese veranstalten. Dennoch bleibt des<lb/> Guten und Gediegnen soviel, daß das Buch jedem Zeitgenossen als Spiegel des<lb/> Lebens in einem reichen und geistvollen Gemüt empfohlen werden kaun. Trotz<lb/> mancher Anklänge an Vorgänger (auch an das Nembraudtbuch) ist Originalität dem<lb/> Ganzen nicht abzusprechen, man fühlt, daß die Lebcnscinsichten in der Schule eines<lb/> vielseitigen und ernsten Lebens gewonnen worden sind.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <note type="byline"> Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig<lb/> Verlag von Fr, Will), Grunow in Leipzig, — Druck von Carl Marquart in Leipzig</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0440]
Litteratur
Phcintastik Von den „essenden, trinkenden, kegelnden, kciressirenden Mönchen" auf
modernen Bildern. Von dem Frieden, den die Ruhe der Leidenschaften und die Hin¬
gebung an ein hohes Ideal gewährt, hat er als moderner Genußmensch keinen Begriff.
Ju der Moral erhebt er sich nicht über Egidys Gemeinplätze, hält Märchen für
schädlich, erklärt Gewissen und Kunst sensualistisch aus Nützlichkeitstendenzen und weist
religiöse Ideen gänzlich ab. Sophokles und Shakespeare hält er für die ersten
Tragiker, Calderon als Glückseligkeitsgläubiger gehöre in eine andre Klasse. Es
entgeht ihm, daß Shakespeare und Calderon als christliche Dramatiker von den
antiken Dichtern weit geschieden sind. Die Idee der Freiheit und Subjektivität
bildet hier deu Gegensatz.
Die Schwäche des Buches ist die Schwäche solcher aphoristischen Gedankeu-
äußerungeu überhaupt. Zudem eine interessante Seite der Frage „mit einem jener
Blitze, wie sie nur der Jnpiterhand des Genies entfahren," beleuchtet wird, soll
dieser Lichtblick sofort als das Wort des Rätsels gelten, und damit wird die Große
der Frage und die Schwierigkeit der Fassung zugleich mißkannt. Diese Kritik eines
Schopenhcmerschen Gedankens (S. 15) kaun als passende Selbstkritik genommen
werden. Oft treffen wir auf gewagte Bilder, dem glänzenden Ausdruck ist nicht
selten die begriffliche Schärfe geopfert, Meinungen, die aus augenblicklichen Stim¬
mungen geflossen sind, werden rückhaltlos verallgemeinert, auch ein trister Pessimismus,
der spontanen edeln Regungen stets mißtraut und sie mit klügelnder Sophistik auf
selbstsüchtige Strebungen, hierarchische Politik usw. zurückführt, macht sich weithin
geltend. Sehr paradoxe, ja verschrobne Äußerungen fehlen nicht, und ein übel¬
wollender Rezensent könnte eine böse Unkrantlese veranstalten. Dennoch bleibt des
Guten und Gediegnen soviel, daß das Buch jedem Zeitgenossen als Spiegel des
Lebens in einem reichen und geistvollen Gemüt empfohlen werden kaun. Trotz
mancher Anklänge an Vorgänger (auch an das Nembraudtbuch) ist Originalität dem
Ganzen nicht abzusprechen, man fühlt, daß die Lebcnscinsichten in der Schule eines
vielseitigen und ernsten Lebens gewonnen worden sind.
Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr, Will), Grunow in Leipzig, — Druck von Carl Marquart in Leipzig
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |