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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

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Äer rechtliche Schutz der Baukunst

deutsche" Gesetzgebung in der hier behandelten Richtung weder aus Rücksichten
auf das allgemeine Wohl, noch wegen seiner Ausführbarkeit Bedenken obwalten,
zeigt außer Dänemark, Italien und Nußland insbesondre Frankreich. Denn
nach einer eiuhuudertjährigen Giltigkeitsdauer des Gesetzes vom 19. Juli
1793, das dein Urheber Ä'un ouvr^Zs as littsr^durs ein av AiAvuro on as
doues Äutrv xroäuellon alö 1'ssxrit on cle Mills <M g.xxg.rei"unsre aux
bslmx Art8 eine ausschließliche Verfügungsgewalt über sein Werk einräumt,
und das nach gleichmüßigem Gerichtsgebrauch jederzeit auch auf die Baukunst
angewendet worden ist, trifft der neuerdings ausgearbeitete, allerdings uoch
nicht zum Gesetz gewordne Entwurf in diesem Punkte keine Änderung.
Diese Erscheinung spricht aber bei der anerkannten Vorzüglichkeit und Weit¬
sichtigkeit der französischen Gesetzgebung nicht nur dafür, daß schädliche Wir¬
kungen des dem baukünstlerischen Urheberrecht gewährten Schutzes nicht wahr¬
genommen worden sind, sondern legt auch die Vermutung nahe, daß die er¬
wähnte Vorschrift das Streben der Architekten nach eigentümlicher Lösung der
ihnen gestellten Aufgaben angeregt und erhöht, damit aber die Baukunst selbst
gefördert hat. Wenn jetzt in Deutschland gesagt werden darf, Kirchen bauen,
heiße bei uns, die schönsten Gestaltungen des Mittelalters zu einer guten
Gruppe zusammentragen, Otzen, der beschäftigtste deutsche Kirchenbaumeister,
habe das dem Kongreß für protestantischen Kirchenbau in einem längern Vor¬
trage klar gemacht (Gurlitt), oder der Dnrchschmttsarchitekt von heute glaube,
eine hohe Stufe erreicht zu haben, wenn er die antiken griechischen und römischen
Formen der Architektur kenne und sie, schablonisirt, passend und unpassend,
für seine Bauten verbrauche (Begas), so würde es ungerecht sein, die Schuld
an diesem Übeln Zustande den Baukünstlern aufbürden und seine letzte Ursache
in einem Mangel an Fähigkeit oder Fleiß finden zu wollen. Auch der wahre
Künstler, der aus inneren Drange schafft, wird früher oder später erlahmen,
wenn er fortwährend zusehen muß, wie andre den ihm zukommenden Ruhm
genießen und deu klingenden Lohn für seine Werke davontragen. Eine un¬
zweideutige Zerstörung oder Widerlegung der Ansicht, daß es eine nennens¬
werte Anzahl von Architekten gebe, die den Schutz der Baukunst für über¬
flüssig halte", würde daher nicht bloß deu wirtschaftlichen Verhältnissen der
Urheber zweckmäßiger Arbeiterwohnungen und billiger Landhäuser, sondern
auch zugleich der Baukunst selbst zum Nutzen gereichen und auf diesem Wege
mittelbar die Annehmlichkeit des Lebens, also das Wohl der Allgemeinheit
fördern.




Äer rechtliche Schutz der Baukunst

deutsche» Gesetzgebung in der hier behandelten Richtung weder aus Rücksichten
auf das allgemeine Wohl, noch wegen seiner Ausführbarkeit Bedenken obwalten,
zeigt außer Dänemark, Italien und Nußland insbesondre Frankreich. Denn
nach einer eiuhuudertjährigen Giltigkeitsdauer des Gesetzes vom 19. Juli
1793, das dein Urheber Ä'un ouvr^Zs as littsr^durs ein av AiAvuro on as
doues Äutrv xroäuellon alö 1'ssxrit on cle Mills <M g.xxg.rei»unsre aux
bslmx Art8 eine ausschließliche Verfügungsgewalt über sein Werk einräumt,
und das nach gleichmüßigem Gerichtsgebrauch jederzeit auch auf die Baukunst
angewendet worden ist, trifft der neuerdings ausgearbeitete, allerdings uoch
nicht zum Gesetz gewordne Entwurf in diesem Punkte keine Änderung.
Diese Erscheinung spricht aber bei der anerkannten Vorzüglichkeit und Weit¬
sichtigkeit der französischen Gesetzgebung nicht nur dafür, daß schädliche Wir¬
kungen des dem baukünstlerischen Urheberrecht gewährten Schutzes nicht wahr¬
genommen worden sind, sondern legt auch die Vermutung nahe, daß die er¬
wähnte Vorschrift das Streben der Architekten nach eigentümlicher Lösung der
ihnen gestellten Aufgaben angeregt und erhöht, damit aber die Baukunst selbst
gefördert hat. Wenn jetzt in Deutschland gesagt werden darf, Kirchen bauen,
heiße bei uns, die schönsten Gestaltungen des Mittelalters zu einer guten
Gruppe zusammentragen, Otzen, der beschäftigtste deutsche Kirchenbaumeister,
habe das dem Kongreß für protestantischen Kirchenbau in einem längern Vor¬
trage klar gemacht (Gurlitt), oder der Dnrchschmttsarchitekt von heute glaube,
eine hohe Stufe erreicht zu haben, wenn er die antiken griechischen und römischen
Formen der Architektur kenne und sie, schablonisirt, passend und unpassend,
für seine Bauten verbrauche (Begas), so würde es ungerecht sein, die Schuld
an diesem Übeln Zustande den Baukünstlern aufbürden und seine letzte Ursache
in einem Mangel an Fähigkeit oder Fleiß finden zu wollen. Auch der wahre
Künstler, der aus inneren Drange schafft, wird früher oder später erlahmen,
wenn er fortwährend zusehen muß, wie andre den ihm zukommenden Ruhm
genießen und deu klingenden Lohn für seine Werke davontragen. Eine un¬
zweideutige Zerstörung oder Widerlegung der Ansicht, daß es eine nennens¬
werte Anzahl von Architekten gebe, die den Schutz der Baukunst für über¬
flüssig halte», würde daher nicht bloß deu wirtschaftlichen Verhältnissen der
Urheber zweckmäßiger Arbeiterwohnungen und billiger Landhäuser, sondern
auch zugleich der Baukunst selbst zum Nutzen gereichen und auf diesem Wege
mittelbar die Annehmlichkeit des Lebens, also das Wohl der Allgemeinheit
fördern.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/42>, abgerufen am 15.01.2025.