Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Etwas von der Post

fange liefern. Von der aus angestellten Beamten zusammengesetzten Hälfte sind
noch der Amtsvorsteher, der Kassirer und einige Oberpostsekretäre abzuziehen.
So bleiben zur Besorgung des eigentlichen Betriebsdienstes nur wenige an¬
gestellte Beamte übrig. Allerdings können, wie nicht bestritten werden soll,
die jüngern Beamten so eingearbeitet werden, daß sie mit Nutzen zu verwenden
sind. Denn so schwierig sind die Verrichtungen bei einem nicht in unmittel¬
barer Verbindung mit dem Auslande stehenden Postamts keineswegs, daß nicht
ein mit den notwendigen Vorkenntnissen ihm überwiesener Beamter nach einiger
Zeit bei einigen Dienststellen zu verwenden wäre. Aber das schlimme ist, daß
die sogenannten Hilfsarbeiter einem fortwährenden Wechsel unterworfen sind.
Sie kommen gar nicht dazu, sich mit den örtlichen Verhältnissen vertraut zu
machen. Wie bei einem Taubenhause fliegen die Beamten aus und ein. Man
sehe sich nur einmal die Amtsblätter des Reichspostamts und die Verkehrs¬
zeitungen an, die seit dem April dieses Jahres erschienen sind, und man wird
staunen, welches ungeheure Personal sich am 1. April von Osten nach Westen,
von Norden nach Süden und umgekehrt bewegt hat. Dabei werden die außer¬
ordentlich zahlreichen Versetzungen der Posteleven und Gehilfen in diesen
Blättern gar nicht veröffentlicht. Zu einer Zeit, wo der Geldverkehr überaus
lebhaft ist, und wegen des Jahresschlusses alle Hände ohnehin vollauf zu thun
haben, werden den Postämtern mehrere Beamte entzogen. Denn die Versetzten
reisen vor dem 1. April ab, und der Ersatz trifft erst nach einigen Tagen ein,
sodaß gerade in den Tagen, wo das Personal besonders an den Schalter¬
stellen verstärkt sein müßte, Mangel eintritt. Das Publikum muß natürlich
darunter leiden und auf Abfertigung warten.

Für die allgemeine Ausbildung der Beamten mögen ja die häufigen Ver¬
setzungen zweckmäßig sein, und für die jungen Beamten ist es meist sehr an¬
genehm, auf Staatskosten in der Welt herumzureisen; aber für das Publikum,
dem die Post zu dienen hat, sind diese unaufhörlichen Versetzungen sehr nach¬
teilig. Es ist eigentümlich, daß von den Oberpostdirektionen gerade der prak¬
tische Dienst, von dem die Post lebt, und der doch das verrichtet, was man
von der Post verlangt: die Annahme, Beförderung, Bestellung und Ausgabe
der Sendungen, hintangestellt und der Schwerpunkt in die Büreauarbeiten der
Oberpostdirektionen verlegt wird. Wie zahlreich ist nicht allein das Personal,
das zur Bearbeitung der Statistik verwendet wird! Der Wert selbst einer
richtigen Statistik ist schon von verschiednen Seiten angezweifelt worden, weil
sie nicht alles immer in dem richtigen Lichte erscheinen läßt. Und nun sehe
man sich einmal das dicke statistische Heft an, das jedes Jahr von der Neichs-
postverwaltung herausgegeben wird! Fortwährend werden in den statistischen
Nachweisungen, die von den Postanstalten aufzustellen sind, neue Spalten an¬
gebracht, und in diese haben die Postanstalten die Zahlen einzurücken, die beim
Zählen der Briefe usw. ermittelt worden sind. Es flimmert einem förmlich


Etwas von der Post

fange liefern. Von der aus angestellten Beamten zusammengesetzten Hälfte sind
noch der Amtsvorsteher, der Kassirer und einige Oberpostsekretäre abzuziehen.
So bleiben zur Besorgung des eigentlichen Betriebsdienstes nur wenige an¬
gestellte Beamte übrig. Allerdings können, wie nicht bestritten werden soll,
die jüngern Beamten so eingearbeitet werden, daß sie mit Nutzen zu verwenden
sind. Denn so schwierig sind die Verrichtungen bei einem nicht in unmittel¬
barer Verbindung mit dem Auslande stehenden Postamts keineswegs, daß nicht
ein mit den notwendigen Vorkenntnissen ihm überwiesener Beamter nach einiger
Zeit bei einigen Dienststellen zu verwenden wäre. Aber das schlimme ist, daß
die sogenannten Hilfsarbeiter einem fortwährenden Wechsel unterworfen sind.
Sie kommen gar nicht dazu, sich mit den örtlichen Verhältnissen vertraut zu
machen. Wie bei einem Taubenhause fliegen die Beamten aus und ein. Man
sehe sich nur einmal die Amtsblätter des Reichspostamts und die Verkehrs¬
zeitungen an, die seit dem April dieses Jahres erschienen sind, und man wird
staunen, welches ungeheure Personal sich am 1. April von Osten nach Westen,
von Norden nach Süden und umgekehrt bewegt hat. Dabei werden die außer¬
ordentlich zahlreichen Versetzungen der Posteleven und Gehilfen in diesen
Blättern gar nicht veröffentlicht. Zu einer Zeit, wo der Geldverkehr überaus
lebhaft ist, und wegen des Jahresschlusses alle Hände ohnehin vollauf zu thun
haben, werden den Postämtern mehrere Beamte entzogen. Denn die Versetzten
reisen vor dem 1. April ab, und der Ersatz trifft erst nach einigen Tagen ein,
sodaß gerade in den Tagen, wo das Personal besonders an den Schalter¬
stellen verstärkt sein müßte, Mangel eintritt. Das Publikum muß natürlich
darunter leiden und auf Abfertigung warten.

Für die allgemeine Ausbildung der Beamten mögen ja die häufigen Ver¬
setzungen zweckmäßig sein, und für die jungen Beamten ist es meist sehr an¬
genehm, auf Staatskosten in der Welt herumzureisen; aber für das Publikum,
dem die Post zu dienen hat, sind diese unaufhörlichen Versetzungen sehr nach¬
teilig. Es ist eigentümlich, daß von den Oberpostdirektionen gerade der prak¬
tische Dienst, von dem die Post lebt, und der doch das verrichtet, was man
von der Post verlangt: die Annahme, Beförderung, Bestellung und Ausgabe
der Sendungen, hintangestellt und der Schwerpunkt in die Büreauarbeiten der
Oberpostdirektionen verlegt wird. Wie zahlreich ist nicht allein das Personal,
das zur Bearbeitung der Statistik verwendet wird! Der Wert selbst einer
richtigen Statistik ist schon von verschiednen Seiten angezweifelt worden, weil
sie nicht alles immer in dem richtigen Lichte erscheinen läßt. Und nun sehe
man sich einmal das dicke statistische Heft an, das jedes Jahr von der Neichs-
postverwaltung herausgegeben wird! Fortwährend werden in den statistischen
Nachweisungen, die von den Postanstalten aufzustellen sind, neue Spalten an¬
gebracht, und in diese haben die Postanstalten die Zahlen einzurücken, die beim
Zählen der Briefe usw. ermittelt worden sind. Es flimmert einem förmlich


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0408" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/222712"/>
          <fw type="header" place="top"> Etwas von der Post</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1184" prev="#ID_1183"> fange liefern. Von der aus angestellten Beamten zusammengesetzten Hälfte sind<lb/>
noch der Amtsvorsteher, der Kassirer und einige Oberpostsekretäre abzuziehen.<lb/>
So bleiben zur Besorgung des eigentlichen Betriebsdienstes nur wenige an¬<lb/>
gestellte Beamte übrig. Allerdings können, wie nicht bestritten werden soll,<lb/>
die jüngern Beamten so eingearbeitet werden, daß sie mit Nutzen zu verwenden<lb/>
sind. Denn so schwierig sind die Verrichtungen bei einem nicht in unmittel¬<lb/>
barer Verbindung mit dem Auslande stehenden Postamts keineswegs, daß nicht<lb/>
ein mit den notwendigen Vorkenntnissen ihm überwiesener Beamter nach einiger<lb/>
Zeit bei einigen Dienststellen zu verwenden wäre. Aber das schlimme ist, daß<lb/>
die sogenannten Hilfsarbeiter einem fortwährenden Wechsel unterworfen sind.<lb/>
Sie kommen gar nicht dazu, sich mit den örtlichen Verhältnissen vertraut zu<lb/>
machen. Wie bei einem Taubenhause fliegen die Beamten aus und ein. Man<lb/>
sehe sich nur einmal die Amtsblätter des Reichspostamts und die Verkehrs¬<lb/>
zeitungen an, die seit dem April dieses Jahres erschienen sind, und man wird<lb/>
staunen, welches ungeheure Personal sich am 1. April von Osten nach Westen,<lb/>
von Norden nach Süden und umgekehrt bewegt hat. Dabei werden die außer¬<lb/>
ordentlich zahlreichen Versetzungen der Posteleven und Gehilfen in diesen<lb/>
Blättern gar nicht veröffentlicht. Zu einer Zeit, wo der Geldverkehr überaus<lb/>
lebhaft ist, und wegen des Jahresschlusses alle Hände ohnehin vollauf zu thun<lb/>
haben, werden den Postämtern mehrere Beamte entzogen. Denn die Versetzten<lb/>
reisen vor dem 1. April ab, und der Ersatz trifft erst nach einigen Tagen ein,<lb/>
sodaß gerade in den Tagen, wo das Personal besonders an den Schalter¬<lb/>
stellen verstärkt sein müßte, Mangel eintritt. Das Publikum muß natürlich<lb/>
darunter leiden und auf Abfertigung warten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1185" next="#ID_1186"> Für die allgemeine Ausbildung der Beamten mögen ja die häufigen Ver¬<lb/>
setzungen zweckmäßig sein, und für die jungen Beamten ist es meist sehr an¬<lb/>
genehm, auf Staatskosten in der Welt herumzureisen; aber für das Publikum,<lb/>
dem die Post zu dienen hat, sind diese unaufhörlichen Versetzungen sehr nach¬<lb/>
teilig. Es ist eigentümlich, daß von den Oberpostdirektionen gerade der prak¬<lb/>
tische Dienst, von dem die Post lebt, und der doch das verrichtet, was man<lb/>
von der Post verlangt: die Annahme, Beförderung, Bestellung und Ausgabe<lb/>
der Sendungen, hintangestellt und der Schwerpunkt in die Büreauarbeiten der<lb/>
Oberpostdirektionen verlegt wird. Wie zahlreich ist nicht allein das Personal,<lb/>
das zur Bearbeitung der Statistik verwendet wird! Der Wert selbst einer<lb/>
richtigen Statistik ist schon von verschiednen Seiten angezweifelt worden, weil<lb/>
sie nicht alles immer in dem richtigen Lichte erscheinen läßt. Und nun sehe<lb/>
man sich einmal das dicke statistische Heft an, das jedes Jahr von der Neichs-<lb/>
postverwaltung herausgegeben wird! Fortwährend werden in den statistischen<lb/>
Nachweisungen, die von den Postanstalten aufzustellen sind, neue Spalten an¬<lb/>
gebracht, und in diese haben die Postanstalten die Zahlen einzurücken, die beim<lb/>
Zählen der Briefe usw. ermittelt worden sind.  Es flimmert einem förmlich</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0408] Etwas von der Post fange liefern. Von der aus angestellten Beamten zusammengesetzten Hälfte sind noch der Amtsvorsteher, der Kassirer und einige Oberpostsekretäre abzuziehen. So bleiben zur Besorgung des eigentlichen Betriebsdienstes nur wenige an¬ gestellte Beamte übrig. Allerdings können, wie nicht bestritten werden soll, die jüngern Beamten so eingearbeitet werden, daß sie mit Nutzen zu verwenden sind. Denn so schwierig sind die Verrichtungen bei einem nicht in unmittel¬ barer Verbindung mit dem Auslande stehenden Postamts keineswegs, daß nicht ein mit den notwendigen Vorkenntnissen ihm überwiesener Beamter nach einiger Zeit bei einigen Dienststellen zu verwenden wäre. Aber das schlimme ist, daß die sogenannten Hilfsarbeiter einem fortwährenden Wechsel unterworfen sind. Sie kommen gar nicht dazu, sich mit den örtlichen Verhältnissen vertraut zu machen. Wie bei einem Taubenhause fliegen die Beamten aus und ein. Man sehe sich nur einmal die Amtsblätter des Reichspostamts und die Verkehrs¬ zeitungen an, die seit dem April dieses Jahres erschienen sind, und man wird staunen, welches ungeheure Personal sich am 1. April von Osten nach Westen, von Norden nach Süden und umgekehrt bewegt hat. Dabei werden die außer¬ ordentlich zahlreichen Versetzungen der Posteleven und Gehilfen in diesen Blättern gar nicht veröffentlicht. Zu einer Zeit, wo der Geldverkehr überaus lebhaft ist, und wegen des Jahresschlusses alle Hände ohnehin vollauf zu thun haben, werden den Postämtern mehrere Beamte entzogen. Denn die Versetzten reisen vor dem 1. April ab, und der Ersatz trifft erst nach einigen Tagen ein, sodaß gerade in den Tagen, wo das Personal besonders an den Schalter¬ stellen verstärkt sein müßte, Mangel eintritt. Das Publikum muß natürlich darunter leiden und auf Abfertigung warten. Für die allgemeine Ausbildung der Beamten mögen ja die häufigen Ver¬ setzungen zweckmäßig sein, und für die jungen Beamten ist es meist sehr an¬ genehm, auf Staatskosten in der Welt herumzureisen; aber für das Publikum, dem die Post zu dienen hat, sind diese unaufhörlichen Versetzungen sehr nach¬ teilig. Es ist eigentümlich, daß von den Oberpostdirektionen gerade der prak¬ tische Dienst, von dem die Post lebt, und der doch das verrichtet, was man von der Post verlangt: die Annahme, Beförderung, Bestellung und Ausgabe der Sendungen, hintangestellt und der Schwerpunkt in die Büreauarbeiten der Oberpostdirektionen verlegt wird. Wie zahlreich ist nicht allein das Personal, das zur Bearbeitung der Statistik verwendet wird! Der Wert selbst einer richtigen Statistik ist schon von verschiednen Seiten angezweifelt worden, weil sie nicht alles immer in dem richtigen Lichte erscheinen läßt. Und nun sehe man sich einmal das dicke statistische Heft an, das jedes Jahr von der Neichs- postverwaltung herausgegeben wird! Fortwährend werden in den statistischen Nachweisungen, die von den Postanstalten aufzustellen sind, neue Spalten an¬ gebracht, und in diese haben die Postanstalten die Zahlen einzurücken, die beim Zählen der Briefe usw. ermittelt worden sind. Es flimmert einem förmlich

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/408
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_222303/408>, abgerufen am 15.01.2025.