Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.Adolf wilbrandt bei diesem Problem völlig warm geworden wäre, beherrschen noch einige seiner Das erste größere dramatische Werk Wilbrandts, in dem sich seine volle Adolf wilbrandt bei diesem Problem völlig warm geworden wäre, beherrschen noch einige seiner Das erste größere dramatische Werk Wilbrandts, in dem sich seine volle <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0030" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/222334"/> <fw type="header" place="top"> Adolf wilbrandt</fw><lb/> <p xml:id="ID_77" prev="#ID_76"> bei diesem Problem völlig warm geworden wäre, beherrschen noch einige seiner<lb/> ersten Novellen, wie „Die Brüder" und die Briefnovclle „Heimat," selbst die<lb/> stimmungsvolle Künstlergeschichte „Nareiß" mit dem Hintergrunde des Unter¬<lb/> gangs von Pompeji. Aber andre sind schon aus der echten Fülle ureigner<lb/> oder mitempfundnen Lebens geschöpft, die tragische Novelle „Die Geschwister<lb/> von Portonvenere" kann neben den besten Novellen Paul Hehses genannt<lb/> werden, noch vollendeter, Wilbrandtscher, zeigt sich die Erzählung „Johann<lb/> Osterins," in deren prächtige Erfindung und einfache Gestaltung der ganze<lb/> Heimatzauber norddeutschen Lebens, die wunderbarste Mischung tiefleidenschaft¬<lb/> lichen Empfindens und behaglichen Humors hereinquillt; ein bescheidnerer<lb/> Teil der guten Mischung erfüllt anch die „Reise nach Freienwalde." Hier<lb/> regt Wilbrandt schon eigne Schwingen. Unter den wohl gleichzeitig ent-<lb/> standnen Luspieten gehören einige wie „Unerreichbar," „Jugendliebe," „Durch<lb/> die Zeitung" zu der Gattung jeuer kleinen ein- und zweiaktigen Stücke, als<lb/> deren Meister Putlitz aus eiuer vorausgegauguen litterarischen Generation in<lb/> die gegenwärtige herüberragte. Sie verraten, daß sich Wilbrandt gleichsam<lb/> Mühe geben mußte, in der heitern Anspruchslosigkeit des Alltäglichen, thea¬<lb/> tralisch Herkömmlichen zu verharren. Völlig eigen war ihm in diesen Stücken<lb/> nur ein leichter Hauch romantischer Ironie. Tiefer aus dem ihn umgebenden<lb/> Leben geschöpft, anmutig bewegt und nicht ohne humoristische Charakteristik ist<lb/> das dreiaktige Lustspiel „Die Maler." Freilich wird sich das Künstlergeschlccht<lb/> vou heute in diesem Spiegel nur sehr fragmentarisch erkennen. Von der<lb/> tragischen Miene, die einen Trockenplatz und ein Stück Kartoffelfeld mit dem<lb/> Bewußtsein malt, daß sie eine Weltumwülzuug vollbringe, ist in der liebens¬<lb/> würdigen Erfindung und der treuen Wirklichkeitsschildernug der Wilbrandtschen<lb/> „Maler" nichts zu spüren. Die Ateliergeuossen, unter denen die junge Heldin<lb/> und Malerin Elfe als guter Kamerad lebt, bis ihr das Bewußtsein ihrer<lb/> Weiblichkeit und ihrer künstlerischen Unzulänglichkeit zugleich kommt, sind die<lb/> leichtherzig gutmütigen Naturen eiuer frühern Zeit. Aber warmherzige Menschen<lb/> und die Freudigkeit, die sie in ander» erwecken, sterben nicht ans, und die<lb/> Wirkung dieses Lustspiels ist sich daher gleich geblieben. Der glückliche Stoff,<lb/> die lebendige Eiuzelausführuug, der Odem vollen Mitlebens des Dichters<lb/> trugen dieses Künstlerstück über das Eintagsschicksal der meisten verwandten<lb/> Versuche hinaus. Es fehlte wenig, so wäre Wilbrandt auf die Spezialität<lb/> des Lustspiels, die seiner innerstem Natur so gar nicht Genüge that, feierlich<lb/> verwiesen worden. Ein paar spätere größere Lustspiele des Dichters „Die<lb/> Wege des Glücks" und „Die Reise nach Riva" bestätigen das Verdikt der<lb/> kritischen Geschwornen nicht, die in ihm einen ausschließlichen Lustspieldichter<lb/> erkennen wollten.</p><lb/> <p xml:id="ID_78" next="#ID_79"> Das erste größere dramatische Werk Wilbrandts, in dem sich seine volle<lb/> Selbständigkeit erkennen ließ, war das historische Schauspiel „Der Graf von</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0030]
Adolf wilbrandt
bei diesem Problem völlig warm geworden wäre, beherrschen noch einige seiner
ersten Novellen, wie „Die Brüder" und die Briefnovclle „Heimat," selbst die
stimmungsvolle Künstlergeschichte „Nareiß" mit dem Hintergrunde des Unter¬
gangs von Pompeji. Aber andre sind schon aus der echten Fülle ureigner
oder mitempfundnen Lebens geschöpft, die tragische Novelle „Die Geschwister
von Portonvenere" kann neben den besten Novellen Paul Hehses genannt
werden, noch vollendeter, Wilbrandtscher, zeigt sich die Erzählung „Johann
Osterins," in deren prächtige Erfindung und einfache Gestaltung der ganze
Heimatzauber norddeutschen Lebens, die wunderbarste Mischung tiefleidenschaft¬
lichen Empfindens und behaglichen Humors hereinquillt; ein bescheidnerer
Teil der guten Mischung erfüllt anch die „Reise nach Freienwalde." Hier
regt Wilbrandt schon eigne Schwingen. Unter den wohl gleichzeitig ent-
standnen Luspieten gehören einige wie „Unerreichbar," „Jugendliebe," „Durch
die Zeitung" zu der Gattung jeuer kleinen ein- und zweiaktigen Stücke, als
deren Meister Putlitz aus eiuer vorausgegauguen litterarischen Generation in
die gegenwärtige herüberragte. Sie verraten, daß sich Wilbrandt gleichsam
Mühe geben mußte, in der heitern Anspruchslosigkeit des Alltäglichen, thea¬
tralisch Herkömmlichen zu verharren. Völlig eigen war ihm in diesen Stücken
nur ein leichter Hauch romantischer Ironie. Tiefer aus dem ihn umgebenden
Leben geschöpft, anmutig bewegt und nicht ohne humoristische Charakteristik ist
das dreiaktige Lustspiel „Die Maler." Freilich wird sich das Künstlergeschlccht
vou heute in diesem Spiegel nur sehr fragmentarisch erkennen. Von der
tragischen Miene, die einen Trockenplatz und ein Stück Kartoffelfeld mit dem
Bewußtsein malt, daß sie eine Weltumwülzuug vollbringe, ist in der liebens¬
würdigen Erfindung und der treuen Wirklichkeitsschildernug der Wilbrandtschen
„Maler" nichts zu spüren. Die Ateliergeuossen, unter denen die junge Heldin
und Malerin Elfe als guter Kamerad lebt, bis ihr das Bewußtsein ihrer
Weiblichkeit und ihrer künstlerischen Unzulänglichkeit zugleich kommt, sind die
leichtherzig gutmütigen Naturen eiuer frühern Zeit. Aber warmherzige Menschen
und die Freudigkeit, die sie in ander» erwecken, sterben nicht ans, und die
Wirkung dieses Lustspiels ist sich daher gleich geblieben. Der glückliche Stoff,
die lebendige Eiuzelausführuug, der Odem vollen Mitlebens des Dichters
trugen dieses Künstlerstück über das Eintagsschicksal der meisten verwandten
Versuche hinaus. Es fehlte wenig, so wäre Wilbrandt auf die Spezialität
des Lustspiels, die seiner innerstem Natur so gar nicht Genüge that, feierlich
verwiesen worden. Ein paar spätere größere Lustspiele des Dichters „Die
Wege des Glücks" und „Die Reise nach Riva" bestätigen das Verdikt der
kritischen Geschwornen nicht, die in ihm einen ausschließlichen Lustspieldichter
erkennen wollten.
Das erste größere dramatische Werk Wilbrandts, in dem sich seine volle
Selbständigkeit erkennen ließ, war das historische Schauspiel „Der Graf von
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