Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Zweites Vierteljahr.Der Zwischenhandel Handel mit diesen Erzeugnissen damit, daß junge Kaufleute sie zunächst auf Neben dem Billigerwerden der Gebrauchsgegenstände laust aber die Zu¬ Reisende schickten die Berliner Verleger zunächst nicht aus, sondern sie Grenzboten II 1896 2
Der Zwischenhandel Handel mit diesen Erzeugnissen damit, daß junge Kaufleute sie zunächst auf Neben dem Billigerwerden der Gebrauchsgegenstände laust aber die Zu¬ Reisende schickten die Berliner Verleger zunächst nicht aus, sondern sie Grenzboten II 1896 2
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0017" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/222321"/> <fw type="header" place="top"> Der Zwischenhandel</fw><lb/> <p xml:id="ID_44" prev="#ID_43"> Handel mit diesen Erzeugnissen damit, daß junge Kaufleute sie zunächst auf<lb/> den Jahrmärkten der größer» Provinzialstädte abzusetzen versuchten. Als dies<lb/> gelang und damit die Konkurrenzfähigkeit der Berliner Ware bewiesen war,<lb/> traten die Fabrikanten vor allem mit den Täschnermeistern in der Provinz,<lb/> aber auch mit Kaufleuten, deren Geschäft sich dazu eignete, in Verbindung,<lb/> um durch sie ihre Waren an das Publikum abzusetzen. Die Produktionskosten<lb/> der Ware samt dem Gewinn des Verlegers, der Fracht und dem Gewinn des<lb/> Zwischenhändlers mußte also billiger sein als die Ware des Tüschnermeisters<lb/> in der Provinz, denn sonst wäre an eine Konkurrenz nicht zu denken gewesen.<lb/> Das Entscheidende lag in der Fracht, und die Täschnermeister beschuldigten<lb/> mit Recht die Eisenbahnen als die Ursache ihres Niedergangs.</p><lb/> <p xml:id="ID_45"> Neben dem Billigerwerden der Gebrauchsgegenstände laust aber die Zu¬<lb/> nahme des Bedürfnisses her; eins verstärkt das andre. Je billiger der Geld¬<lb/> beutel wird, eine um so größere Anzahl Menschen kann ihn kaufen, je mehr<lb/> er aber gekauft wird, um so billiger wird seine Herstellung, und zwar in<lb/> zwei Beziehungen: 1. wird dieselbe Sorte billiger und 2. fertigt man schlechtere<lb/> Sorten an, die das Bedürfnis der Armem befriedigen und so den Absatzkreis<lb/> erweitern.</p><lb/> <p xml:id="ID_46" next="#ID_47"> Reisende schickten die Berliner Verleger zunächst nicht aus, sondern sie<lb/> ließen sich besuchen (daß das nur von reichern Kaufleuten geschehen kann, ist<lb/> klar) und beschickten ihrerseits die Messen, namentlich die Leipziger, mit<lb/> Muster» — schon im Gegensatz zu dem Handel der eisenbahnlosen Zeit, wo<lb/> die Messen mit Lagern besucht wurden. Nach den größern Provinzialstädten<lb/> kamen wiederum die wohlhabender» Landbewohner in regelmäßigen Zwischen-<lb/> rüumen, um einzukaufen. Sowie aber das Eisenbahnnetz ausgebaut wurde,<lb/> ließ der Fabrikant durch Reisende seine Waren in den größern Provinzial¬<lb/> städten auch solchen Kaufleuten anbieten, die zu weiten Reisen nicht die Mittel<lb/> hatten, daher bis jetzt noch nicht seine Kunden gewesen waren. Sie wurden<lb/> nun durch den Besuch der Reisenden gleich leistungsfähig, wie der reichere<lb/> Kaufmann ihrer Stadt. Dieser seinerseits suchte seine Überlegenheit dadurch<lb/> auszunutzen, daß er Grossist wurde, d. h. daß er in dasselbe Verhältnis zu<lb/> den Krämern in den Landstädten ohne oder mit schlechter Bahnverbindung trat,<lb/> in dem der Berliner Fabrikant zu ihm gestanden hatte. Er kaufte also vom<lb/> Fabrikanten Ware in größern Mengen und daher billiger ein und wurde von<lb/> den Krämern der Landstädte regelmäßig besucht. Mit der Vermehrung der<lb/> Bahnverbindungen aber wurde es dem Grossisten möglich, auch seine Kund¬<lb/> schaft durch Reisende besuchen zu lassen; und das that er, um die größern<lb/> Krümer abzuhalten, sich unmittelbar nach Berlin zu wenden, und um auch die<lb/> allerkleinsten, die ihn aus Furcht vor Reisekosten nicht besucht hatten, mit<lb/> Ware zu versorgen. Natürlich ließ aber der Fabrikant, sowie das Eisenbahnnetz<lb/> soweit gediehen war, von Berlin aus die bedeutender» Krämer in den kleinen</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II 1896 2</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0017]
Der Zwischenhandel
Handel mit diesen Erzeugnissen damit, daß junge Kaufleute sie zunächst auf
den Jahrmärkten der größer» Provinzialstädte abzusetzen versuchten. Als dies
gelang und damit die Konkurrenzfähigkeit der Berliner Ware bewiesen war,
traten die Fabrikanten vor allem mit den Täschnermeistern in der Provinz,
aber auch mit Kaufleuten, deren Geschäft sich dazu eignete, in Verbindung,
um durch sie ihre Waren an das Publikum abzusetzen. Die Produktionskosten
der Ware samt dem Gewinn des Verlegers, der Fracht und dem Gewinn des
Zwischenhändlers mußte also billiger sein als die Ware des Tüschnermeisters
in der Provinz, denn sonst wäre an eine Konkurrenz nicht zu denken gewesen.
Das Entscheidende lag in der Fracht, und die Täschnermeister beschuldigten
mit Recht die Eisenbahnen als die Ursache ihres Niedergangs.
Neben dem Billigerwerden der Gebrauchsgegenstände laust aber die Zu¬
nahme des Bedürfnisses her; eins verstärkt das andre. Je billiger der Geld¬
beutel wird, eine um so größere Anzahl Menschen kann ihn kaufen, je mehr
er aber gekauft wird, um so billiger wird seine Herstellung, und zwar in
zwei Beziehungen: 1. wird dieselbe Sorte billiger und 2. fertigt man schlechtere
Sorten an, die das Bedürfnis der Armem befriedigen und so den Absatzkreis
erweitern.
Reisende schickten die Berliner Verleger zunächst nicht aus, sondern sie
ließen sich besuchen (daß das nur von reichern Kaufleuten geschehen kann, ist
klar) und beschickten ihrerseits die Messen, namentlich die Leipziger, mit
Muster» — schon im Gegensatz zu dem Handel der eisenbahnlosen Zeit, wo
die Messen mit Lagern besucht wurden. Nach den größern Provinzialstädten
kamen wiederum die wohlhabender» Landbewohner in regelmäßigen Zwischen-
rüumen, um einzukaufen. Sowie aber das Eisenbahnnetz ausgebaut wurde,
ließ der Fabrikant durch Reisende seine Waren in den größern Provinzial¬
städten auch solchen Kaufleuten anbieten, die zu weiten Reisen nicht die Mittel
hatten, daher bis jetzt noch nicht seine Kunden gewesen waren. Sie wurden
nun durch den Besuch der Reisenden gleich leistungsfähig, wie der reichere
Kaufmann ihrer Stadt. Dieser seinerseits suchte seine Überlegenheit dadurch
auszunutzen, daß er Grossist wurde, d. h. daß er in dasselbe Verhältnis zu
den Krämern in den Landstädten ohne oder mit schlechter Bahnverbindung trat,
in dem der Berliner Fabrikant zu ihm gestanden hatte. Er kaufte also vom
Fabrikanten Ware in größern Mengen und daher billiger ein und wurde von
den Krämern der Landstädte regelmäßig besucht. Mit der Vermehrung der
Bahnverbindungen aber wurde es dem Grossisten möglich, auch seine Kund¬
schaft durch Reisende besuchen zu lassen; und das that er, um die größern
Krümer abzuhalten, sich unmittelbar nach Berlin zu wenden, und um auch die
allerkleinsten, die ihn aus Furcht vor Reisekosten nicht besucht hatten, mit
Ware zu versorgen. Natürlich ließ aber der Fabrikant, sowie das Eisenbahnnetz
soweit gediehen war, von Berlin aus die bedeutender» Krämer in den kleinen
Grenzboten II 1896 2
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