Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.Die Kunst E Theodor Duimchen rzählung von in Mann kletterte die steile Waldschneise empor. In tiefer Ein¬ Es war ein heißer Tag im August gewesen, der Boden Es war kein Jüngling mehr, der da hoch aufgerichtet, barhaupt durch Jetzt stand der Einsame still, setzte den Hut wieder auf und strich sich Die Kunst E Theodor Duimchen rzählung von in Mann kletterte die steile Waldschneise empor. In tiefer Ein¬ Es war ein heißer Tag im August gewesen, der Boden Es war kein Jüngling mehr, der da hoch aufgerichtet, barhaupt durch Jetzt stand der Einsame still, setzte den Hut wieder auf und strich sich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0095" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/221741"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341863_221645/figures/grenzboten_341863_221645_221741_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Die Kunst E<note type="byline"> Theodor Duimchen</note> rzählung von</head><lb/> <p xml:id="ID_253"> in Mann kletterte die steile Waldschneise empor. In tiefer Ein¬<lb/> samkeit: fern unter ihm rauschte der Waldbach, über ihm be¬<lb/> wegte ein lauer Wind leise die Kronen der Buchen, die goldig-<lb/> grün von den schon schräg fallenden Strahlen der Abendsonne<lb/> beleuchtet wurden.</p><lb/> <p xml:id="ID_254"> Es war ein heißer Tag im August gewesen, der Boden<lb/> dampfte warm im Laubwalde. Erst ganz oben wurde es ein wenig luftiger.<lb/> Schmal, schnurgerade zog sich der Aufhieb durch den Forst, fast genau von<lb/> Nord nach Süd. Die schon ziemlich tief im Westen stehende Sonne warf<lb/> dichte Schatten über den schmalen Pfad. Lautlos schritt der Wandrer auf<lb/> dem dicken Teppich von altem Laub und Moos. Er nahm den weichen Filzhut<lb/> ab und trug ihn in der Linken, während die Rechte den Stock führte: eine<lb/> derbe Eiche mit spitzer, dreikantiger Stahlzwinge.</p><lb/> <p xml:id="ID_255"> Es war kein Jüngling mehr, der da hoch aufgerichtet, barhaupt durch<lb/> den ragenden Hochwald schritt. Kurz gehaltnes Haar bedeckte nur noch mangel¬<lb/> haft den großen Schädel, dessen Form sich dadurch besonders deutlich zeigte.<lb/> Der Mann hätte aussehen können, wie er wollte, an dem Schädel schon er¬<lb/> kannte man, daß man keinen Durchschnittsmenschen, keinen aus der Töpfer¬<lb/> ware der Natur vor sich hatte: die kantigen Formen des Kopfes, die starken<lb/> Wölbungen über Augen und Schläfen machten einen ganz eigen fesselnden Ein¬<lb/> druck. Aber auch das Gesicht selbst fesselte, es war das eiues Denkers und<lb/> Kämpfers zugleich. Über die hohe Stirn zogen sich feine Querlinien, zwischen<lb/> den Brauen aber stand eine doppelte, tiefe, fast finstre, senkrechte Falte. Über<lb/> der scharfgeschnittnen, leicht gebognen Nase blickten ein paar große, dunkel¬<lb/> braune Augen. Der Sommeranzug, den er trug, verriet nichts von Beruf<lb/> oder Stellung des Trägers: ein Heller englischer Plaidanzug, bequem, aber<lb/> gut gemacht.</p><lb/> <p xml:id="ID_256" next="#ID_257"> Jetzt stand der Einsame still, setzte den Hut wieder auf und strich sich<lb/> einen Augenblick lang nachdenklich den braunen Vollbart, der ihm in weichen<lb/> Wellen bis tief herab auf die breite Brust fiel. Ein schmaler Waldweg schnitt<lb/> die Schneise. Er warf einen Blick zurück, verfolgte dann die Windung des<lb/> Wegs und streifte einige Baumgruppen mit dem Auge, wie um die Kennzeichen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0095]
[Abbildung]
Die Kunst E Theodor Duimchen rzählung von
in Mann kletterte die steile Waldschneise empor. In tiefer Ein¬
samkeit: fern unter ihm rauschte der Waldbach, über ihm be¬
wegte ein lauer Wind leise die Kronen der Buchen, die goldig-
grün von den schon schräg fallenden Strahlen der Abendsonne
beleuchtet wurden.
Es war ein heißer Tag im August gewesen, der Boden
dampfte warm im Laubwalde. Erst ganz oben wurde es ein wenig luftiger.
Schmal, schnurgerade zog sich der Aufhieb durch den Forst, fast genau von
Nord nach Süd. Die schon ziemlich tief im Westen stehende Sonne warf
dichte Schatten über den schmalen Pfad. Lautlos schritt der Wandrer auf
dem dicken Teppich von altem Laub und Moos. Er nahm den weichen Filzhut
ab und trug ihn in der Linken, während die Rechte den Stock führte: eine
derbe Eiche mit spitzer, dreikantiger Stahlzwinge.
Es war kein Jüngling mehr, der da hoch aufgerichtet, barhaupt durch
den ragenden Hochwald schritt. Kurz gehaltnes Haar bedeckte nur noch mangel¬
haft den großen Schädel, dessen Form sich dadurch besonders deutlich zeigte.
Der Mann hätte aussehen können, wie er wollte, an dem Schädel schon er¬
kannte man, daß man keinen Durchschnittsmenschen, keinen aus der Töpfer¬
ware der Natur vor sich hatte: die kantigen Formen des Kopfes, die starken
Wölbungen über Augen und Schläfen machten einen ganz eigen fesselnden Ein¬
druck. Aber auch das Gesicht selbst fesselte, es war das eiues Denkers und
Kämpfers zugleich. Über die hohe Stirn zogen sich feine Querlinien, zwischen
den Brauen aber stand eine doppelte, tiefe, fast finstre, senkrechte Falte. Über
der scharfgeschnittnen, leicht gebognen Nase blickten ein paar große, dunkel¬
braune Augen. Der Sommeranzug, den er trug, verriet nichts von Beruf
oder Stellung des Trägers: ein Heller englischer Plaidanzug, bequem, aber
gut gemacht.
Jetzt stand der Einsame still, setzte den Hut wieder auf und strich sich
einen Augenblick lang nachdenklich den braunen Vollbart, der ihm in weichen
Wellen bis tief herab auf die breite Brust fiel. Ein schmaler Waldweg schnitt
die Schneise. Er warf einen Blick zurück, verfolgte dann die Windung des
Wegs und streifte einige Baumgruppen mit dem Auge, wie um die Kennzeichen
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