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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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Wandlungen des Ich im Zeitenstrome
1^0. Die Exkommunikation
(Schluß)

^MWK
^H-^!ein Bruder Robert, der lwplnn, kam, sobald er vernommen hatte,
was in seinen Augen das größte Unglück war. Er redete nicht
viel, wollte nur wissen, wie alles stehe, machte keinen Versuch,
auf mich einzuwirken, und sprach über die brennenden Fragen
gar nicht. Dafür eröffnete er uns, daß er ins Kloster gehen
wolle, und zwar ins Kloster der nnbeschnhteii Karmeliter in Graz. Warum
denn gerade dahin? fragte ich, warum nicht lieber in einen der Orden, die
sich mit den Wissenschaften beschäftigen, zu den Benediktinern oder den Jesuiten?
Eben darum, erwiderte er, weil dort die Wissenschaften nicht betrieben werden,
und weil ich da nicht zu Predigen brauche. Er schwankte nämlich im Glauben
und wollte sich selbst entfliehen. Seinen Entschluß hat er ausgeführt; er
studirt aber doch fleißig und schriftstellert auch.

Am 4. März wurde dem Landtage das Sperrgesetz vorgelegt, dessen An¬
nahme im voraus sicher war. Da war ich denn einerseits froh, daß ich den
Bruch vollzogen hatte. Denn da meine Besoldung aus der RegieruugSkasse
floß, so hätte ich, um sie fortbeziehen zu können, mich schriftlich zur Befolgung
der neuen Gesetze verpflichten müssen und hätte mich also dem Bischof und
der Gemeinde gegenüber genau in derselben Lage befunden wie nach der Ex¬
kommunikation. Hätte ich aber die von der Regierung geforderte Erklärung
verweigert, so wäre mir mein Gehalt gesperrt worden, und ich hätte mich in
der dümmsten Lage besunden, die man sich denken kann, Märtyrer zu werden
sür eine Sache, die ich mißbilligte. Andrerseits that es mir sehr leid, daß
nun die Gemeinde um die Aussicht kam, einen Geistlichen zu erhalten. An
die Negierung schrieb ich am 30. März, daß ich, da ich uuter diesen Umständen
unmöglich auf einen Nachfolger warten könnte, nnr noch bis zum 1. Mai
dazubleiben gedächte, und bat, mir den Beamten zu bezeichnen, dem ich über¬
geben könnte. "Wäre es ein weltlicher Beamter, fügte ich bei, so würden
die beiden Kirchenvorsteher wahrscheinlich in der Mitwirkung zur Übergabe
einen Bruch ihres Amtseides sehen; da ich den beiden braven Männern die
daraus für sie entstehenden Gewissensbedrüngnisfe und möglichen Unannehm¬
lichkeiten ersparen möchte, so bitte Eine usw. ich gehorsamst, falls es zulässig




Wandlungen des Ich im Zeitenstrome
1^0. Die Exkommunikation
(Schluß)

^MWK
^H-^!ein Bruder Robert, der lwplnn, kam, sobald er vernommen hatte,
was in seinen Augen das größte Unglück war. Er redete nicht
viel, wollte nur wissen, wie alles stehe, machte keinen Versuch,
auf mich einzuwirken, und sprach über die brennenden Fragen
gar nicht. Dafür eröffnete er uns, daß er ins Kloster gehen
wolle, und zwar ins Kloster der nnbeschnhteii Karmeliter in Graz. Warum
denn gerade dahin? fragte ich, warum nicht lieber in einen der Orden, die
sich mit den Wissenschaften beschäftigen, zu den Benediktinern oder den Jesuiten?
Eben darum, erwiderte er, weil dort die Wissenschaften nicht betrieben werden,
und weil ich da nicht zu Predigen brauche. Er schwankte nämlich im Glauben
und wollte sich selbst entfliehen. Seinen Entschluß hat er ausgeführt; er
studirt aber doch fleißig und schriftstellert auch.

Am 4. März wurde dem Landtage das Sperrgesetz vorgelegt, dessen An¬
nahme im voraus sicher war. Da war ich denn einerseits froh, daß ich den
Bruch vollzogen hatte. Denn da meine Besoldung aus der RegieruugSkasse
floß, so hätte ich, um sie fortbeziehen zu können, mich schriftlich zur Befolgung
der neuen Gesetze verpflichten müssen und hätte mich also dem Bischof und
der Gemeinde gegenüber genau in derselben Lage befunden wie nach der Ex¬
kommunikation. Hätte ich aber die von der Regierung geforderte Erklärung
verweigert, so wäre mir mein Gehalt gesperrt worden, und ich hätte mich in
der dümmsten Lage besunden, die man sich denken kann, Märtyrer zu werden
sür eine Sache, die ich mißbilligte. Andrerseits that es mir sehr leid, daß
nun die Gemeinde um die Aussicht kam, einen Geistlichen zu erhalten. An
die Negierung schrieb ich am 30. März, daß ich, da ich uuter diesen Umständen
unmöglich auf einen Nachfolger warten könnte, nnr noch bis zum 1. Mai
dazubleiben gedächte, und bat, mir den Beamten zu bezeichnen, dem ich über¬
geben könnte. „Wäre es ein weltlicher Beamter, fügte ich bei, so würden
die beiden Kirchenvorsteher wahrscheinlich in der Mitwirkung zur Übergabe
einen Bruch ihres Amtseides sehen; da ich den beiden braven Männern die
daraus für sie entstehenden Gewissensbedrüngnisfe und möglichen Unannehm¬
lichkeiten ersparen möchte, so bitte Eine usw. ich gehorsamst, falls es zulässig


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[0621] [Abbildung] Wandlungen des Ich im Zeitenstrome 1^0. Die Exkommunikation (Schluß) ^MWK ^H-^!ein Bruder Robert, der lwplnn, kam, sobald er vernommen hatte, was in seinen Augen das größte Unglück war. Er redete nicht viel, wollte nur wissen, wie alles stehe, machte keinen Versuch, auf mich einzuwirken, und sprach über die brennenden Fragen gar nicht. Dafür eröffnete er uns, daß er ins Kloster gehen wolle, und zwar ins Kloster der nnbeschnhteii Karmeliter in Graz. Warum denn gerade dahin? fragte ich, warum nicht lieber in einen der Orden, die sich mit den Wissenschaften beschäftigen, zu den Benediktinern oder den Jesuiten? Eben darum, erwiderte er, weil dort die Wissenschaften nicht betrieben werden, und weil ich da nicht zu Predigen brauche. Er schwankte nämlich im Glauben und wollte sich selbst entfliehen. Seinen Entschluß hat er ausgeführt; er studirt aber doch fleißig und schriftstellert auch. Am 4. März wurde dem Landtage das Sperrgesetz vorgelegt, dessen An¬ nahme im voraus sicher war. Da war ich denn einerseits froh, daß ich den Bruch vollzogen hatte. Denn da meine Besoldung aus der RegieruugSkasse floß, so hätte ich, um sie fortbeziehen zu können, mich schriftlich zur Befolgung der neuen Gesetze verpflichten müssen und hätte mich also dem Bischof und der Gemeinde gegenüber genau in derselben Lage befunden wie nach der Ex¬ kommunikation. Hätte ich aber die von der Regierung geforderte Erklärung verweigert, so wäre mir mein Gehalt gesperrt worden, und ich hätte mich in der dümmsten Lage besunden, die man sich denken kann, Märtyrer zu werden sür eine Sache, die ich mißbilligte. Andrerseits that es mir sehr leid, daß nun die Gemeinde um die Aussicht kam, einen Geistlichen zu erhalten. An die Negierung schrieb ich am 30. März, daß ich, da ich uuter diesen Umständen unmöglich auf einen Nachfolger warten könnte, nnr noch bis zum 1. Mai dazubleiben gedächte, und bat, mir den Beamten zu bezeichnen, dem ich über¬ geben könnte. „Wäre es ein weltlicher Beamter, fügte ich bei, so würden die beiden Kirchenvorsteher wahrscheinlich in der Mitwirkung zur Übergabe einen Bruch ihres Amtseides sehen; da ich den beiden braven Männern die daraus für sie entstehenden Gewissensbedrüngnisfe und möglichen Unannehm¬ lichkeiten ersparen möchte, so bitte Eine usw. ich gehorsamst, falls es zulässig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/621>, abgerufen am 01.09.2024.