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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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Daniel "Lhodowiecki

reger Teilnahme die Schicksale seines Geschlechts überblickend, bis ihn am
7. Februar 1801 ein sanfter Tod hinwegnahm.

Das ausgeführte Bild des Mannes, von dem wir hier eine Skizze ge¬
geben haben, finden unsre Leser in dem sorgfältigen, mit Liebe geschriebnen
Buche Oellingers. Viele werden es zur Hand nehmen, ohne dem Verfasser im
einzelnen seine Arbeit nachzufühlen und sich an ihr Zug für Zug zu erfreuen;
genug, daß diese an dem Ganzen ihren Genuß haben. Wer das Buch zugleich
als Kunstwerk eines gemütvollen und gewissenhaften Arbeiters betrachtet, wird
obendrein auf jeder Seite seiue kleine besondre Freude haben. Von der Doppel¬
aufgabe allerdings, die sich der Verfasser setzt, die Persönlichkeit Chodowieckis
darzustellen und ihre Beziehungen zu dem Geiste ihres Jahrhunderts, kommt
der zweite Teil entschieden zu kurz trotz der sorgfältigen Darstellung der Ber¬
liner Kunstverhältnisse unter Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II., trotz der
eingestreuten Betrachtungen über Klassizismus und Realismus und trotz den
vielen saubern Porträts zeitgenössischer Künstler. Die Aufgabe, Chodowiecki
als Erzeilguis und Ausdruck seiner Zeit darzustellen, ist nur gestreift. Desto
liebenswürdiger ist seiue Person behandelt worden. Wie fein hat der Verfasser
aus der That allemal auf den Trieb zurückgeschlossen und nun rein historisch,
scheinbar naiv aus der Seele des Künstlers heraus erzählt! Wie hat er sich
in sein Sehen hineingelebt, und wie unbefangen steht er ihm doch aus der
andern Seite gegeuüber! Wie geschickt sind die Bilder, von denen das Buch
eine große Anzahl als Illustrationen enthält, neben den schriftlichen Quelle"
als Quellen herangezogen worden! Von der Anordnung dieser Illustrationen
sagt der Verfasser im Anhang bescheiden: "Es war nicht möglich, für jedes
Kapitel nur solche Abbildungen zu verwenden, die genau in die gerade be¬
handelten Jahre fallen. Die Reihe unsrer Illustrationen zeigt daher die künst¬
lerische Entwicklung des Meisters uicht ganz in ihrer richtigen Folge." Aber
man sehe mir, mit wie viel Lust und feinem Sinn die nicht den Jahren des
Malers entsprechenden Bilder mit Beziehung auf ihren Inhalt verteilt sind!
Auch die Sprache des Buches lädt weitere gebildete Kreise zum Lesen ein, sie
fließt zwar nicht leicht, zeugt aber dafür von gewissenhafter Behandlung.




Daniel «Lhodowiecki

reger Teilnahme die Schicksale seines Geschlechts überblickend, bis ihn am
7. Februar 1801 ein sanfter Tod hinwegnahm.

Das ausgeführte Bild des Mannes, von dem wir hier eine Skizze ge¬
geben haben, finden unsre Leser in dem sorgfältigen, mit Liebe geschriebnen
Buche Oellingers. Viele werden es zur Hand nehmen, ohne dem Verfasser im
einzelnen seine Arbeit nachzufühlen und sich an ihr Zug für Zug zu erfreuen;
genug, daß diese an dem Ganzen ihren Genuß haben. Wer das Buch zugleich
als Kunstwerk eines gemütvollen und gewissenhaften Arbeiters betrachtet, wird
obendrein auf jeder Seite seiue kleine besondre Freude haben. Von der Doppel¬
aufgabe allerdings, die sich der Verfasser setzt, die Persönlichkeit Chodowieckis
darzustellen und ihre Beziehungen zu dem Geiste ihres Jahrhunderts, kommt
der zweite Teil entschieden zu kurz trotz der sorgfältigen Darstellung der Ber¬
liner Kunstverhältnisse unter Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II., trotz der
eingestreuten Betrachtungen über Klassizismus und Realismus und trotz den
vielen saubern Porträts zeitgenössischer Künstler. Die Aufgabe, Chodowiecki
als Erzeilguis und Ausdruck seiner Zeit darzustellen, ist nur gestreift. Desto
liebenswürdiger ist seiue Person behandelt worden. Wie fein hat der Verfasser
aus der That allemal auf den Trieb zurückgeschlossen und nun rein historisch,
scheinbar naiv aus der Seele des Künstlers heraus erzählt! Wie hat er sich
in sein Sehen hineingelebt, und wie unbefangen steht er ihm doch aus der
andern Seite gegeuüber! Wie geschickt sind die Bilder, von denen das Buch
eine große Anzahl als Illustrationen enthält, neben den schriftlichen Quelle»
als Quellen herangezogen worden! Von der Anordnung dieser Illustrationen
sagt der Verfasser im Anhang bescheiden: „Es war nicht möglich, für jedes
Kapitel nur solche Abbildungen zu verwenden, die genau in die gerade be¬
handelten Jahre fallen. Die Reihe unsrer Illustrationen zeigt daher die künst¬
lerische Entwicklung des Meisters uicht ganz in ihrer richtigen Folge." Aber
man sehe mir, mit wie viel Lust und feinem Sinn die nicht den Jahren des
Malers entsprechenden Bilder mit Beziehung auf ihren Inhalt verteilt sind!
Auch die Sprache des Buches lädt weitere gebildete Kreise zum Lesen ein, sie
fließt zwar nicht leicht, zeugt aber dafür von gewissenhafter Behandlung.




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[0620] Daniel «Lhodowiecki reger Teilnahme die Schicksale seines Geschlechts überblickend, bis ihn am 7. Februar 1801 ein sanfter Tod hinwegnahm. Das ausgeführte Bild des Mannes, von dem wir hier eine Skizze ge¬ geben haben, finden unsre Leser in dem sorgfältigen, mit Liebe geschriebnen Buche Oellingers. Viele werden es zur Hand nehmen, ohne dem Verfasser im einzelnen seine Arbeit nachzufühlen und sich an ihr Zug für Zug zu erfreuen; genug, daß diese an dem Ganzen ihren Genuß haben. Wer das Buch zugleich als Kunstwerk eines gemütvollen und gewissenhaften Arbeiters betrachtet, wird obendrein auf jeder Seite seiue kleine besondre Freude haben. Von der Doppel¬ aufgabe allerdings, die sich der Verfasser setzt, die Persönlichkeit Chodowieckis darzustellen und ihre Beziehungen zu dem Geiste ihres Jahrhunderts, kommt der zweite Teil entschieden zu kurz trotz der sorgfältigen Darstellung der Ber¬ liner Kunstverhältnisse unter Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II., trotz der eingestreuten Betrachtungen über Klassizismus und Realismus und trotz den vielen saubern Porträts zeitgenössischer Künstler. Die Aufgabe, Chodowiecki als Erzeilguis und Ausdruck seiner Zeit darzustellen, ist nur gestreift. Desto liebenswürdiger ist seiue Person behandelt worden. Wie fein hat der Verfasser aus der That allemal auf den Trieb zurückgeschlossen und nun rein historisch, scheinbar naiv aus der Seele des Künstlers heraus erzählt! Wie hat er sich in sein Sehen hineingelebt, und wie unbefangen steht er ihm doch aus der andern Seite gegeuüber! Wie geschickt sind die Bilder, von denen das Buch eine große Anzahl als Illustrationen enthält, neben den schriftlichen Quelle» als Quellen herangezogen worden! Von der Anordnung dieser Illustrationen sagt der Verfasser im Anhang bescheiden: „Es war nicht möglich, für jedes Kapitel nur solche Abbildungen zu verwenden, die genau in die gerade be¬ handelten Jahre fallen. Die Reihe unsrer Illustrationen zeigt daher die künst¬ lerische Entwicklung des Meisters uicht ganz in ihrer richtigen Folge." Aber man sehe mir, mit wie viel Lust und feinem Sinn die nicht den Jahren des Malers entsprechenden Bilder mit Beziehung auf ihren Inhalt verteilt sind! Auch die Sprache des Buches lädt weitere gebildete Kreise zum Lesen ein, sie fließt zwar nicht leicht, zeugt aber dafür von gewissenhafter Behandlung.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/620>, abgerufen am 25.11.2024.