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Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.

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Daniel Lhodowiecki

Daniel, und damit waren beide auf die schon zu Hause gern geübte Miniatur¬
malerei gewiesen, namentlich das Kopiren von allerhand verwendbaren kleinen
Kupferstichen auf Tabaksdosen, Putzschächtelchen, Stockknäufe und andre Schmuck¬
sachen dieser Art. An einen geregelten Unterricht, eine gründliche Weiterbildung
im Zeichnen und Malen dachte der Onkel dabei nicht.

Ein erster Anstoß kam von außen. Um 1740 kam in Berlin die Technik
der Emailmalerei auf, und die Mode forderte alsbald ihre Anwendung zum
Schmucke von kostbaren Kleinodien wie von solchen billigern Waren, wie sie
das Ayrersche Geschäft in der Hauptsache erzeugte und vertrieb. 1746 oder
1747 entschloß sich darum Antoine Ayrer, seine Neffen die neue Technik lernen
zu lassen, die ihren Farbensinn auch für andre Malereien anregen konnte, denn
die Emailfarben nehmen im Feuer und durch die Glasur eine prachtvolle Leb¬
haftigkeit an und lassen, wo sie durchsichtig sind, das Metall, worauf sie sitzen,
wirksam durchschimmern. Ein erster Versuch schlug fehl; der Lehrer, ein ehe¬
maliger Goldschmied, verstand das Brennen nicht. Desto besser gelang ein
zweiter 1749. Diesmal war ein Haid aus Augsburg, ein Verwandter und
Schüler des Pferde- und Schlachtenmalers Georg Philipp Rugandas ihr Lehrer,
ein Meister im Brennen, der die Brüder bald soweit vorwärts brachte, daß
sie der Onkel aus dem Geschäft fast ganz in die Malerstube übersiedeln ließ:
ihre Leistungen im Emailliren waren einträglicher geworden als ihre Kommis-
dienste. Seinem engern Anschluß an Haid und seiner Gründlichkeit verdankte
es der ältere Daniel, daß er jetzt seinen Bruder auf einmal überflügelte:
Haid hatte ihm akademische Aktfiguren zum Studiren und nachzeichnen ge¬
geben, er selbst hatte sich dazu Stiche nach Watteau und Voucher angeschafft
und namentlich an diesen für genauere, charakteristischere Zeichnung und leichtere
Komposition viel gelernt. Er wurde ganz von der Beschäftigung mit dem
Handel befreit, wagte sich dafür zum Entzücken seines Onkels an Dosen von
Gold, die dann mit Brillanten besetzt wurden, und verwandte dabei statt der
Kopien auch eigne Erfindungen, die er mit großer Lust ausführte und teuer
bezahlt erhielt. Diese selbständige Weiterentwicklung führte in den nächsten
Jahren zu einer Lockerung des Verhültnisfes zu dem Onkel, wonach auch
Gottfried trachtete, und im Sommer 1754 kam man überein, daß das Ayrersche
Geschüft, das bereits in der Schuld der Brüder stand, herauszahlen sollte,
was es ihnen schuldete, und fortan ihre Kunstwaren gegen ein Drittel des
Erlosch vertreiben sollte. Auch dieses Band löste sich bald, als der Onkel
nach wenigen Jahren starb. Damit waren die Brüder völlig auf sich gestellt.

Beide bezeugen das gute Zutrauen, das sie zu ihrer Zukunft hatten,
dadurch, daß sie sich im nächsten Jahre verheirateten, beide mit Mädchen der
französischen Kolonie Berlins, in deren fördernde Kreise sie damit eintraten.
Die meisten Juweliere und Quincailleriehändler Berlins waren Mitglieder der
Kolonie, und so sehlte es den beiden nicht an Absatz ihrer Miniaturen und


Daniel Lhodowiecki

Daniel, und damit waren beide auf die schon zu Hause gern geübte Miniatur¬
malerei gewiesen, namentlich das Kopiren von allerhand verwendbaren kleinen
Kupferstichen auf Tabaksdosen, Putzschächtelchen, Stockknäufe und andre Schmuck¬
sachen dieser Art. An einen geregelten Unterricht, eine gründliche Weiterbildung
im Zeichnen und Malen dachte der Onkel dabei nicht.

Ein erster Anstoß kam von außen. Um 1740 kam in Berlin die Technik
der Emailmalerei auf, und die Mode forderte alsbald ihre Anwendung zum
Schmucke von kostbaren Kleinodien wie von solchen billigern Waren, wie sie
das Ayrersche Geschäft in der Hauptsache erzeugte und vertrieb. 1746 oder
1747 entschloß sich darum Antoine Ayrer, seine Neffen die neue Technik lernen
zu lassen, die ihren Farbensinn auch für andre Malereien anregen konnte, denn
die Emailfarben nehmen im Feuer und durch die Glasur eine prachtvolle Leb¬
haftigkeit an und lassen, wo sie durchsichtig sind, das Metall, worauf sie sitzen,
wirksam durchschimmern. Ein erster Versuch schlug fehl; der Lehrer, ein ehe¬
maliger Goldschmied, verstand das Brennen nicht. Desto besser gelang ein
zweiter 1749. Diesmal war ein Haid aus Augsburg, ein Verwandter und
Schüler des Pferde- und Schlachtenmalers Georg Philipp Rugandas ihr Lehrer,
ein Meister im Brennen, der die Brüder bald soweit vorwärts brachte, daß
sie der Onkel aus dem Geschäft fast ganz in die Malerstube übersiedeln ließ:
ihre Leistungen im Emailliren waren einträglicher geworden als ihre Kommis-
dienste. Seinem engern Anschluß an Haid und seiner Gründlichkeit verdankte
es der ältere Daniel, daß er jetzt seinen Bruder auf einmal überflügelte:
Haid hatte ihm akademische Aktfiguren zum Studiren und nachzeichnen ge¬
geben, er selbst hatte sich dazu Stiche nach Watteau und Voucher angeschafft
und namentlich an diesen für genauere, charakteristischere Zeichnung und leichtere
Komposition viel gelernt. Er wurde ganz von der Beschäftigung mit dem
Handel befreit, wagte sich dafür zum Entzücken seines Onkels an Dosen von
Gold, die dann mit Brillanten besetzt wurden, und verwandte dabei statt der
Kopien auch eigne Erfindungen, die er mit großer Lust ausführte und teuer
bezahlt erhielt. Diese selbständige Weiterentwicklung führte in den nächsten
Jahren zu einer Lockerung des Verhültnisfes zu dem Onkel, wonach auch
Gottfried trachtete, und im Sommer 1754 kam man überein, daß das Ayrersche
Geschüft, das bereits in der Schuld der Brüder stand, herauszahlen sollte,
was es ihnen schuldete, und fortan ihre Kunstwaren gegen ein Drittel des
Erlosch vertreiben sollte. Auch dieses Band löste sich bald, als der Onkel
nach wenigen Jahren starb. Damit waren die Brüder völlig auf sich gestellt.

Beide bezeugen das gute Zutrauen, das sie zu ihrer Zukunft hatten,
dadurch, daß sie sich im nächsten Jahre verheirateten, beide mit Mädchen der
französischen Kolonie Berlins, in deren fördernde Kreise sie damit eintraten.
Die meisten Juweliere und Quincailleriehändler Berlins waren Mitglieder der
Kolonie, und so sehlte es den beiden nicht an Absatz ihrer Miniaturen und


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[0616] Daniel Lhodowiecki Daniel, und damit waren beide auf die schon zu Hause gern geübte Miniatur¬ malerei gewiesen, namentlich das Kopiren von allerhand verwendbaren kleinen Kupferstichen auf Tabaksdosen, Putzschächtelchen, Stockknäufe und andre Schmuck¬ sachen dieser Art. An einen geregelten Unterricht, eine gründliche Weiterbildung im Zeichnen und Malen dachte der Onkel dabei nicht. Ein erster Anstoß kam von außen. Um 1740 kam in Berlin die Technik der Emailmalerei auf, und die Mode forderte alsbald ihre Anwendung zum Schmucke von kostbaren Kleinodien wie von solchen billigern Waren, wie sie das Ayrersche Geschäft in der Hauptsache erzeugte und vertrieb. 1746 oder 1747 entschloß sich darum Antoine Ayrer, seine Neffen die neue Technik lernen zu lassen, die ihren Farbensinn auch für andre Malereien anregen konnte, denn die Emailfarben nehmen im Feuer und durch die Glasur eine prachtvolle Leb¬ haftigkeit an und lassen, wo sie durchsichtig sind, das Metall, worauf sie sitzen, wirksam durchschimmern. Ein erster Versuch schlug fehl; der Lehrer, ein ehe¬ maliger Goldschmied, verstand das Brennen nicht. Desto besser gelang ein zweiter 1749. Diesmal war ein Haid aus Augsburg, ein Verwandter und Schüler des Pferde- und Schlachtenmalers Georg Philipp Rugandas ihr Lehrer, ein Meister im Brennen, der die Brüder bald soweit vorwärts brachte, daß sie der Onkel aus dem Geschäft fast ganz in die Malerstube übersiedeln ließ: ihre Leistungen im Emailliren waren einträglicher geworden als ihre Kommis- dienste. Seinem engern Anschluß an Haid und seiner Gründlichkeit verdankte es der ältere Daniel, daß er jetzt seinen Bruder auf einmal überflügelte: Haid hatte ihm akademische Aktfiguren zum Studiren und nachzeichnen ge¬ geben, er selbst hatte sich dazu Stiche nach Watteau und Voucher angeschafft und namentlich an diesen für genauere, charakteristischere Zeichnung und leichtere Komposition viel gelernt. Er wurde ganz von der Beschäftigung mit dem Handel befreit, wagte sich dafür zum Entzücken seines Onkels an Dosen von Gold, die dann mit Brillanten besetzt wurden, und verwandte dabei statt der Kopien auch eigne Erfindungen, die er mit großer Lust ausführte und teuer bezahlt erhielt. Diese selbständige Weiterentwicklung führte in den nächsten Jahren zu einer Lockerung des Verhültnisfes zu dem Onkel, wonach auch Gottfried trachtete, und im Sommer 1754 kam man überein, daß das Ayrersche Geschüft, das bereits in der Schuld der Brüder stand, herauszahlen sollte, was es ihnen schuldete, und fortan ihre Kunstwaren gegen ein Drittel des Erlosch vertreiben sollte. Auch dieses Band löste sich bald, als der Onkel nach wenigen Jahren starb. Damit waren die Brüder völlig auf sich gestellt. Beide bezeugen das gute Zutrauen, das sie zu ihrer Zukunft hatten, dadurch, daß sie sich im nächsten Jahre verheirateten, beide mit Mädchen der französischen Kolonie Berlins, in deren fördernde Kreise sie damit eintraten. Die meisten Juweliere und Quincailleriehändler Berlins waren Mitglieder der Kolonie, und so sehlte es den beiden nicht an Absatz ihrer Miniaturen und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341863_221645/616>, abgerufen am 25.11.2024.