Die Grenzboten. Jg. 55, 1896, Erstes Vierteljahr.Textbearbeitungen musikalischer Meisterwerke Alfred Heil von er Übelstand, daß viele musikalische Meisterwerke unausgeführt Von besondrer Bedeutung für die Musikpflege der Gegenwart und Zu¬ Grenzboten I 1896 71
Textbearbeitungen musikalischer Meisterwerke Alfred Heil von er Übelstand, daß viele musikalische Meisterwerke unausgeführt Von besondrer Bedeutung für die Musikpflege der Gegenwart und Zu¬ Grenzboten I 1896 71
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[Abbildung]
Textbearbeitungen musikalischer Meisterwerke
Alfred Heil von
er Übelstand, daß viele musikalische Meisterwerke unausgeführt
bleiben und weitern Kreisen bloß dein Namen nach bekannt werden,
wird niemals ganz verschwinden. Man sollte aber kein Mittel
unversucht lassen, die Programme unsrer großen Kouzertinstitute
zu vervollkommnen und den Spielvorrat der angesehenern Bühnen,
bei aller wünschenswerten Mannichfaltigkeit, immer reiner und edler zu ge¬
stalten. Dazu gehört auch das Modernisiren, Ausbessern und Umdichten ver¬
alteter Texte. Wenn ein Stück edler Musik nicht recht lebensfähig und volks¬
tümlich werde» will, so liegt das häufig mir an Äußerlichkeiten. Wie oft
hört man das Urteil: die Komposition sei außerordentlich schön, aber der
benutzte Text sei schwach, mangelhaft und unbefriedigend! Nun, die Wahl des
Textes ist nichts kleines. Wenn Schumann nach der prächtigen Dichtung „Das
Paradies und die Perl" eine so dürftige Poesie wie „Der Rose Pilgerfahrt"
in Angriff nimmt, so ist der Schade sozusagen unheilbar. Der Liebhaber und
Kenner erfreut sich der einzelnen musikalischen Schönheiten, aber das Werk
befriedigt nicht als Ganzes. Doch giebt es auch Schöpfungen, wo nachgeholfen
werden kann, wie bei Mozarts ..Zauberflöte" und Webers „Oberon." Die
Vorwürfe gegen das Textbuch gehen oft zu weit. Der Kern der Arbeit ist
vielleicht nicht ohne einen gewissen Wert, und die einzelnen mißratenen Stellen
lassen sich ändern.
Von besondrer Bedeutung für die Musikpflege der Gegenwart und Zu¬
kunft ist die Neueinführung und Verbreitung der Nachsehen Kantaten. Was
hierbei die Textbearbeitung betrifft, so genügen bei den Kirchenkantaten leichte
Änderungen. Hie und da kann gekürzt, gestrichen und zusammengezogen werden.
Ausdrücke, die uns ästhetisch stören, können neuen, bessern Lesarten weichen.
Das Biblisireude kann, wo es zu stark hervortritt, gemäßigt werden. Die
Evangelischen scheuen sich zwar sehr, das sprachliche Kleid ihres religiösen
Glaubens dem Fortschritt zu unterwerfen. Aber Bachs Kunst darf nicht in
Schranken gehalten werden. Sie soll auch zu denen dringen, die freier em¬
pfinden und allgemein menschliche Ideale pflegen. Das Deutsch der Luther¬
bibel, so teuer und ehrwürdig es sonst jedem gebildeten Vaterlandsfreunde
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